Leitantrag Teilhabepolitik

Positionen des dbb in der Inklusions- und Teilhabepolitik

Ausgangssituation

Auch wenn die Interessen von Menschen mit Behinderung mittlerweile zum festen Bestandteil der politischen Agenda geworden sind, hat der Weg in eine inklusive Gesellschaft viele Facetten. Die Umsetzung einer zielgerichteten Inklusions- und Teilhabepolitik muss konsequent weitergeführt werden.

Besonderer Handlungsbedarf besteht im Bereich der Arbeitsmarktpolitik. Mit einer Integration von Menschen mit Teilhabebeeinträchtigung in den ersten Arbeitsmarkt ist es nicht getan; es muss stets der weitgehendere Ansatz der Inklusion gelten. Vorausschauendes und nicht nur reaktives politisches Handeln ist gefragt.

Öffentliche, insbesondere aber auch private Arbeitgeber müssen noch stärker motiviert werden, vermehrt Menschen mit Behinderung einzustellen, denn sie tragen mit ihren Fähigkeiten zum Unternehmenserfolg bei, wenn sie auf dem passenden Arbeitsplatz eingesetzt werden. Als Teil des Diversity-Managements in den Betrieben und Dienststellen sind die Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zudem ein Gewinn für die Wettbewerbsfähigkeit und die Unternehmenskultur.

Entsprechend ist eine deutliche Anhebung der Ausgleichsabgabe, besonders für Unternehmen, die gar keine Menschen mit Teilhabebeeinträchtigung beschäftigen, unverzüglich umzusetzen. Die derzeitige Praxis des „Sich-Freikaufen-Könnens“ muss wirksam bekämpft werden, denn viel Potenzial von gut qualifizierten Menschen mit Behinderung bleibt derzeit ungenutzt, weil viele Unternehmen immer noch den vermeintlich einfacheren Weg wählen können. Diese Tatsache ist auch vor dem Hintergrund des immer stärker zu Tage tretenden Fachkräftemangels inakzeptabel.

Die aus der angehobenen Ausgleichsabgabe möglicherweise zusätzlich vereinnahmten Mittel sind für die Förderung barrierefreier Arbeitsplätze zu verwenden. Denn auch das Thema Barrierefreiheit muss konsequenter mitgedacht werden. Nicht nur bei der Umsetzung von Mobilitätsangeboten und Bauprojekten, sondern auch im Bildungsbereich, bei der Implementierung digitaler Arbeitsplatzgestaltung sowie bei der sozialen und kulturellen Teilhabe. Von einem barrierefreien Arbeitsplatz in einer Behörde profitieren neben den Beschäftigten auch die Bürgerinnen und Bürger mit Behinderung.

Der digitale Wandel der Arbeitswelt ist nicht mehr aufzuhalten. Durch ihn eröffnen sich auch im öffentlichen Dienst neue Chancen auf Beschäftigung für Menschen mit Behinderung Digitale Technologien wie beispielsweise computergesteuerte Assistenz- und Tutorensysteme können Beschäftigungsfelder öffnen, die bislang verschlossen waren.

Will man die Digitalisierung der Arbeitswelt tatsächlich als Chance für eine stärkere Inklusion und Teilhabe am Arbeitsleben verstehen, müssen beeinträchtigungssensible Personalpolitik und Führung zwingend Anwendung finden. Hierbei müssen alle Chancen und Risiken durch die Veränderung der Arbeitswelt aufgrund von Digitalisierung berücksichtigt werden. Hierzu zählt insbesondere auch die Vermeidung sozialer Isolation, die etwa durch eine Verlagerung des Arbeitsplatzes ins Homeoffice entstehen kann.

Körperlich oder psychisch stark belastende Tätigkeiten erhöhen das Risiko, im Laufe des Arbeitslebens eine Behinderung zu erwerben. Hier ist die Sensibilisierung der Dienststelle in Fragen der Prävention, Arbeitssicherheit und psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz ein weiteres wichtiges Handlungsfeld. Arbeitsplätze müssen sich entwickeln, wenn Beschäftigte im Laufe des Berufslebens eine Behinderung erwerben.

Menschen mit Behinderung sind steuerlich besser zu stellen als bisher. Die nach Jahrzehnten angehobenen steuerlichen Pauschbeträge sind an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten zu koppeln, um eine erneute Entwertung im Zeitablauf von Beginn an zu verhindern.

