Leitantrag Soziale Berufe

Positionen des dbb zu den Sozialen Berufen

Ausgangssituation

Unter dem Begriff „Soziale Berufe“ werden Tätigkeiten, die mit teils kurativen Dienstleistungen, Beratung, Erziehung, sozialer Hilfe und Kontrolle, Betreuung und Unterstützung und im weiteren Sinne mit allen Tätigkeiten im Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen, aber auch in der Arbeitsverwaltung und im Justizwesen betraut sind, zusammengefasst.

Die Sozialen Berufe zählen damit zum Kern des deutschen Sozialstaats. So vielfältig die Sozialen Berufe sind, haben doch alle Berufsgruppen als gemeinsamen Nenner den Dienst am Menschen und das Hinwirken auf gesellschaftliche Veränderungen. Auch die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen beeinflussen nahezu alle Beschäftigten der Sozialen Berufe. 

Herausforderungen:

Die Sozialen Berufe und die Qualität der in ihnen erbrachten Arbeit wird nicht nur von den Beschäftigten selbst bestimmt. Externe Herausforderungen, die nur gesetzgeberisch angegangen werden können, werden die Zukunft der Berufe am Menschen prägen. Fehlende Investitionen in Versorgungsinfrastruktur und Personal in Verbindung mit einer sich durch den demografischen Wandel verändernden Gesellschaft und damit verbunden einer Verschiebung der Versorgungs- und Betreuungsbedarfe stellen nur ein Beispiel für die zukünftigen Herausforderungen dar. Handlungsbedarf besteht auch im Bereich der Inklusion (UN-Behindertenkonvention), der Digitalisierung der Arbeitswelt, der Integration von Menschen mit Migrationsgeschichte sowie der Attraktivität der einzelnen Berufszweige, um dem Fachkräftemangel entgegen zu treten und für interessierte junge Menschen berufliche Perspektiven zu bieten.

Die Beschneidung der finanziellen Spielräume und die Reaktivierung der Schuldenbremse werden den Druck auf die personelle Ausstattung weiter verstärken. Es wird von bedeutender Wichtigkeit sein, dass die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen nicht zu Lasten der „sozialen Strukturen“ saniert werden. Denn es zeigt sich immer deutlicher, dass die Pandemie Spuren hinterlassen hat: Besonders Kinder und Jugendliche haben verstärkt mit psychischen Problemen zu kämpfen, häusliche Gewalt hat in Zeiten der Lock-downs nachweislich zugenommen und die Zukunftssorgen im Hinblick auf die eigene wirtschaftliche Situation belasten viele Menschen. Umso wichtiger sind zeitnahe Investitionen in eine flächendeckende soziale Infrastruktur und in gut qualifizierte Beschäftigte in den Sozialen Berufen.

Natürlich gehört zur Entscheidung für einen Sozialen Beruf auch ein altruistisches Menschenbild. Dennoch werden im Hinblick auf die künftige Personalausstattung und die Gewinnung von motivierten und gut ausgebildeten Fachkräften, die Arbeitsbedingungen eine wesentliche Rolle spielen. Gesetzliche Veränderungen und vergrößerte Aufgaben- und Verantwortungsbereiche bei gleichzeitig unveränderten Bedingungen an Fachhochschulen und Universitäten befeuern die Personalunterversorgung.

Deutschland entwickelt sich immer stärker zu einem Zuwanderungsland. Ein großer Teil der Menschen, die unser Land erreichen, strebt eine langfristige Bleibeperspektive an. Besonders in den Sozialen Berufen finden Menschen mit Migrationsgeschichte ideale Bedingungen, um ihre interkulturelle Kompetenz einzubringen. Um diese Potenziale auch tatsächlich zu heben und so einen Beitrag zur Verminderung des Fachkräftemangels zu leisten, darf sich eine entsprechende Qualifizierung nicht nur auf die Sprachkenntnisse beschränken. Vielmehr ist gerade in Sozialen Berufen das auf Ethik ausgelegte Handeln zu vermitteln.

