Leitantrag Fort- und Weiterbildung im öffentlichen Dienst

Unsere Gesellschaft und Arbeitswelt befinden sich in einem stetigen Prozess des Wandels. Strukturelle Veränderungen wie die digitale Transformation und damit einhergehende, immer kürzere Innovationszyklen sowie die sozial-ökologische Transformation stellen große Chancen, aber auch große Herausforderungen dar.

Studienübergreifend wird prognostiziert, dass innerhalb der nächsten 20 Jahre mehrere Millionen neue Jobs entstehen und gleichzeitig ein Wegfall von Arbeitsplätzen in ähnlicher Größenordnung zu erwarten ist. Darüber hinaus wirkt sich der demografische Wandel auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes und den Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter aus.

Diese strukturellen Entwicklungen führen zu sich wandelnden Aufgabenfeldern und Anforderungsprofilen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen und um Fachkräfte sowie die Beschäftigung zu sichern, werden der Fort- und Weiterbildung eine zentrale Rolle zuteil.

Neben dem gesamtgesellschaftlichen Mehrwert der Fort- und Weiterbildung trägt diese auch unmittelbar zur Persönlichkeitsbildung des Individuums bei, stärkt die Beschäftigungsfähigkeit, schützt vor strukturwandelbedingter Arbeitslosigkeit und steigert die Karrieremöglichkeiten sowie Berufszufriedenheit.

Der öffentliche Dienst ist von den dargestellten Entwicklungen in zweierlei Hinsicht betroffen: Zum einen obliegt ihm die Aufgabe, gleiche Lebens-, Rechts- und Wirtschaftsbedingungen und damit die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Strukturwandel erst ermöglichen. Zum anderen ist er, bedingt durch den Strukturwandel, stets mit neuen und komplexeren Aufgabenfeldern betraut, für die gut geschultes Personal unabdingbar ist.

Daraus resultiert das unbedingte Erfordernis, die Mitarbeitenden des öffentlichen Dienstes umfangreich fort- und weiterzubilden, um nicht nur die öffentliche Verwaltung auf den Wandel der Arbeitswelt vorzubereiten, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes.

Die Politik trägt der Bedeutung der Weiterbildung für die Gesellschaft seit geraumer Zeit Rechnung und will anhand zahlreicher Maßnahmen Deutschland zur „Weiterbildungsrepublik“ wandeln. Dieses Vorhaben ist zu begrüßen, jedoch fordert der dbb beamtenbund und tarifunion ein besonderes Augenmerk auf den öffentlichen Dienst, da dieser durch spezifische rechtliche, organisatorische und personalwirtschaftliche Merkmale gekennzeichnet ist.

In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass die Fort- und Weiterbildung im öffentlichen Dienst nur mit einer wirksamen Offensive gegen den eklatanten Fachkräftemangel gelingen kann. Das altersbedingte Ausscheiden von nahezu der Hälfte der Bediensteten innerhalb der nächsten 20 Jahre führt zu einem immensen Handlungsdruck. Nur wenn ausreichende personelle und zeitliche Ressourcen zu Verfügung stehen, kann Weiterbildung sinnvoll und nachhaltig als selbstverständlicher Bestandteil der Tätigkeit realisiert werden.

Ein auf Dauer angelegter Strategieprozess zwischen Bund, Ländern, Kommunen und den gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen ist notwendig, um diese gesamtgesellschaftliche Herausforderung zu bewältigen. Dabei gilt es, die Bedingungen der Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten sowie die Grundlagen der Personalentwicklungsmaßnamen an die Herausforderungen unserer Zeit anzupassen. Politische Entscheidungen sind dabei nur unter der Beteiligung der Gewerkschaftlichen Spitzenverbände zu treffen. Der dbb beamtenbund und tarifunion bekundet vor diesem Hintergrund seine Bereitschaft, sich mit seiner Expertise in den Diskurs einzubringen.

Die dbb Forderungen im Einzelnen:

Das vorliegende Papier versteht unter Fortbildung eine Bildungsmaßnahme, die auf eine konkrete Anforderung im Kontext der bestehenden beruflichen Tätigkeit abzielt. Unter Weiterbildung wird der Erwerb zusätzlicher Qualifikationen verstanden, die die Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit oder eines anderen Tätigkeitsbereichs ermöglichen.

