Leitantrag Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik

Positionen des dbb in der Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik

Die Finanz- und Steuerpolitik ist ein zentrales Feld staatlichen Handelns. Eine solide Finanz- und Steuerpolitik ist das Fundament, um einen finanziell handlungsfähigen Staat zu gewährleisten. Denn nur so kann auch eine für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands unabdingbare Infrastrukturpolitik gewährleistet werden. Aus diesen Gründen hält der dbb beamtenbund und tarifunion es für erforderlich, folgende Aspekte zu berücksichtigen:

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Trotz der allgegenwärtigen Corona-Pandemie hat sich der Arbeitsmarkt in Deutschland erstaunlich resilient gezeigt. Nach sehr guten Jahren, waren bis dato die befürchteten Einbrüche nicht zu verzeichnen. Dies ist nicht zuletzt auch dem Einsatz des Instruments „Kurzarbeit“ zu verdanken, dass Deutschland zumindest wirtschaftlich relativ gut durch die Corona-Krise gekommen ist. Gleichwohl gibt es auf der einen Seite immer noch einen verfestigten Sockel von Langzeitarbeitslosen. Auf der anderen Seite gibt es einen starken Fachkräftemangel, der die deutsche Wirtschaft, aber insbesondere auch den öffentlichen Dienst betrifft. Dies ist für den öffentlichen Dienst von besonderer Bedeutung, da die Altersstruktur in Teilen ungünstiger ist als in der Privatwirtschaft. Zudem wird der demografische Wandel sich in naher Zukunft noch stärker bemerkbar machen (Stichwort: Geburtenstarke Jahrgänge treten in den Ruhestand).

Allerdings sind auch die Folgen der Corona-Krise noch nicht überwunden und die Probleme in den Lieferketten können sich weiterhin bemerkbar machen. Kriegerische Auseinandersetzungen auch in Europa gefährden die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, Europa und letztlich weltweit. Die heftigen Preissprünge im Energiebereich lassen erahnen, welche Probleme auf die Weltwirtschaft aber insbesondere auch auf rohstoffarme Länder wie Deutschland zukommen. Dies muss auch vor dem Hintergrund der notwendigen Dekarbonisierung der Volkswirtschaft betrachtet werden. Der große Nachholbedarf bei Infrastrukturprojekten und das nicht nur im Bereich der Verteidigung bereitet zusätzliche Probleme.

Hier stehen öffentlicher Dienst und die Privatwirtschaft vor großen Herausforderungen. Klar muss sein, dass der öffentliche Dienst nur effektiv arbeiten kann, wenn er personell und materiell gut ausgestattet ist.

Dies gilt insbesondere deswegen, weil Deutschland mit seinem gut funktionierenden öffentlichen Dienst dafür Sorge tragen kann, dass die Voraussetzungen für eine prosperierende Wirtschaft gegeben sind. Der öffentliche Dienst garantiert, dass ein funktionierendes – wenn auch verbesserungswürdiges – Steuersystem Einnahmen generiert, die u. a. zur Ausbildung und Bildung der Bevölkerung verwendet werden können. Darüber hinaus können stetige Einnahmen dafür sorgen, dass die Infrastruktur wie etwa ein funktionierendes Straßen- und Schienennetz und der Modernisierungsstau etwa bei Brücken überwunden werden kann. Insbesondere auch der Bereich der Kindertagesstätten und der Schulen hat riesigen Nachholbedarf. Die Dekarbonisierung erfordert einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs aber auch des Fernverkehrs. Eine verlässliche staatliche Infrastruktur ist für eine entwickelte Volkswirtschaft unabdingbar. Weiterhin ist ein verlässliches und willkürfreies Steuersystem neben einem guten Rechtssystem per se ein Standortvorteil. Diese (öffentlichen) Güter können nur durch einen öffentlichen Dienst bereitgestellt werden, der dafür personell und strukturell auch adäquat ausgestattet ist.

Globalisierung

Aufgrund der zunehmenden Globalisierung, d. h. der Verflechtung der nationalen Volkswirtschaften durch die „Wanderungsfreiheit“ von Personen, Gütern, Dienstleistungen und Kapital, wird eine nationale Wirtschafts- und Steuerpolitik teilweise überlagert. Der internationale Wettbewerbsdruck auf Unternehmen, wie auch auf die Staaten, nimmt zu, gleichwohl bietet die Globalisierung insbesondere der exportorientierten deutschen Wirtschaft erhebliche Chancen; der Staat muss dabei soziale Mindeststandards für seine Bürger garantieren. Es ist wahrscheinlich, dass es auch künftig zu Handelskrisen kommt. Die Diskussion um Freihandelsabkommen bzw. um drohende Zölle und Handelsbeschränkungen muss von einem exportorientierten und stark arbeitsteiligen Wirtschaftssystem ernst genommen werden. Dazu gehören auch mutige Schritte in der Digitalisierung, die in vielen Ländern der Erde erfolgen, Deutschland hinkt hier in Teilen deutlich hinterher.

