• Europäische Flagge

Entschließung

Kommunaler Raum in Europa

Interview

Die europäische Integration geht in ihrer Bedeutung für die Kommunen weit über die einschlägigen Förderprogramme der Europäischen Union und die Interreg hinaus.

Die Städte und Gemeinden haben sehr früh am Aufbau des europäischen Integrationswerks mitgewirkt. Am Anfang standen Städtepartnerschaften, Kulturprogramme und Schüleraustausch, die nach dem Zweiten Weltkrieg unverzichtbare Beiträge zur Versöhnung mit Deutschlands Nachbarn leisteten.

Der europäische Binnenmarkt bedeutet für die Städte und Gemeinden, dass sie in einem europaweiten Wettbewerb stehen. Vor allem der Niederlassungsfreiheit als einer der europäischen Grundfreiheiten kommt hier besondere Bedeutung zu. Öffentliche Vergabe erfolgt in der Regel europaweit. Für die Gewerbesteuereinnahmen sind auch europäische und internationale Investoren bedeutsam.

Da Städtepartnerschaften, europäische und internationale Zusammenarbeit nicht zu den Pflichtaufgaben der Städte und Gemeinden zählen, sind diese vielerorts vor allem auf bürgerschaftliches Engagement angewiesen. Kommunen mit hohen Schuldenlasten verfügen über zu wenig materielle und personelle Ressourcen, diese wichtigen Aktivitäten ausreichend zu unterstützen.

Ein Kernproblem aus Sicht der Kommunen ist, dass sie nicht an der europäischen Rechtsetzung mitwirken können, vielfach aber europäisches Recht umsetzen müssen, ohne dass die Bundesländer, die über den Bundesrat Einfluss auf die deutsche Position im Rat der Europäischen Union haben und auch an der Umsetzung von Richtlinien in deutsches Recht mitwirken, ihnen dafür Mittel zur Verfügung stellen würden.

Politische Zielkonflikte, etwa bei der Umsetzung des European Green Deals, wirken sich zunehmend auf die Kommunen aus, so dass sie großes Interesse haben, auf die deutsche Europapolitik einzuwirken und auch ihre Möglichkeiten der Einflussnahme über den Rat der Gemeinden und Regionen Europas sowie, in begrenzterem Maße, den Ausschuss der Regionen geltend zu machen.

Während die europäischen Förderprogramme im Grundsatz sehr wichtig für die Kommunen sind, haben viele Städte und Gemeinden doch Probleme, diese überhaupt wahrnehmen zu können. Eine Ursache mögen hohe bürokratische Anforderungen bei der Antragstellung sein, wobei diese vor allem vor dem Hintergrund der Missbrauchs- und Korruptionsbekämpfung zu sehen sind.

Eine weitere Ursache, die wichtigere, ist auf die immer weiter auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich bei den Kommunen und damit auch auf die deutsche Finanzverfassung zurückzuführen. Viele Kommunen verfügen aufgrund ihrer hohen Altschulden weder über qualifiziertes Personal, das es für die Antragstellung braucht, noch über die nötigen Eigenmittel. Diese Problematik zeigt sich nicht nur in Bezug auf europäische Fördermittel, sondern auch auf solche des Bundes.

Um Europas Bedeutung für die Städte und Gemeinden sowohl im Sinne der Bürgerinnen und Bürger als auch der Kommunalbediensteten zu optimieren, braucht es eine ganzheitliche Strategie, die sowohl die europäische Regulierung als auch den deutschen Föderalismus, aber auch partizipative Prozesse in den Blick nimmt und nach zukunftsfesten Lösungen für lebenswerte europäische Städte und Gemeinden sucht, für die qualitativ hochwertige Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor conditio sine qua non sind.