Ausreichende zeitliche und personelle Kapazitäten sicherstellen, um Fort- und Weiterbildung zu ermöglichen

Die Fort- und Weiterbildung muss als Bestandteil der Tätigkeit verstanden werden. Daher hat der Dienstherr Sorge dafür zu tragen, dass die Mitarbeitenden die Möglichkeit haben, sich während ihrer Arbeitszeit weiterzuentwickeln. Der aktuelle Fachkräftemangel erlaubt es vielerorts nicht, dass sich das Personal fort- und weiterbilden kann, da bereits für die Bewältigung der Aufgaben nicht ausreichend Personal zu Verfügung steht. 

  • Nur eine bereichsübergreifende Personaloffensive im öffentlichen Dienst ermöglicht, dass das Bestandspersonal über ausreichend Kapazitäten für dessen Fort- und Weiterbildung verfügt. Diese Personaloffensive gilt es mit Nachdruck zu verfolgen.

Leadership in Zeiten des Wandels stärken

Der Wandel der Arbeitswelt führt nicht nur zu anderen Aufgabenbereichen und Kompetenzanforderungen, sondern auch zu Änderungen der Verantwortungsbereiche. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht immer diverserer (multiprofessioneller) Teams wird der Leitung eine wichtige Rolle zuteil. Zum einen gilt es, in Abhängigkeit von der Organisation, ausreichend Leitungszeit zu Verfügung zu stellen, um die Lernprozesse der Mitarbeitenden in angemessener Weise zu koordinieren. Zum anderen bedarf es ausreichender Weiterbildungsangebote um Führungskräfte fort- und weiterzubilden und somit den neuen Anforderungen gerecht werden zu können.

  • Entsprechende Ressourcen müssen in den jeweiligen Organisationen geschaffen werden, um den Prozess der Fort- und Weiterbildung fortwährend und nachhaltig koordinieren zu können.
  • In Abhängigkeit von der Organisation bedarf es einer Entlastung der Leitung oder der engen Kooperation mit der Personalabteilung bis hin zu Entscheidungskompetenzen für das Personal auf der Ämter- oder Abteilungsleitungsebene.

Institutionalisierte Bedarfserfassung

Um bereichsübergreifend ein angemessenes Fort- und Weiterbildungsangebot zu ermöglichen, bedarf es der fortlaufenden Bedarfsanalyse. Diese Analyse muss zum einen die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden sowie zum anderen die Organisation als Ganzes und die strukturellen Veränderungen verschiedener Aufgabenbereiche erfassen. Regelmäßige datenbasierte Erhebungen müssen durchgeführt werden und in einen Organisationsentwicklungsplan einfließen, der die Ziele, Aufgaben und Strukturen der jeweiligen Organisation ganzheitlich betrachtet.

  • Aufgabenbereiche mit hohem Automatisierungs- und Digitalisierungspotenzial müssen frühzeitig erkannt werden und die Mitarbeitenden durch umfangreiche Weiterbildungsmaßnahmen für andere Tätigkeitfelder vorbereitet werden. Freiwerdende personelle Ressourcen können somit sinnvoll mit neuen Aufgabenbereichen betraut werden.
  • Lern-Portfolios und Module müssen auf die individuellen Bedarfe zurechtgeschnitten sein und ganzheitliche sowie nachhaltige Bildungsprozesse ermöglichen.

Verfügbarkeit der Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen

Basierend auf der eingangs geschilderten Begriffserklärung müssen die verschiedenen Ausmaße und Erfordernisse der jeweiligen Maßnahme in Betracht gezogen werden. In der Regel erfordern Weiterbildungsmaßnahmen einen deutlich höheren finanziellen und zeitlichen Mehraufwand.

  • Fortbildungsmaßnahmen müssen allen offenstehen, um die notwendigen beruflichen Kompetenzen zu erhalten.
  • Angesichts des finanziellen und zeitlichen Mehraufwands von Weiterbildungen ist von einem „Gießkannenprinzip“ abzusehen. Interessierten und motivierten Mitarbeitenden muss jedoch die Möglichkeit zur Weiterbildung gegeben werden, um einen tatsächlichen Mehrwert für sie und die Organisation sicherstellen zu können.
  • Weiterbildungsmaßnahmen dürfen Fortbildungsmaßnahmen nicht ausschließen.

