• Eine Frau steht an einem Rednerpult
    Bildergalerie
    Milanie Kreutz, Stellvertretende Bundesvorsitzende dbb und Vorsitzende der dbb Grundsatzkommission für Mitbestimmung, hält das Grußwort
  • Eine Frau steht an einem Rednerpult
    Kreutz: "Änderungen im Bundespersonalvertretungsgesetz sind zwingend erforderlich“, machte Kreutz deutlich.
  • Ein Mann steht hinter einem Rednerpult und spricht zum Publikum
    Wird KI im Personalrat über- oder unterschätzt? Prof. Dr. Peter Wedde hat die Antwort.
  • Das Bild zeigt ein gemischtes Publikum, das lacht
    Großes Interesse am Thema: Volles Haus im dbb forum berlin
  • Ein Mann spricht hinter einem Rednerpult
    „Vergessen Sie nicht den Teil der Belegschaft, der nicht digital veranlagt ist“, mahnt Dr. Andreas Gronimus
  • Eine Frau steht hinter einem Rednerpult
    Workshop 1: "Fünf Jahre Videoschalte – was will man mehr!?" mit Livia Kosch
  • Eine Frau hält einen Vortrag auf einer Bühne
    Workshop 2: "Dienstvereinbarungen KI – Zähmung einer widerspenstigen Technologie" mit Kerstin Solaße
  • Blick auf ein Publikum in einem Saal durch eine Glasscheibe
    Transparenz mitgedacht: Blick von außen in das gefüllte dbb forum berlin
  • Eine Frau hält einen Vortrag an einem Rednerpult
    Workshop 3: "Ein Kinderspiel? Personalratstätigkeit in Teilzeit und im Homeoffice" mit Dr. Joey-David Ovey
  • Eine Frau hält einen Vortrag an einem Rednerpult
    Rechtsanwältin Nicole Knorz spricht über Chancen und Risiken des Stufen- bzw. Gerichtsverfahrens im Personalvertretungsrecht
  • Ein Mann hält einen Vortrag an einem Rednerpult
    Prof. Dr. Thomas Rigotti: „Stress entsteht, wenn Ziele nicht erreicht werden können. Arbeit sollte daher so gestaltet sein, dass Ziele erreichbar bleiben.“
  • Eine Frau hält einen Vortrag auf einer Bühne
    Rechtsanwältin Friederike Becker-Lerchner diskutiert, ob das umweltpolitische Mandat des Personalrats Wunsch oder Realität ist.
  • Ein Mann hält einen Vortrag an einem Rednerpult
    Stefan A. Kascherus empfiehlt: Mögliche Konflikte in einem ersten Schritt möglichst offen innerhalb der Personalvertretung zu diskutieren.

dbb forum Personalvertretungsrecht

Kreutz: Bundesregierung muss Mitbestimmung weiterentwickeln

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD taucht das Personalvertretungsrecht nicht auf. Dabei warten auf die neue Regierung drängende Herausforderungen, so dbb-Vize Milanie Kreutz.

Mitbestimmung

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD taucht das Personalvertretungsrecht nicht auf. Dabei warten auf die neue Regierung drängende Herausforderungen, sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende des dbb dbb Milanie Kreutz in ihrem Impuls zur Eröffnung des 15.dbb forum Personalvertretungsrecht. „Änderungen im Bundespersonalvertretungsgesetz sind zwingend erforderlich“, machte Kreutz deutlich. „Das Gesetz sieht keine echte personalvertretungsrechtliche Beteiligung bei ressortübergreifenden Maßnahmen und bei Maßnahmen von gebündelten Serviceeinheiten vor. Das kann so nicht weitergehen. Viele Länder sind hier beispielsweise längst weiter als der Bund. Bei einem Auseinanderfallen von entscheidungsbefugtem Dienststellenleiter und zuständiger Personalvertretung muss die Frage der Beteiligung zwingend gelöst werden. Aus unserer Sicht sind in solchen Fällen die Interessen der betroffenen Beschäftigten am wirkungsvollsten durch die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften zu vertreten.“

