Leitantrag Arbeitsmarktpolitik und Fachkräftesicherung

Positionen des dbb in der Arbeitsmarktpolitik und Fachkräftesicherung

Ausgangssituation

Oberstes Ziel einer aktiven und aktivierenden Arbeitsmarktpolitik muss die Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen sein. Geringfügige Beschäftigung ist auf ein Minimum zu reduzieren. Sie verfestigt Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse, führt eher zu einer Entfernung vom Arbeitsmarkt und kann keine auskömmlichen Alterseinkommen sichern. Insbesondere Frauen sind von dieser Thematik betroffen.

Arbeitsmarktpolitik muss aus Sicht des dbb aber auch weitergedacht werden als die reine Vermittlung in Arbeit. Neben dem Grundsatz des Förderns und Forderns im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie den Lohnersatzleistungen in Form von Arbeitslosengeld I, setzt Arbeitsmarktpolitik bereits in einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für den deutschen Arbeitsmarkt an, um dem immer stärker um sich greifenden Fachkräftemangel entgegen treten zu können.

In diesem Zusammenhang unterstützt der dbb die Abkehr vom Vermittlungsvorrang verbunden mit einer stärkeren Fokussierung auf Weiterbildung und Zusatzqualifizierungen von Arbeitsuchenden und Beziehenden von Arbeitslosengeld I. Insbesondere der Ausbau des Projektes „Agentur für Qualifizierung“ ist breit aufzustellen und mit ausreichendem Personal zu unterlegen, denn der Fachkräftemangel in Deutschland umfasst längst nicht mehr nur die so genannten MINT-Berufe. Egal ob Lehrende und Erziehende, ob Beschäftigte im Bereich der öffentlichen Sicherheit oder in den Gesundheitsberufen: die Liste der Bereiche mit Personalmangel ließe sich beliebig fortführen. Die Konkurrenz um qualifizierte Fachkräfte und Nachwuchs zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst war nie so angespannt wie derzeit.

Umso wichtiger ist es, die Weichen für einen zukunftsfähigen, personell gut ausgestatteten öffentlichen Dienst zu stellen. Denn unabhängig ob Finanzkrise, Migrationsbewegungen, Pandemie oder Krieg: die Herausforderungen sind vielfältig und machen die Notwendigkeit einer reibungslos funktionierenden staatlichen Infrastruktur mehr als deutlich.

Arbeitsmarktpolitik kann vor allem dann ihre aktivierende Wirkung entfalten, wenn die Angebote auf dem Arbeitsmarkt, hier speziell im öffentlichen Dienst, attraktiv ausgestaltet sind.

Zentrale Elemente zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen sind neben der Bezahlung auch die Arbeitszeiten, die Reduzierung von Wechselschichten und eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Beruf und ggf. Pflege eines Angehörigen.

Auch die Möglichkeit des beruflichen Fortkommens, ein modernes Laufbahnrecht sowie gezielte Aufstiegsmöglichkeiten durch den Erwerb von Zusatzqualifikationen sollten zu sichtbaren Aushängeschildern des öffentlichen Dienstes werden. So werden Berufseinsteigenden bereits Perspektiven aufgezeigt.

Nach wie vor gibt es auf dem deutschen Arbeitsmarkt große ungenutzte Potenziale, die so genannte „Stille Reserve“. Sie speist sich überwiegend aus Frauen, die entweder gar nicht im Berufsleben stehen oder in Teilzeit beschäftigt sind. Auch Menschen mit Behinderung sind vielfach gut qualifiziert, eine Beschäftigung scheitert jedoch häufig am Unwillen der Arbeitgebenden, die Arbeitsplätze entsprechend auszugestalten. Auch älteren Menschen ist ein längerer Verbleib im Berufsleben zu ermöglichen. Neben Fortbildungen ist hier der präventive Charakter eines effektiv ausgestalteten Arbeits- und Gesundheitsschutzes hervorzuheben. So lassen sich vorzeitige Renten- und Ruhestandseintritte verhindern oder zumindest hinauszögern.

