Betriebsrat und JAV
Mitbestimmung
Ob Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, im Betrieb oder Unternehmen: Die Bedeutung der Mitbestimmung für den sozialen Frieden, das Verantwortungsbewusstsein und die Innovationsbereitschaft der Beschäftigten durch die Qualitätskontrolle der Unternehmensführung, den Schutz der Beschäftigten in Krisenzeiten und die Akzeptanz von Arbeitgebendenentscheidungen ist allgemein anerkannt. Die Mitbestimmung stellt daher einen der Grundpfeiler für ökonomische, rechtliche und soziale Stabilität und dementsprechend einen unverzichtbaren Bestandteil der deutschen Wirtschaftsordnung dar. Aber Mitbestimmung in der Theorie ist wenig wert – die konkreten Arbeitsbedingungen werden sich nur dann verbessern, wenn sich jemand dafür einsetzt.
Betriebsverfassungsgesetz
Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) regelt die rechtlichen Befugnisse der Betriebsratsarbeit. Bei der Betriebsratsarbeit handelt es sich um ein Gremium der Interessenvertretung der Arbeitnehmenden. Das BetrVG ermöglicht eine kollektive Beteiligung von Arbeitnehmenden an Entscheidungen im Betrieb. Im öffentlichen Dienst findet das Gesetz keine Anwendung, sondern gilt lediglich in den inländischen Betrieben der Privatwirtschaft, genauer: bei allen in privater Rechtsform betriebenen Einrichtungen. Dies betrifft auch einige ehemalige Staatsunternehmen wie die Deutsche Post AG, die Deutsche Postbank AG (die sogenannten Postnachfolgeunternehmen), die heute im internationalen Wettbewerb stehen. Bei der Deutschen Bahn AG folgt die betriebliche Mitbestimmung ebenfalls dem Betriebsverfassungsgesetz, die spezifischen Interessen der zugewiesenen Beamten werden jedoch von sog. „besonderen Personalräten“ wahrgenommen. Der dbb und seine Fachgewerkschaften achten sehr darauf, dass auch in den privatisierten Unternehmen die Interessen der Beschäftigten nicht zu kurz kommen. Dazu gehört auch die Wahrnehmung und Ausweitung der Möglichkeiten der Mitbestimmung. In Abgrenzung dazu findet das Personalvertretungsrecht für die Beamtinnen und Beamten, sowie die Arbeitnehmenden des öffentlichen Dienstes Anwendung.
Aufgabe und Funktion des Betriebsrats
Der Betriebsrat vertritt die Interessen der Belegschaft im Betrieb gegenüber dem Arbeitgebenden. Die Parteien sind hierbei zum Betriebsfrieden verpflichtet (§ 2 BetrVG). Der Betriebsrat fungiert quasi als Vermittler, sodass die Zusammenarbeit vertrauensvoll ausgestaltet sein sollte. Zu seinen Aufgaben gehört der Schutz von Arbeitnehmenden vor Benachteiligung und Diskriminierung (§ 74f. BetrVG). Um seinen Aufgaben gerecht zu werden, kann der Betriebsrat vor das Arbeitsgericht ziehen und in Fällen von groben Verstößen gegen den Arbeitgebenden entweder einen Unterlassungsanspruch oder ein Zwangsgeld geltend machen.
Die Besonderheiten des Betriebsrats
Jedes Mitglied genießt besonderen Kündigungsschutz, so kann es frei von Ängsten um den eigenen Arbeitsplatz das Amt ausüben. Das Amt des Betriebsrates ist ein Ehrenamt, weshalb die Mitglieder weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Sie haben Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung unter Freistellung von ihrer Arbeit, § 37f. BetrVG. Zum aktuellen Stand der Regelungen rund um Betriebsratsvergütung. Mehrere Betriebsräte eines Unternehmens bilden einen Gesamtbetriebsrat (§ 47 ff.). Mehrere Gesamtbetriebsräte eines Konzerns können einen Konzernbetriebsrat bilden (§ 54 ff.) Auf europäischer Ebene kann ein europäischer Betriebsrat nach dem EBRG gegründet werden.
Die Rechte des Betriebsrats
Zu den wichtigsten Aufgaben gehören diverse Mitbestimmungs- und Informationsrechte, die Kontrolle und direkte Gestaltung des Arbeitsplatzes zu ermöglichen (siehe insbesondere §§ 80, 87ff. BetrVG). Hierzu gehört auch das Einberufen der nicht öffentlichen Betriebsversammlung, zu der Arbeitgebende sowie ein/e Beauftragte/r des einschlägigen Arbeitgeberverbandes und Beauftragte der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften geladen werden. Daneben existieren noch Anhörungsrechte und Zustimmungsverweigerungsrechte. Am häufigsten ist die Anhörung im Zusammenhang mit einer möglichen Kündigung relevant. Zustimmungsverweigerungsrechte bestehen zum Beispiel bei der Einstellung oder Versetzung eines Arbeitnehmenden.