Die mit dem Bundesteilhabegesetz erfolgte Stärkung der Rechte der Schwerbehindertenvertretungen ist weiterzuentwickeln und auch an die zunehmende Digitalisierung anzupassen. Neben der Kündigung ist die Unwirksamkeitsklausel im SGB IX auch auf andere Personalmaßnahmen, die ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung durchgeführt wurden, auszuweiten.

Eine Reform der versorgungsmedizinischen Grundsätze ist überfällig, auch um wissenschaftliche Erkenntnisse in der Medizin berücksichtigen zu können. Allerdings darf dies nicht dazu führen, dass aus dem Vollzug des Schwerbehindertenrechts eine Wissenschaft wird. Ein möglichst unbürokratisches Antragswesen mit einem angemessenen Verhältnis von Pauschalierungen zu Einzelfallentscheidungen sollte die Grundlage der anstehenden Novellierung darstellen. Dabei darf es jedoch keinesfalls zu Verschlechterungen für die Betroffenen kommen. Dies gilt im Besonderen für die Berechnung des Gesamt-Grades der Behinderung, bei der diesbezüglichen Berücksichtigung von Hilfsmitteln sowie den Regelungen zur Heilungsbewährung. Automatische Befristungen von Leistungsbescheiden werden der individuellen Situation der Betroffenen nicht gerecht und sollten auf Standardfälle begrenzt sein.

Kernforderungen des dbb in der Inklusions- und Teilhabepolitik:

  • Alle Bürgerinnen und Bürger müssen im Rahmen uneingeschränkter Gleichstellung befähigt werden, ihr Leben selbstbestimmt nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen führen zu können. Der öffentliche Dienst muss hier in allen Bereichen und auf allen Ebenen vorbildhaft vorangehen.
  • Nicht nur für eine langfristig erfolgreiche Arbeitsmarktintegration ist Barrierefreiheit zwingende Voraussetzung. Der unbeschränkte Zugang muss vielmehr sich auf alle Lebensbereiche erstrecken: Mobilität, Zugang zu Information sowie Schule und Bildung. Gesellschaftliche Teilhabe ist ein Grundrecht, das nicht „verbaut“ sein darf.
  • Will man die Digitalisierung der Arbeitswelt tatsächlich als Chance für eine stärkere Inklusion und Teilhabe am Arbeitsleben verstehen, müssen beeinträchtigungssensible Personalpolitik und Führung zwingend Anwendung finden: Bereits bei der Implementierung von digitalen Angeboten mussan die Barrierefreiheit gedacht werden, dabei müssen alle Chancen und Risiken durch die Veränderung der Arbeitswelt aufgrund von Digitalisierung berücksichtigt werden.

Darüber hinaus unterstützt der dbb das Vorhaben zur Einführung eines digitalen Teilhabeausweises. Dieser darf jedoch nur als zusätzliche Variante verstanden werden und die physische Variante des derzeitigen Schwerbehindertenausweises nicht vollständig ersetzen, da in digitaler Form eine vollumfängliche Barrierefreiheit nicht gewährleistet ist.

  • Die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretungen (SBV) sind weiter auszubauen. Vor Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist die SBV zu unterrichten und anzuhören sowie die daraufhin getroffene Entscheidung der SBV mitzuteilen. Die Unwirksamkeitsklausel im SGB IX ist auch auf andere Personalmaßnahmen, die ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung durchgeführt wurden, auszuweiten.
  • Um die Beschäftigungspflicht mit Leben zu füllen, ist die bisherige Ausgleichsabgabe zielgenauer auszugestalten und deutlich anzuheben, um Verstöße entsprechend wirksam sanktionieren zu können.
  • Die mit dem Behindertenpauschbetragsgesetz zuletzt deutlich angehobenen steuerlichen Pauschbeträge sind jährlich zu dynamisieren. Die Anpassung ist an die Inflationsrate zu koppeln.
  • Eine Aktualisierung der versorgungsmedizinischen Grundsätze ist überfällig, darf jedoch nicht zu Verschlechterungen für die Betroffenen führen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Regelung zur Ermittlung des Gesamt-GdB, der Heilungsbewährung sowie die Berücksichtigung von Hilfsmitteln.

Begründung:

bei Bedarf mündlich

 

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