Der digitale Wandel macht auch vor den Sozialen Berufen nicht halt. Der Bedeutungsgewinn elektronischer Medien wird Einfluss auf persönliche Beratung und Informationsvermittlung nehmen aber selbstverständlich auch die Arbeitsbedingungen selbst verändern. Insbesondere in den Sozialen Berufen ist der zwischenmenschliche Kontakt unabdingbar. Entsprechend ist darauf zu achten, dass die Digitalisierung der Arbeitswelt nicht in die ethischen Grundprinzipien des Miteinanders eingreift und Menschenrechte und Menschenwürde fortlaufend berücksichtigt werden.

Im Hinblick auf eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit muss dafür Sorge getragen werden, dass es nicht zu einer Entfremdung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und damit verbunden zu einer Abkoppelung von Arbeitsprozessen dieser von den neuen Technologien kommt. Insbesondere für ältere Beschäftigte müssen entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen vorgehalten werden.

Letztlich beeinflusst auch der stärkere Trend zu alternativen Lebensformen weg von der klassischen Ein-Verdiener-Familie hin zu neuen Lebensformen die Anforderungen an die Sozialen Berufe. Familie in der heutzutage verschieden gelebten Form ist ein zentrales gesellschaftliches Anliegen der Gegenwart. Das „Netzwerk Familie“ soll in seiner Unterschiedlichkeit je nach Bedarf unterstützt und gefördert werden.

Die Entstehung neuer Berufsbilder und Studiengänge stellt neue Anforderungen an die Qualifikation der Lehrenden und die Profession. Die Grundlage der Ausbildung bilden die jeweiligen Qualifikationsrahmen. Von Seiten der Gesetzgebung bedarf es der Schaffung von Voraussetzungen zum Erwerb notwendiger Qualifikationen, die über eine staatliche Anerkennung (exemplarisch seien Trainee Programme benannt) definiert werden.

Insgesamt ist zukünftig mit einem höheren Anteil von Beschäftigten mit nicht durchgängigen Erwerbsbiografien zu rechnen, welcher wiederum die Mitarbeiter in der Sozialen Arbeit, z.B. Jugendhilfe und Arbeitsvermittlung vor zusätzliche Herausforderungen stellt.

Arbeitsbedingungen und Bezahlung verbessern

Die Privatisierung sozialer Dienstleistungen, also ihr Betrieb außerhalb kommunaler und wohlfahrtsverbandlicher Strukturen, nimmt zu.

Die öffentliche Verwaltung als Arbeitgeber von sozialen Diensten der Daseinsvorsorge hat sich in der Vergangenheit aufgrund der ihr vorliegenden finanziellen Spielräume immer weiter zurückgezogen. Diese Entwicklung muss im Interesse der Beschäftigten und der betroffenen Menschen umgekehrt werden. 

Auch der mit zunehmenden Privatisierungen einhergehenden Tendenz zur Umwandlung von regulären in prekäre Beschäftigungsverhältnisse muss entgegengewirkt werden.

Unfreiwillige Teilzeitarbeit, Befristungen und Mini-Jobs müssen die Ausnahme bleiben. Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung sowie öffentlich geförderte Beschäftigung haben keinen Platz im Feld der Sozialen Arbeit. 

Eine angemessene Bezahlung der Mitarbeitenden der Sozialen Berufe ist zwingende Voraussetzung für die immer dringender werdenden Probleme bei der Nachwuchsgewinnung. Eine deutliche Verbesserung der Einkommenssituation der Beschäftigten führt neben einer Stärkung der Attraktivität der Sozialen Berufe auch zu mehr Arbeitszufriedenheit und damit auch zu einem längeren Verbleib in der Phase der Erwerbstätigkeit.

Individuelle Aufstiegsmöglichkeiten durch den Erwerb von Zusatzqualifikationen oder Aufbaustudiengängen steigern ebenso die Attraktivität und bieten eine langfristige Perspektive.

Flexible Arbeitszeiten und (wo möglich auch Arbeitsformen) erleichtern die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf und ermöglichen je nach individueller Situation eine frühere Arbeitswiederaufnahme nach Betreuungs- oder Erziehungszeiten. In bestimmten Bereichen der Sozialen Berufe mag die Einbindung mobilen Arbeitens möglich sein. Dies darf jedoch nicht zu einer Entgrenzung der Arbeit führen.