Betriebsratswahlen
Die Wahlen finden in der Regel vom 1. März bis 31. Mai eines Jahres statt. Der Betriebsrat wird alle vier Jahre gewählt. Dies ist also die regelmäßige Amtszeit eines Betriebsrats. Die Amtszeit beginnt mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses beziehungsweise mit Ablauf der Amtszeit. Es müssen mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmende beschäftigt sein, von denen drei wählbar sind.
Die Wahlberechtigung, Wählbarkeit und die Zahl der Betriebsratsmitglieder
Wahlberechtigt sind grundsätzlich alle Arbeitnehmenden eines Betriebs, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Ausgenommen sind dabei leitende Angestellte und Gesellschafter. Wahlberechtigt sind ebenfalls geringfügig Beschäftigte, Aushelfende und Teilzeitkräfte sowie Leiharbeitnehmende, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die dem Betrieb mindestens sechs Monate angehören. Für die Größe des Betriebsrats ist die Anzahl der Arbeitnehmenden im Betrieb maßgeblich. So gibt § 9 Satz 1 BetrVG vor, dass bei fünf bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmenden der Betriebsrat aus einer Person besteht. Bei 21 bis 50 Arbeitnehmenden besteht der Betriebsrat bereits aus drei Mitgliedern.
Der Ablauf der Betriebsratswahlen
Der Betriebsrat wird in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt, § 14 BetrVG. Das heißt, es sind organisatorische Maßnahmen zu treffen, um die Geheimhaltung der Stimmabgabe zu gewährleisten. Die Unmittelbarkeit beinhaltet die Wahl ohne jegliche Zwischenschritte. Die Wahlberechtigten geben direkt Wahlvorschläge ab. Die Einzelheiten regelt die Wahlordnung. Für die ordnungsgemäße Durchführung hat der Wahlvorstand zur sorgen, der spätestens zehn Wochen vor Ablauf der Amtszeit zu bestellen ist. Daneben hat er die wesentliche Aufgabe, die Wahl einzuleiten und zu überwachen (§§ 16, 18 BetrVG). Hierbei sieht das BetrVG das vereinfachte Wahlverfahren für Kleinbetriebe vor und gibt vor, dass die Wahl zweistufig ist. Erst wird der Wahlvorstand gewählt und dann nach einer Woche wird auf einer zweiten Wahlversammlung der Betriebsrat in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt.
Die Wahlvorschläge
Die Betriebsratswahl erfolgt aufgrund von Wahlvorschlägen. Die benannten Kandidatinnen und Kandidaten werden in einer Vorschlagsliste zusammengestellt. Die formalen Anforderungen an diese Listen sind im Näheren in der Wahlordnung geregelt. Wichtig für die Gültigkeit ist, dass die Vorschläge von Stützunterschriften getragen sind. Völlig aussichtslose Wahlvorschläge sollen damit vermieden werden.
Die Wahlanfechtung
Die Betriebsratswahl kann angefochten werden. Die Anfechtung erfolgt beim zuständigen Arbeitsgericht. Voraussetzung für eine erfolgreiche Anfechtung ist, dass gegen wesentliche Wahlvorschriften, wie etwa das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren, verstoßen worden ist. Zur Anfechtung berechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgebende. Der Gesetzgeber sieht hierbei eine Anfechtungsfrist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses vor. Bei erfolgreicher Anfechtung muss die Wahl wiederholt werden. Hierzu ist die Bestellung eines neuen Wahlvorstandes erforderlich. Die Bestellung kann dann aber nach Rechtskraft der Entscheidung des Arbeitsgerichtes nicht von dem zuvor (fehlerhaft) gewählten Betriebsrat erfolgen, da dieser nach erfolgreicher Anfechtung nicht existent ist.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick
In den vergangenen Jahren hat sich viel im Betriebsverfassungsrecht getan. Zukünftig werden auch wichtige Änderungen erwartet. Im Folgenden finden Sie einen chronologischen Überblick sowie den aktuellen Stand der gesetzlichen Änderungen beziehungsweise die aktuelle Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Eine aktuelle Rechtsprechungsübersicht finden Sie hier.