Kreutz betonte die grundsätzliche Bedeutung der Mitbestimmung. „Der öffentliche Dienst kann und muss hier Vorreiter sein für eine moderne, vielfältige, agile und digitale Arbeitswelt. Personalvertretungen sind dabei ein entscheidender Baustein. Sie tragen dazu bei, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und das Wohlbefinden aller Beschäftigten zu gewährleisten. Die Kolleginnen und Kollegen, die sich dafür ehrenamtlich einsetzen, verdienen unseren Respekt, denn ihre Arbeit erfordert Zeit und Kraft, Ausdauer und Verlässlichkeit – und manchmal kostet sie auch Nerven. Deshalb danke ich ihnen im Namen der gesamten dbb Bundesleitung für ihre Kreativität, ihre Umsicht, ihr Herzblut und ihr Einfühlungsvermögen.“

Wedde: Risiken und Nebenwirkungen von KI

Prof. Dr. Peter Wedde, Experte für Arbeitsrecht und Datenschutz an der Frankfurt University of Applied Sciences, skizzierte in einem kurzweiligen Exkurs die technische Entwicklung im IT-Bereich der vergangenen 40 Jahre vom ersten PC über E-Mail und  Internet bis hin zur Künstlichen Intelligenz. Wedde gab zu, KI im Jahr 2022 noch „für eine Spielerei“ gehalten zu haben. Heute sei er überzeugt, dass die Technologie „unser Arbeitsleben grundlegend verändern wird“. Dabei fielen fast alle KI-Systeme, die heute zum Einsatz kommen, unter den Bereich der „schwachen KI“, die besonders in Bereichen wie Sprache, Diagnostik und Logistik glänze. Dennoch könne deren Potenzial „zur Büchse der Pandora in Sachen Kontrolle“ werden. Für Wedde ein Grund mehr für Personalräte, Schritt zu halten und sich mit der Technologie zu befassen. Das gelte insbesondere, wenn auch die Arbeitgeberseite KI verwende.

Zwar seien viele Einsatzbereiche, in denen KI heute bereits in der Privatwirtschaft zur Anwendung komme, für den öffentlichen Dienst ausgeschlossen. Wo ihr Einsatz jedoch möglich sei, ergäben sich wie bei jeder neuen Technologie Chancen, Risiken und Nebenwirkungen. So könne KI Arbeitnehmer einerseits von Standardaufgaben entlasten, bei Recherchen unterstützen und helfen, besser verständliche Texte zu formulieren. Anderseits berge sie Gefahren aufgrund mangelnder Transparenz und ihrer Möglichkeit zur Leistungssteuerung. In der Personalratsarbeit könne KI zum Beispiel Korrespondenz verbessern, interne Abläufe optimieren und die Chancengleichheit gegenüber der Dienststellenleitung erhöhen. Sie schaffe aber auch neuen Regelungsbedarf, der Fachwissen erfordere. Ferner müssten Personalräte frühzeitig und umfassend über geplante KI-Anwendungen informiert werden, um ihre Beteiligungsrechte effektiv wahrnehmen zu können. Dies betrifft insbesondere Systeme, die Einfluss auf Personalentscheidungen oder die Überwachung von Beschäftigten haben. „Bildung wird plötzlich wieder sehr wichtig“, sagte Wedde und ermunterte die Tagungsteilnehmer, Fortbildungen zur KI einzufordern und zu nutzen, um selbst mitgestalten zu können. Panik sei hingegen fehl am Platze, „denn am Ende ist KI auch nur Software; sie denkt nicht logisch, sie rechnet nur schnell.“

Gronimus: Auch Online gelten Recht und Billigkeit

Rechtsanwalt Dr. Andreas Gronimus gab einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen der Kommunikation zwischen Personalvertretungen und Beschäftigten. Dabei verwies er auf zwei zentrale Herausforderungen: die Verschwiegenheitspflicht und den Datenschutz. Gerade bei breit gestreuten Kommunikationsformaten wie Flugblättern oder Chats müsse darauf geachtet werden, dass nur Informationen weitergegeben werden, die die Zielgruppe auch tatsächlich erfahren darf. Beim Datenschutz gilt: Zwar muss der Personalrat die Vorschriften einhalten, verantwortlich bleibt jedoch die Dienststelle. Diese Konstellation birgt bei Verstößen ein erhebliches Haftungsrisiko für beide Seiten.