Entprofessionalisierung entschieden entgegenwirken

Föderalismusreform, Schuldenbremse und mögliche, künftige europäische Entwicklungen potenzieren sich gegenseitig und dürfen nicht weiter dazu führen, dass in den Ländern und Kommunen im sozialen Bereich entsprechend der Wirtschaftlichkeit und Kassenlage unterschiedliche Betreuungsdichten und Angebotsstrukturen entstehen. Dies würde in letzter Konsequenz zu unterschiedlichen Definitionen sozialer Standards führen und somit den deutschen Wohlfahrts- und Sozialstaat sowie die grundgesetzliche Forderung einheitlicher Lebensbedingungen ad absurdum führen. Schließungen kommunaler Einrichtungen der Jugendsozialarbeit sind längst keine Ausnahme mehr. Hier gilt es, Einhalt zu gebieten.  Der Gefahr, dass aufgrund immer engerer finanzieller Spielräume der Länder und Kommunen bestimmte Bereiche der Sozialen Arbeit aus Kostengründen ausgelagert werden, muss begegnet werden.

Hinsichtlich der eingangs beschriebenen künftigen Herausforderungen, mit denen sich die Sozialen Berufe konfrontiert sehen, muss der angemessenen Qualifizierung des Personals ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. Der Begriff „lebenslanges Lernen“ sollte auch tatsächlich Anwendung finden.

Vor dem Hintergrund vor allem in Sozialen Berufen häufig verkürzter Erwerbsbiografien und dem damit verbundenen Risiko individueller Versorgungslücken im Alter darf bei einer Qualifizierungs- und Weiterbildungsoffensive der Aspekt des Arbeits- und Gesundheitsschutzes nicht ausgeklammert werden, denn der Erhalt der Arbeitsfähigkeit bis zur Regelaltersgrenze hat hohe Priorität. Die Beschäftigten dürfen nicht mit ihren Problemen allein gelassen werden.

Erschöpfungszustände sind in allen Sozialen Berufen zu finden und hängen eng mit der Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen zusammen. Qualifizierung muss auch Resilienz und Stressbewältigung umfassen und ist in diesem Sinne auch präventiv zu verstehen.

Attraktivität der Sozialen Berufe und Bild in der Öffentlichkeit stärken

Nicht nur die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten vor Ort leidet unter der mangelnden Anerkennung. Vielmehr sind deutlich negative Auswirkungen auf die Nachwuchsgewinnung die Folge. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des damit einhergehenden zukünftig stark steigenden Personalbedarfs in sämtlichen kurativen Berufen müssen die Attraktivität der sozialen Berufe und deren Bild in der Öffentlichkeit dringend verbessert werden.

Eine landesweite Imagekampagne in Verbindung mit Aufklärungsarbeit, einer Vorstellung der Berufsbilder und dem Aufzeigen von Karrieremöglichkeiten direkt an den Fachhochschulen und Universitäten wäre ein gangbarer Weg, die Sozialen Berufe bekannt zu machen und Nachwuchskräfte zu gewinnen.

Kernforderungen des dbb für Soziale Berufe:

  • Der Entprofessionalisierung in den Sozialen Berufen muss entschieden entgegentreten werden: die Qualität der Sozialen Arbeit darf nicht von der Kassenlage der Länder und Kommunen abhängen. Auslagerungen einzelner Bereiche, um Kosten zu sparen, werden strikt abgelehnt.
  • Die Attraktivität der Sozialen Berufe und das Bild in der Öffentlichkeit ist zu stärken. Dies schließt zwingend eine angemessene Bezahlung der Mitarbeitenden ein.
  • Unfreiwillige Teilzeitarbeit, Befristungen und Mini-Jobs müssen die Ausnahme bleiben. Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung haben keinen Platz im Feld der Sozialen Arbeit.
  • Der Bedeutungsgewinn elektronischer Medien wird auch Einfluss auf die Sozialen Berufe nehmen. Mit entsprechenden Qualifizierungsangeboten ist dafür Sorge zu tragen, dass gerade die älteren Beschäftigten den „digitalen Anschluss“ nicht verpassen und ihr Fachwissen nicht verloren geht.
  • Die Personalausstattung muss an die gestiegenen Aufgaben- und Verantwortungsbereiche angepasst werden.
  • Angebote im Bereich Gesundheitsmanagement für den sozialen Bereich sollten stärker gefördert werden.

Begründung:

bei Bedarf mündlich

 

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