2024: Europäische Betriebsräte
Die gesetzgebenden Organe der Europäischen Union beraten über die Überarbeitung der Europäischen Betriebsratsrichtlinie. Anfang des Jahres veröffentlichte die Europäische Kommission einen ersten Entwurf. Dieser beinhaltet spürbare Verbesserungen der europäischen Betriebsratsarbeit. Unter anderem sieht der Entwurf die Klarstellung des Begriffs „länderübergreifende Angelegenheiten“ vor. Zudem soll das Verfahren rund um die Einsetzung des europäischen Betriebsrates vereinfacht werden. Neu sind auch Regelungen, die den Zugang zu Rechtsmitteln transparenter gestalten.
Europäische Betriebsräte: Pressemitteilung der Europäischen Kommission
2023: Digitale Betriebsratsarbeit
Immer mehr Stimmen aus Recht und Politik fordern die Regierung auf, auf die veränderte Arbeitswelt zu reagieren. Sie fordern die Modernisierung des Betriebsverfassungsgesetzes. Im November 2023 erfolgte eine öffentliche Anhörung des Ausschusses Arbeit und Soziales im Bundestag. Es sind Sachverständige geladen worden. Hierbei geht es nicht nur um die Digitalisierung der Betriebsratsarbeit, sondern auch um das Entsprechen der Erwartungen und tatsächlichen Bedürfnisse aller Beschäftigten mit der in vergangenen Jahren gelebten Homeoffice-Kultur.
2023: Betriebsratsvergütungsgesetz
Infolge eines Urteils des Bundesgerichtshofes zur Frage der Untreue bei Verstößen gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot entstanden in der Praxis Rechtsunsicherheiten. Vermehrt haben Unternehmen präventiv die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern gekürzt. Um negative Folgen für die betriebliche Mitbestimmung insgesamt auszuschließen, sind klarstellende gesetzliche Maßnahmen notwendig, ohne dabei die Möglichkeit der Aufklärung und Ahndung von Verstößen gegen das Begünstigungsverbot einzuschränken. Ausgangslage und damit auch Ziel der Neuregelungen ist es, Rechtssicherheit durch Klarstellungen zu schaffen. Die neuen Regelungen enthalten die Kodifizierung der bisherigen BAG Rechtsprechung und gewährleisten so Klarheit und Rechtssicherheit. Es werden Änderungen/Ergänzungen hauptsächlich an den §§ 37 und 78 BetrVG folgen. Der Gesetzesentwurf wurde grundsätzlich von allen Tarifparteien begrüßt.
2022: Arbeitszeiterfassung
Der Europäische Gerichtshof entschied bereits 2019, dass die Mitgliedsstaaten die Arbeitgebenden verpflichten müssen, für ein Arbeitszeiterfassungssystem zu sorgen. Nur so könne man der Arbeitszeit-Richtlinie (2003/88/EG), die den Arbeitsschutz beinhaltet, gerecht werden. 2022 stellte dann das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Beschluss vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21), fest, dass in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmenden auf Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes aufzuzeichnen ist. Im April 2023 legte das Bundesarbeitsministerium einen ersten Referentenentwurf zur Neufassung des Arbeitszeitgesetzes vor. In diesem Entwurf heißt es: „Der Arbeitgeber wird verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der beschäftigten Jugendlichen jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen.“ Näheres ist bisher nicht bekannt.
2022: Betriebsratswahlen nach neuer Wahlordnung
Nach Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes, welches auch Änderungen der Wahlordnung mit sich brachte, fanden 2022 die ersten Betriebsratswahlen nach der neuen Wahlordnung statt. Anders war diesmal, dass zum Beispiel die Briefwahl erweitert wurde. Beschäftigte, die länger nicht vor Ort sind, mussten nicht explizit nach den Wahlunterlagen verlangen. Mit Hinblick auf die Nachhaltigkeit und Kosten wurden Wahlumschläge bei der Urnenwahl weggelassen. Die Wahlen fanden unter den erschwerten Coronabedingungen statt. Die Bilanz jedoch war positiv: Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei 72 Prozent.
2021: Betriebsrätemodernisierungsgesetz
Im Juni 2021 verabschiedete der Bundestag das Betriebsrätemodernisierungsgesetz. Dieses enthält einige Neuerungen bzw. Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes, wie etwa die Einführung des vereinfachten Wahlverfahrens oder auch die Mitbestimmung bei mobiler Arbeit. Ziel des neuen Gesetzes ist es, die wichtige Funktion der Betriebsräte in den Betrieben und bei der Interessenwahrnehmung zu stärken. Der dbb hat sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens mit einer Stellungnahme beteiligt.
Für weiterführende Inhalte verweisen wir gern auf die Schulungsangebote der dbb Akademie.
dbb und Mitbestimmung