Interoperable Europe Act: dbb fordert klare Zuständigkeiten und echten Umsetzungswillen
Europa digitalisiert seine Verwaltungen – Deutschland hinkt hinterher. Der dbb drängt auf Tempo, Klarheit und verbindliche Strukturen.
Der dbb Bundeshauptvorstand hat am 1. Dezember eine Entschließung verabschiedet, die die Umsetzung des Interoperable Europe Act in Deutschland klar bewertet und deutliche Erwartungen formuliert. Mit der neuen EU-Verordnung verpflichtet sich Europa zu einem digitalen Verwaltungssystem, das über Grenzen hinweg funktioniert und endlich die Grundlage für reibungslose Datennutzung und gemeinsame technische Standards schaffen soll. Während der europäische Rahmen steht, zeichnet sich in Deutschland bislang jedoch ein ernüchterndes Bild: fehlende Koordinierung, unklare Zuständigkeiten und ein föderales Gefüge, das Modernisierung immer noch eher bremst als ermöglicht.
Der Interoperable Europe Act setzt auf verbindliche Interoperabilitätsbewertungen, gemeinsame technische Standards, offene Softwarelösungen und eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Er schafft Governance-Strukturen wie das Interoperability Board und verpflichtet alle Mitgliedstaaten, ihre Verwaltungen organisatorisch, technisch und rechtlich auf ein interoperables Europa auszurichten. Für Deutschland bedeutet das, die stark fragmentierte IT-Landschaft zu ordnen, föderale Zuständigkeiten neu abzustecken und die Digitalisierung nicht länger als optionale Modernisierung, sondern als europäische Verpflichtung zu behandeln.
Der dbb sieht in der Verordnung eine historische Chance, den öffentlichen Dienst endlich aus der Logik paralleler IT-Inseln und bürokratischer Reibungsverluste zu lösen. Gleichzeitig macht die Entschließung deutlich, dass die bisherigen deutschen Bemühungen kaum ausreichen. Weder ist die nationale Kontaktstelle ausreichend etabliert, noch sind verbindliche Verfahren für Interoperabilitätsbewertungen eingeführt. Auch zentrale Projekte der Verwaltungsdigitalisierung wie Registermodernisierung oder Once-Only-Ansätze sind bislang nur unzureichend mit den europäischen Vorgaben verzahnt. Ohne klare Governance droht die Bundesrepublik erneut, europäische Reformimpulse zu verschleppen oder im Dickicht der föderalen Zuständigkeiten zu verlieren.
Im Mittelpunkt der Entschließung steht daher die Forderung nach eindeutigen Verantwortlichkeiten. Bund, Länder und Kommunen müssten festlegen, wer was steuert, wer finanziert und wer in der Verantwortung steht, damit Interoperabilität nicht zur unverbindlichen Dauerbaustelle wird. Ebenso fordert der dbb ausreichende finanzielle Mittel und qualifiziertes Personal. Digitalisierung sei weder zum Nulltarif zu haben noch nebenbei zu stemmen. Der Einsatz offener Standards und gemeinsamer europäischer Lösungen wird ausdrücklich begrüßt, um Abhängigkeiten von Einzelanbietern zu reduzieren und digitale Souveränität zu stärken.
Der dbb betont zudem, dass Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in den Transformationsprozess aktiv eingebunden werden müssen. Interoperabilität sei kein rein technisches Projekt, sondern eine tiefgreifende Veränderung von Arbeitsabläufen, Kompetenzen und Verwaltungsstrukturen. Ohne Weiterbildung, Personalentwicklung und Mitbestimmung werde sie scheitern. Ebenso bleiben Datenschutz und IT-Sicherheit zentrale Leitplanken: Datenaustausch dürfe niemals auf Kosten der Bürgerrechte erfolgen.
Darüber hinaus fordert der dbb regelmäßige Transparenz über den Umsetzungsstand, eine klare nationale Interoperabilitätsstrategie und die konsequente Nutzung von Reallaboren, um innovative Lösungen unter realen Bedingungen zu testen. Die Umsetzung der Verordnung müsse als strategisches Modernisierungsvorhaben begriffen werden – nicht als technisches Nebenprojekt.
Die Botschaft dieser Entschließung ist unmissverständlich: Der Interoperable Europe Act kann ein Meilenstein für die Verwaltungsmodernisierung in Deutschland sein, wenn Politik und Verwaltung jetzt entschlossen handeln. Ohne klare Verantwortlichkeiten, ausreichende Ressourcen und eine echte Kooperationskultur bleibt er allerdings ein europäisches Versprechen, das hierzulande erneut an föderalem Klein-Klein zu scheitern droht.