Qualität der Fort- und Weiterbildungsangebote sicherstellen

In Anbetracht immer kürzerer Innovationzyklen und der steigenden Komplexität der Aufgaben bedarf es der kontinuierlichen und unabhängigen Qualitätskontrolle von Fort- und Weiterbildungsangeboten.

  • Verbindliche Standards zur Qualitätssicherung der Angebote sind erforderlich, um deren Aktualität zu gewährleisten.
  • Eine angemessene personelle Ausstattung der staatlichen Bildungseinrichtungen ist sicherzustellen, um dem erhöhten Fort- und Weiterbildungsbedarf Rechnung zu tragen.
  • Privat und gewerkschaftlich durchgeführte Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen müssen, wenn sie berufsfördernd sind und entsprechend zertifiziert sind, anerkannt werden.
  • Bestehende Kooperationen mit den Hochschulen bieten hohe Potenziale und müssen ausgebaut werden.
  • Die Bereitstellung digitaler Angebote muss kontinuierlich ausgeweitet werden, um niederschwelliges Lernen zu ermöglichen und flexibel auf die individuellen Lebens- und Arbeitsrealitäten der Mitarbeitenden eingehen zu können.
  • Wenngleich digitale Angebote ein Mehr an Flexibilität bieten, bedarf es auch ausreichender Präsenzangebote in den jeweiligen Einrichtungen sowie Blended-Learning Formate, die digitale und analoge Komponenten vereinen, um den größtmöglichen Nutzen ziehen zu können.

Angemessene Budgets zur Fort- und Weiterbildung sicherstellen

Bereits heute investiert der Privatsektor mehr als doppelt so viel in die Fort- und Weiterbildung seiner Angestellten, mit steigender Tendenz. Bestehende Wettbewerbsnachteile werden somit verstärkt. Nur mit ausreichenden finanziellen Ressourcen kann die geforderte Qualität und Aktualität der Angebote gewährleistet werden.

Anreizsystem für Bildungswege

Wenngleich die Fort- und Weiterbildung zur Persönlichkeitsentwicklung des Individuums beiträgt, bedarf es eines Anreizsystems und einer angemessenen Besoldung für die Fortschritte im persönlichen Bildungsweg. Die klare Definition der Bildungswege und Entwicklungspotenziale schaffen Transparenz und tragen zur Motivation bei. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass Karrieren und Höhergruppierungen nicht nur durch die Übernahme von Leitungstätigkeiten möglich sind, sondern auch durch die Übertragung hochspezialisierter Aufgaben.

Wissenstransfer ermöglichen und Potenziale erfahrener Beschäftigten nutzen

Der demografische Wandel und das altersbedingte Ausscheiden der Bediensteten haben massive Auswirkungen auf den öffentlichen Dienst. Zum einen wird der bereits bestehende Fachkräftemangel drastisch verstärkt. Zum anderen geht dabei ein hohes Maß an Expertise verloren. Das Wissen und die Erfahrung dieser Bediensteten bieten jedoch ein großes Potenzial, welches für die Fort- und Weiterbildung jüngerer Kolleginnen und Kollegen genutzt werden muss.

  • Es bedarf eines angemessenen Rahmens, um den institutionalisierten Wissenstransfer zwischen den Beschäftigten zu begünstigen.

Umfangreiche Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Quer- und Seiteneinsteiger

Einerseits zeugen die Quer- und Seiteneinsteiger von der Flexibilität des Arbeitsmarkts, andererseits von dem eklatanten Fachkräftemangel. Abhängig von ihrem Profil und Einsatzbereich stellen sie eine große Bereicherung dar, müssen jedoch insbesondere im Erziehungs- und Schulbereich umfangreich weitergebildet werden, um die Qualität der Betreuung und Lehre nicht zu beeinträchtigen und das Fachkräftegebot nicht zu unterlaufen.

Begründung:

bei Bedarf mündlich

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