Öffentlicher Dienst im Spannungs- und Verteidigungsfall: dbb fordert klare Regeln, starke Strukturen und Schutz der Beschäftigten
Europa erlebt eine neue Ära der Unsicherheit. Der dbb fordert deshalb klare Zuständigkeiten, moderne Gesetze und wirksame Schutzmechanismen für den öffentlichen Dienst.
Die sicherheitspolitische Lage in Europa hat sich spürbar verschärft. Hybridattacken, Drohnenüberflüge, die anhaltende Bedrohungslage und der Krieg in der Ukraine zeigen, wie brüchig die Grenze zwischen Frieden und Konflikt geworden ist. Selbst deutsche Nachrichtendienste sehen das Land inzwischen „nicht im Krieg, aber auch nicht mehr im Frieden“. Damit rücken die Notstandsregelungen des Grundgesetzes, insbesondere Spannungs- und Verteidigungsfall, wieder stärker in den Fokus – mitsamt der Frage, wie widerstandsfähig und rechtssicher der öffentliche Dienst im Ernstfall aufgestellt ist.
Für Beschäftigte in Verwaltung, Sicherheit, Gesundheit, Infrastruktur, Katastrophenschutz und staatlichen Schlüsselbereichen steigen die Anforderungen angesichts der geopolitischen Entwicklung erheblich. Der Staat muss unter allen Umständen funktionsfähig bleiben, kritische Infrastrukturen schützen und Versorgung sicherstellen. Gleichzeitig entstehen Spannungslagen zwischen verfassungsrechtlichen Vorgaben, individuellen Rechten der Beschäftigten und den realen Grenzen staatlicher Leistungsfähigkeit. Der dbb erkennt die Notwendigkeit einer robusten Vorbereitung auf Ausnahmelagen, lehnt aber unklare oder übergriffige Regelungen entschieden ab. Ein moderner Rechtsrahmen müsse dafür sorgen, dass der öffentliche Dienst im Ernstfall einerseits schnell reagieren kann, andererseits aber vor unverhältnismäßigen Eingriffen geschützt bleibt.
Die Entschließung zeigt zunächst auf, welche rechtlichen Grundlagen existieren: Der Spannungsfall als Vorstufe eines drohenden bewaffneten Angriffs, der Verteidigungsfall als äußerste Eskalationsstufe mit weitreichenden Befugnissen für Exekutive und staatliche Stellen. Sicherstellungsgesetze wie das Arbeitssicherstellungsgesetz und Planungen wie der Operationsplan Deutschland bilden bereits heute den Rahmen für zivile Unterstützung und Gesamtverteidigung. Gleichzeitig offenbaren diese Strukturen gravierende Lücken. Unklare Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen, mangelhaft vernetzte IT-Systeme und fehlende Leitlinien für den Einsatz oder die Verpflichtung von Beschäftigten stellen ernsthafte Risiken für die Handlungsfähigkeit des Staates dar. Auch die Debatte über eine potenzielle Ausrufung des Spannungsfalls, wie sie politisch im Jahr 2025 erstmals wieder geführt wurde, unterstreicht die Dringlichkeit eines modernen und rechtssicheren Notstandsrechts.
Aus Sicht des dbb müssen diese Defizite dringend behoben werden. Die Notstandsverfassung, weitgehend ein Relikt der Blockkonfrontation, brauche eine Modernisierung, um aktuellen Bedrohungen und europäischen Vorgaben gerecht zu werden. Klare Aufgaben- und Kompetenzzuordnungen zwischen allen staatlichen Ebenen seien ebenso notwendig wie die frühzeitige Einbindung der Beschäftigten in Planspiele, Notfallübungen und Fortbildungen. Behörden müssten verbindliche Notfallkonzepte entwickeln, die Personalplanung, IT-Kommunikation, Vertretungsregeln und Krisenabläufe verlässlich regeln. Ohne geübte Strukturen, vernetzte Systeme und klare Vorgaben kann der Staat seine Aufgaben in der Krise nicht erfüllen.
Zentral ist dem dbb außerdem der Schutz der Beschäftigten. Auch im Ausnahmezustand müssten rechtliche Sicherheiten, Mitbestimmungsrechte, Begrenzungen von Dienstverpflichtungen und Rückkehrmöglichkeiten gelten. Ein handlungsfähiger Staat könne nur auf Grundlage von Vertrauen funktionieren – und dieses Vertrauen entstehe nur, wenn Beschäftigte sicher sein können, dass ihre Rechte nicht durch unklare Notstandsmechanismen ausgehöhlt werden. Gleichzeitig brauche es eine moderne digitale Infrastruktur, interoperable IT-Systeme und widerstandsfähige Kommunikationswege, um Krisen effektiv begegnen zu können. Die europäische Fokussierung auf hybride Bedrohungen und Resilienz macht diese Anforderungen zusätzlich dringlich.
Die Entschließung betont schließlich, dass demokratische Kontrolle auch im Notfall unverzichtbar bleibt. Kriterien für die Feststellung des Spannungsfalls müssen transparent und eindeutig sein, politischen Missbrauchsmöglichkeiten muss vorgebeugt werden. Regelmäßige gemeinsame Übungen von Verwaltungen, Rettungsdiensten, Versorgern und Bundeswehr werden als notwendiger Bestandteil einer funktionierenden Gesamtverteidigung bezeichnet. Dazu gehört auch eine solide finanzielle Basis: Der Staat müsse ausreichend investieren, um Ausrüstung, Schulungen, Reservekapazitäten und robuste Strukturen sicherzustellen – im Zusammenspiel mit europäischen Förder- und Kooperationsmöglichkeiten.
Mit dieser Entschließung setzt der dbb ein klares Signal: Die Vorbereitung auf außergewöhnliche Lagen darf nicht im Schatten unklarer Befugnisse oder überholter Gesetze stattfinden. Der öffentliche Dienst ist tragender Bestandteil der nationalen Sicherheitsarchitektur – aber nur dann wirksam, wenn er gut vorbereitet, rechtsstaatlich geschützt und organisatorisch klar strukturiert ist. Sicherheit entsteht nicht durch Ausnahmezustände, sondern durch starke Institutionen, verlässliche Rahmenbedingungen und Beschäftigte, die sich auf ihr System verlassen können.