Haushalte und Verschuldung

Die Schuldenlast aller öffentlichen Haushalte hatte sich seit Anfang der 90er Jahre nahezu vervierfacht. Lag die Verschuldung 1950 noch bei zehn Mrd. Euro, so stieg sie kontinuierlich auf 536 Mrd. Euro im Jahr 1990. Erstmals im Jahr 2010 überstieg sie die Zwei-Billionen-Euro-Grenze. Nachdem u.a. die Niedrigzinspolitik dafür gesorgt hat, dass sich die öffentlichen Haushalte in Deutschland nach der Finanzkrise konsolidieren konnten, führen die Krisenbewältigungsmaßnahmen wegen der Corona-Pandemie sowie erhöhte Verteidigungsausgaben zu hoher Neuverschuldung. Die darüber hinaus bestehende Notwendigkeit zur Sanierung bzw. zum Ausbau der Infrastruktur und der Bekämpfung der Klimakrise machen eine Neuregelung der Schuldenbremse erforderlich, damit die notwendigen Investitionen tatsächlich vorgenommen werden können.

Steuerrecht

Das deutsche Steuerrecht, insbesondere das Einkommensteuerrecht, ist noch immer zu kompliziert und unübersichtlich. Dies führt zu Steuerungerechtigkeiten, -hinterziehungen, -vermeidungen und zu unternehmerischen Gestaltungen zur Abwehr von Steuerpflichten. Der Grundgedanke des deutschen Steuersystems – die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – ist weiterhin nicht im notwendigen Maße gewährleistet. Die Umsetzung erster Maßnahmen zur Steuervereinfachung wäre ein erster Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit. Steuergerechtigkeit ist keine beliebige Forderung, sie ist vielmehr ein verfassungsrechtliches Gebot. Insofern sollte das deutsche Steuerrecht einer systematischen Überprüfung unterzogen werden. Eine Vielzahl von „Ausbesserungsgesetzen“ hat die Unübersichtlichkeit des deutschen Steuerrechts verschärft. Ein immer unübersichtlicheres Steuerrecht wirft große Probleme beim praktischen Vollzug der Steuergesetze auf und erschwert in hohem Maße die Ausbildung des Nachwuchses und stellt die elektronische Datenverarbeitung vor immer schwierigere Herausforderungen. Insofern wäre eine Steuervereinfachung nicht nur Bürgerinnen und Bürger entlasten, sondern auch die Finanzverwaltung.

In Bezug auf die Besteuerung von Kapitaleinkünften sieht der dbb beamtenbund und tarifunion eine Bevorzugung dieser Art von Einkünften. Mit der Einführung der sog. Abgeltungsteuer in 2009 werden die über den Sparerpauschbetrag hinausgehenden Einkünfte pauschal mit 25 Prozent besteuert, zuzüglich Solidaritätszuschlag und eventuell zuzüglich Kirchensteuer. Die Begründung der Einführung der Abgeltungsteuer überzeugt nicht, da der Steueranspruch mit Hilfe einer elektronischen Übermittlung der Jahressteuerbescheinigung systemgerecht hätte sichergestellt werden können. Die Bevorzugung einer Einkunftsart gegenüber den sechs anderen ist nach Meinung des dbb nicht mit den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu vereinbaren. Unverständlich bleibt auch, dass Einkünfte aus Arbeit in der Spitze mit 42 plus drei Prozent und Einkünfte aus Vermögen definitiv mit 25 Prozent besteuert werden.

Auch das Umsatzsteuerrecht ist weiterhin reformbedürftig, immer noch besteht die Möglichkeit des Umsatzsteuerbetruges, Schätzungen gehen von einem Schaden in der Größenordnung von 15 Milliarden Euro im Jahr aus. Zudem ist das System der unterschiedlichen Steuersätze intransparent und nicht mehr nachvollziehbar. Die mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz verfolgte soziale Lenkungswirkung sollte bei Bedarf eher über direkte Transfers ihre beabsichtigte Wirkung entfalten, da hierdurch das Umsatzsteuerrecht überfrachtet und dessen Handhabung erschwert wird. Finanzämter und Unternehmen könnten durch eine grundlegende Reform wesentlich entlastet werden, dies wäre zusätzlich ein wesentlicher Beitrag zum vielfach postulierten Bürokratieabbau. Die in Zukunft geplanten Änderungen im deutschen Steuerrecht, u. a. die Novellierung der Grundsteuer, und der vermehrte europäische bzw. weltweite Abgleich von Steuerdaten führen zu einem zusätzlichen Stellenbedarf. Schon jetzt arbeiten die Finanzbehörden an der Kapazitätsgrenze. Für die zukünftige Aufgabenbewältigung und zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung müssen die Finanzbehörden personell und finanziell besser ausgestattet werden.