 

Bewertung des dbb

Der dbb

- ermutigt die EU-Kommission, weiter die Initiative zu ergreifen, um die Ziele des Grünen Deals zu erreichen, dabei aber stets darauf zu achten, dass die Städte und Gemeinden nicht überfordert, sondern widerstandsfähiger werden gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels wie zum Beispiel Dürren, Überflutungen und Stürme. Eine Pause der Rechtsetzung im Umweltbereich erachtet der dbb nicht als zielführend, wohl aber einen ausgewogeneren Ansatz, der unnötige Bürokratielasten vermeidet und mögliche Zielkonflikte beachtet;

- betont, dass die Digitalisierung die Art und Weise, wie die Kommunen arbeiten und ihre Dienstleistungen bereitstellen, massiv verändert. Es ist von großer Bedeutung, dass die Kommunen dabei unterstützt werden, sich auf die Anforderungen der digitalen Gesellschaft einzustellen und sicherstellen können, dass alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu digitalen Diensten haben;

- fordert die EU-Kommission auf, die Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den Städten und Gemeinden zu fördern, um den Austausch von bewährten Praktiken und die gemeinsame Entwicklung von Lösungen zu erleichtern. Über lose Netzwerke hinaus können bestimmte Ressourcen, teures technisches Gerät, aber auch hochspezialisierte Fachkräfte gemeinsam vorgehalten werden. Pooling and Sharing könnte ein zielführender, auch durch EU-Recht zu unterstützender Ansatz sein, um auf begrenzte finanzielle Spielräume sowie den Fachkräftemangel zu reagieren, ohne dabei die kommunale Selbstverwaltung in Bezug auf die Entscheidungsprozesse in Frage zu stellen;

- weist darauf hin, dass sich viele europäische Städte und Gemeinden auf mehr Migration aus Drittstaaten einstellen müssen. Dies erfordert eine Anpassung der Infrastruktur, des Wohnungsbaus, der Bildungseinrichtungen und der Gesundheitsversorgung. Der dbb betont, dass die Städte und Gemeinden hierbei nicht alleine gelassen werden dürfen. Vielmehr müssen die Kommunen von der europäischen Migrationspolitik berücksichtigt werden, da die Aufnahme und die Integration vor Ort stattfinden;

- fordert die EU-Kommission auf, Programme wie den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) oder den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zu stärken, die die ländlichen Gebiete bei der Diversifizierung ihrer Wirtschaft unterstützen und die Einführung neuer Technologien fördern;

- sieht die EU-Kommission in der Pflicht, sicherzustellen, dass EU-Richtlinien auf lokaler Ebene umgesetzt werden können und die Kommunen bei der Umsetzung unterstützt werden. Dies bedeutet vor allem die Vermeidung unnötiger Bürokratie und kann besonders zielführend bei Richtlinien zum Umweltschutz sein;

- spricht sich für Vereinfachungen bei den Anforderungen für EU-Förderanträge aus, solange dies nicht die Hürden gegen Missbrauch senkt;

- setzt sich für weltoffene Städte und Gemeinden ein, die über ausreichend Ressourcen zur Pflege ihrer Städtepartnerschaften verfügen;

- appelliert an die EU-Kommission, sich dafür einzusetzen, dass die Kommunen Zugang zu den neuesten Innovationen und Technologien haben, um ihre Aufgaben effektiver und effizienter zu erfüllen. Hierbei könnte es beispielsweise um den Einsatz von Smart-City-Technologien oder erneuerbaren Energien gehen. Die Kommunen müssen aktiv in die Entwicklung von Strategien für eine autonome europäische Energie- und Ressourcenversorgung einbezogen werden;

- fordert eine stärkere finanzielle Unterstützung für die Kommunen durch die EU. In Anbetracht der großen zu bewältigenden Herausforderungen, wie den Klimaschutz und die Integration, muss die EU eine wichtigere Rolle bei der Finanzierung der Kommunen spielen. Hierbei könnte es sich beispielsweise um Förderprogramme oder Zuschüsse handeln, um Investitionen in Infrastruktur, Umweltschutz oder soziale Dienstleistungen zu finanzieren.

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