Europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Markus Töns
Im Gespräch mit Markus Töns
Markus Töns, MdB, erklärt, wie Deutschland und die EU trotz politischer Extreme handlungsfähig bleiben und wieder näher zu den Menschen rücken können.
dbb europathemen: Wie steht es um Ansehen und Handlungsfähigkeit Deutschlands in Europa, wenn extremistische Parteien bei den Landtagswahlen 2026 so stark abschneiden sollten, wie es derzeit prognostiziert wird?
Markus Töns: Leider sehen wir schon seit Längerem eine Normalisierung des Abstimmens mit rechten Kräften auf europäischer Ebene. Es ist erschreckend zu sehen, dass hier Extremisten schon ganz selbstverständlich zu Mehrheitsmachern werden. Die Landtagswahlen 2026 werden uns wohl Koalitionen in dieser Richtung bescheren, was eine große Gefahr für die deutsche Demokratie und unsere innenpolitische Sicherheit darstellt. Aufgrund der Ländervertretungen im Bundesrat wird sich auch dort ein anderer Ton in europapolitischen Fragen zeigen. Es bleibt zu hoffen, dass sich hier jedoch so schnell keine extremistischen Mehrheiten finden lassen. Bedauerlicherweise werden diese Entwicklungen aber wahrscheinlich kein großes Aufsehen in Europa wecken, da wir ähnliches schon vielseits in anderen Mitgliedstaaten beobachten mussten.
dbb europathemen: Welche Prioritäten setzt die SPD im Bundestag, um Europa in der Sicherheits-, Energie- und Wirtschaftspolitik krisenfester zu machen?
Markus Töns: Um die Abstimmungsprozesse der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) zu verbessern und zu beschleunigen, wollen wir mehr qualifizierte Mehrheitsentscheidungen im Rat der EU ermöglichen. Bei der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) übernehmen wir eine Führungsrolle. Wir wollen die EU-NATO-Zusammenarbeit sowie intergouvernementale Formate stärken.
Der neue Mehrjährige Finanzrahmen wird einen starken Fokus auf Resilienz- und Krisenfestigkeit legen. Dafür sollen Rücklagen für Krisen geschaffen und mehr Geld für die Verteidigung bereitgestellt werden. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben wir es geschafft unabhängiger in unserer Energieversorgung zu werden. Dies müssen wir weiter ausbauen und vor allem in erneuerbare Energien sowie Wasserstoff, vor allem zur Transformation der Wirtschaft, investieren. Wir stehen zu dem Industrie- und Produktionsstandort Europa und werden den hiesigen Unternehmen einen verlässlichen Rahmen zur Transformation und damit dem Erhalt von Arbeitsplätzen schaffen. Essenziell sind dafür Abkommen mit unseren demokratischen Partnern weltweit.
dbb europathemen: Welche Bedeutung hat ein starker öffentlicher Dienst für das Gelingen europäischer Politik – und was kann Deutschland dabei vorleben?
Markus Töns: Ein starker öffentlicher Dienst heißt eine funktionierende Verwaltung. So können wir gewährleisten, dass bürokratische Hürden überwunden werden und wir wettbewerbsfähig bleiben. Dafür ist auch eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit von herausragender Bedeutung. Nur so können wir in allen Mitgliedstaaten faire Bedingungen für alle Bürgerinnen und Bürger schaffen, z.B. durch die
Umsetzung der Vorgaben zur Tariftreue. Des Weiteren stellt der öffentliche Dienst mit seinen entsprechenden Behörden eine wichtige Kontrollinstanz dar und sichert damit die Einhaltung der Regeln unseres gemeinsamen europäischen Zusammenlebens.
dbb europathemen: Wie bewertet die SPD-Fraktion die geplante EU-Erweiterung – und welche Reformen hält sie für notwendig, damit Europa handlungsfähig bleibt?
Markus Töns: Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt an und für sich die geplante EU-Erweiterung, um so auch ein deutliches Zeichen gegen die Ausweitung autoritärer Regime wie China oder Russland zu setzen. Ein Reformprozess ist jedoch unabdingbar mit der Erweiterung verbunden. Abstimmungs- und Repräsentanzregelungen sind nicht zukunftsfähig, da ein Einstimmigkeitsgebot schon jetzt vielfach zu Problemen führt. Des Weiteren ist grundsätzlich zu überlegen, wie eine EU der Zukunft aussehen kann. Aktuell gibt es nur zwei Optionen: Mitgliedschaft ja oder nein. Die Idee des deutsch-französischen Expertenberichts von 2023 unterschiedliche Sphären der Integration einzuführen, finde ich sehr interessant. So könnte man unterschiedliche Ebenen der Zusammenarbeit und des Einflussbereiches schaffen. Diese wären natürlich nicht statisch und Staaten könnten näher an den Kern der vollen Integration heranrücken oder nach dem Beispiel des Vereinigten Königreiches auch wieder auf Abstand zur Gemeinschaft gehen. So könnte man Staaten schneller an die EU binden und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit geben sich sukzessive anzupassen.
dbb europathemen: Wie kann europäische Politik wieder stärker bei den Menschen ankommen – gerade in Zeiten wachsender EU-Skepsis?
Markus Töns: Vereine wie die Europa-Union, in der ich als überzeugter Europäer Mitglied bin, sind wichtige Akteure, um die Bedeutung der EU in der Gesellschaft bekannter zu machen. Sie verdeutlichen die Privilegien, die uns die EU bietet und zeigen auch die Alternativen auf. Dabei ist stets Raum für einen aufgeschlossenen Austausch und die Diskussion verschiedener Zukunftsperspektiven. Ich würde mich sehr freuen, wenn auch andere Vereine oder in der Öffentlichkeit stehende Akteure die positiven Seiten der EU stärker zum Ausdruck bringen würden. Leider überwiegt das, auch von den Medien ausgeweitete, negative Bild des „Bürokratiemonsters“ EU. Dabei müsste uns doch allen klar sein: Nur dank der EU können wir hier in Frieden und Wohlstand leben, ohne Grenzkontrollen reisen und unseren Lebensmittelpunkt frei wählen.