Gerechtes Steuersystem, Europa und die Welt

Damit der Staat die gesellschaftlich notwendigen und politisch gewollten Aufgaben erfüllen kann, muss die Steuerbasis nachhaltig gestärkt werden. Zugleich muss das deutsche Steuersystem an den durch die Globalisierung ausgelösten rasanten Wandel in der Welt angepasst werden. Dies bedeutet nicht, dass sich Deutschland in einen fortwährenden Steuersenkungswettbewerb um die niedrigsten Steuersätze begeben darf. In Europa und weltweit ist vielmehr darauf zu drängen, dass nicht einzelne Staaten mit Steuerdumpingmaßnahmen einen Steuersenkungswettbewerb nach unten in Gang setzen.

Mit dem Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb wurde ein erster Schritt unternommen, den unfairen Steuerwettbewerb zu beenden. Ziel dieses Gesetzes ist es, Steuerhoheitsgebiete, die anerkannte Standards in den Bereichen Transparenz in Steuersachen, unfairen Steuerwettbewerb und bei der Umsetzung der verbindlichen BEPS-Mindeststandards nicht erfüllen, dazu anzuhalten, Anpassungen in Richtung einer Umsetzung und Beachtung internationaler Standards im Steuerbereich vorzunehmen. Allerdings muss sich noch erweisen, ob das Gesetz die gesteckten Erwartungen erfüllt. Es ist davon auszugehen, dass hier noch Verbesserungsbedarf besteht.

Darüber hinaus haben die G20-Finanzministerinnen und -minister eine Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung beschlossen. Zum einen hat sich die G20 auf einen Mechanismus verständigt, mit dem die Besteuerungsrechte der größten und profitabelsten Konzerne der Welt, insbesondere der digitalisierten Wirtschaft, neu verteilt werden. Zum zweiten sieht das sieht das Übereinkommen eine globale Mindestbesteuerung vor, die den schädlichen Steuerwettbewerb vermeiden soll. Künftig sollen Unternehmen einen globalen effektiven Steuersatz von mindestens 15 Prozent auf ihre Gewinne zahlen. Auch hier bleibt abzuwarten, wie die Wirkungen mittelfristig aussehen. Der dbb fordert in diesem Zusammenhang eine Evaluation und ggf. eine wirksame Nachsteuerung um die beabsichtigten Ziele zu erreichen.

Der dbb fordert:

Investitionen

  • zur Erhaltung und Verbesserung der Infrastruktur,
  • in den Klimaschutz,
  • zur Krisenbewältigung (beispielsweise Versorgungssicherheit mit Energie, äußere Sicherheit).

Dabei ist sicherzustellen, dass der öffentliche Dienst personell und mit Sachmitteln so ausgestattet wird, dass dieser seiner wichtigen Rolle bei der Erreichung der Ziele gerecht werden kann.

Nötig ist Transparenz über den notwendigen Finanzbedarf für diese nachhaltigen Aufgaben, wobei gegebenenfalls über eine Neujustierung der Schuldenbremse nachgedacht werden muss.

Steuerpolitisch

  • die Umsetzung des Grundprinzips der Steuergerechtigkeit. Diese muss Leitlinie aller steuerpolitischen Aktivitäten sein, wobei dies keine beliebige Forderung, sondern verfassungsrechtlich geboten ist,
  • das Thema Steuervereinfachung anzugehen, um Bürgerinnen und Bürger sowie die Finanzverwaltung zu entlasten (z. B. durch die Verstetigung der Homeoffice-Pauschale),
  • die Stärkung der Einnahmebasis des Staates (Bund, Länder und Kommunen), um die notwendigen staatlichen Aufgaben erfüllen zu können (z. B. durch die Überprüfung der Erbschaftsbesteuerung im Hinblick auf die großzügigen Verschonungsregelungen für Unternehmensübergänge im Vergleich zu privaten Erbschaften),
  • dass der Gesetzgeber die nötigen Schritte unternimmt, um Steuerdumping, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung zu verhindern, (z. B. durch eine Reform der Umsatzbesteuerung und eine Nachschärfung des Steueroasenabwehrgesetzes).

Dazu ist es unerlässlich, dass die Finanzbehörden personell und strukturell adäquat ausgestattet werden.

Begründung:

bei Bedarf mündlich

zurück

dbb Geschäftsbericht