Auch die Integration von Langzeitarbeitslosen und Menschen mit Vermittlungshemmnissen kann durch gezieltes Coaching auf kommunaler Ebene angegangen werden.

Darüber hinaus muss die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte erleichtert werden. Hierzu ist das Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufs- und Hochschulabschlüsse zu vereinfachen und zu entbürokratisieren. Das Angebot von vorgelagerten Deutschkursen in Drittstaaten ist auszubauen, um die spätere Arbeitsmarktintegration zu erleichtern.

Der dbb steht nach wie vor zum Grundsatz des Förderns und Forderns und lehnt die vollständige Abschaffung von Sanktionsmöglichkeiten bei Verletzung der Mitwirkungspflichten ab. Eine Beratung und Vermittlung auf Augenhöhe kann nur dann erfolgen, wenn die Kooperation der zu Vermittelnden sichergestellt werden kann. Hierzu bedarf es von Fall zu Fall auch Sanktionen. Eine Preisgabe entsprechender Möglichkeiten ist aus Sicht des dbb kontraproduktiv. Dies schließt eine Prüfung der Sanktionsinstrumente, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, nicht aus.

Kernforderungen des dbb in der Arbeitsmarktpolitik:

  • Rückkehr ins Berufsleben bzw. Rückkehr aus Teil- in Vollzeit ist zu unterstützen. Hierzu ist eine Verbesserung der Rahmenbedingungen zwingend erforderlich. Hierzu zählen neben einer besseren Bezahlung auch Arbeitszeiten, die beispielsweise die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und ggf. Pflege ermöglichen. So kann gezielt die so genannte „Stille Reserve“ gehoben werden.
  • Geringfügige Beschäftigung ist auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren. Die Notwendigkeit, aufstockende Leistungen zu beziehen, kann so effektiv reduziert werden. Scheinselbstständigkeit ist konsequent zu bekämpfen. All dies sichert den Betroffenen nicht nur einen angemessenen Lebensstandard, sondern verhindert in vielen Fällen auch drohende Altersarmut.
  • Lebenslanges Lernen sichert Arbeitsplätze und gewährleistet hohe Qualifikationsniveaus bis zur Rente bzw. zum Ruhestand. Im Bildungsbereich muss dafür gesorgt werden, dass Schülerinnen und Schüler sowie Studierende, die durch Corona bedingten Unterrichtsausfall oder Wechselunterricht benachteiligt sein könnten, den Anschluss nicht verlieren und durch gezielte Qualifizierungsangebote fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden.
  • Durch konsequente Verbesserungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz können präventiv frühzeitige Renten- bzw. Ruhestandseintritte vermieden werden.
  • Die Zuwanderung gut qualifizierter Fachkräfte ist weiter zu fördern. Hierzu sind die Anerkennung von Berufsabschlüssen zu erleichtern sowie erste Sprachkenntnisse bereits im Heimatland zu vermitteln. Entsprechende Projekte sind zu fördern und zu evaluieren.
  • Der dbb steht nach wie vor zum bewährten Grundsatz des Förderns und Forderns. Auch wenn eine Abkehr vom Vermittlungsvorrang und ein stärkeres Gewicht auf individueller Qualifizierung richtig ist, müssen die Beschäftigten in den Arbeitsagenturen und Jobcentern gegenüber Menschen, die sich dem Arbeitsmarkt konsequent verweigern und auf staatliche Hilfe angewiesen sind, Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Bei der vorgesehenen Neugestaltung dieser ist selbstverständlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum menschenwürdigen Existenzminimum zu beachten.
  • Die Vorteile einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst und besonders in den Mangelberufen sind besser zu kommunizieren. Hier kann direkt in den (Berufs-) Schulen und Universitäten angesetzt werden, um junge Menschen von einer Beschäftigung in den entsprechenden Bereichen zu überzeugen.

Begründung:

bei Bedarf mündlich

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