Viele Regelungen im Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) stammen noch aus der Prä-Internet-Zeit und wurden erst in jüngerer Vergangenheit angepasst. Gronimus zeichnete die Entwicklung der Kommunikationsformen nach: Traditionell standen Anschläge und Bekanntmachungen im Vordergrund. Trotz modernerer Methoden riet er, diese nicht zu vernachlässigen: „Vergessen Sie nicht den Teil der Belegschaft, der nicht digital veranlagt ist“, so der Jurist. Mit dem Einzug digitaler Medien wie PDF-Mitteilungen, E-Mail-Newslettern und Intranet-Bekanntmachungen wurde die Reichweite deutlich erhöht. Allerdings müssen diese Angebote heute mit einer Flut anderer Informationen konkurrieren. Entscheidend sei eine kompakte Darstellung, denn Leserinnen und Leser entscheiden innerhalb von drei Sekunden anhand der Überschrift, ob sie weiterlesen, und innerhalb von fünf bis zehn Sekunden anhand des Teasers, ob sie sich dem gesamten Artikel widmen. Um Aufmerksamkeit zu gewinnen, helfen regelmäßige Veröffentlichungen; doch warnte Gronimus: „Fragen Sie sich, ob Sie überhaupt liefern können, bevor Sie ein Fass aufmachen.“

Noch kaum geregelt ist der Einsatz von Messenger-Diensten. Voraussetzung für deren Nutzung sei die ausdrückliche Zulassung durch die Dienststelle. Dennoch bleibe das Risiko bestehen, dass interne Informationen nach außen dringen oder Unbefugte Zugriff erhalten, wie zuletzt im Fall einer Chatgruppe des US-Verteidigungsministeriums. Auch der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in der Kommunikation ist rechtlich bisher nicht abschließend geklärt. Gronimus mahnte: „Das Problem mit KI ist, dass Sie nicht wissen, wo Sie denken lassen.“ KI-generierte Texte könnten als sprachliche Gerüste dienen, müssten inhaltlich aber genau geprüft werden. Neben möglichen inhaltlichen Fehlern bestehe auch das Risiko, unbewusst urheberrechtlich geschütztes Material zu verwenden.

Schließlich wies Gronimus auf Herausforderungen bei der passiven Kommunikation hin, also bei Kanälen, über die Beschäftigte den Personalrat kontaktieren. Verschwiegenheit und ein sorgfältiger Umgang mit Kontaktdaten seien bei E-Mail oder Post essenziell. Sprechstunden via Video- oder Telefonkonferenz ersetzen derzeit keine Rechtsgrundlage für mobiles Arbeiten. In sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram müsse auch ohne aktive Moderation „Recht und Billigkeit“ gewahrt bleiben, wobei jede Moderation zusätzlichen Zeit- und Datenschutzaufwand bedeutet.

Workshops: Keine Angst vor Fehlern

Drei parallel ablaufende Workshops beschäftigten sich mit aktuellen Problemen aus der Personalratspraxis, die sich aus der digitalen Transformation des Arbeitsalltags vieler Beschäftigter im öffentlichen Dienst ergeben. Das Arbeiten aus dem Homeoffice und in Teilzeit per Videoschalte mauserte sich im Verlauf der Corona-Pandemie zum Beispiel von einer Nischen-Lebensweise der „Digital Natives“ zu einem allgemein akzeptierten Vorgehen. Nach fünf Jahren wurden in zwei Workshops die gemachten Erfahrungen ausgetauscht und eine Zwischenbilanz gezogen.

Livia Kosch, Vorsitzende des örtlichen Personalrats Köln beim Bundesverwaltungsamt und vbob-Mitglied, fragte die Teilnehmenden „Fünf Jahre Videoschalte – was will man mehr!?“ und widmete sich weiterhin problematischen Themen, wie etwa der Gültigkeit von Abstimmungen während Videokonferenzen. Was passiert, wenn Personalratsmitglieder aus technischen Gründen nicht an Abstimmungen teilnehmen können? Wie sind geheime Abstimmungen auch in diesen Formaten möglich? Organisationsberater Dr. Joey-David Ovey diskutierte mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern seines Workshops „Ein Kinderspiel? Personalratstätigkeit in Teilzeit und im Homeoffice“ Freistellungsproblematiken von Personalratsmitgliedern, zunehmende Aufgabendichte und die Balance von Personalratsarbeit und Facharbeit.

Ein zentrales Thema hatten beide Workshops gemeinsam: Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer suchten nach Wegen, um der „flacheren“ Zusammenarbeit, die Videoschalten und Homeoffice mit sich bringen, eine „tiefere“, intensivere, persönlichere Zusammenarbeit in Präsenz entgegenzusetzen, etwa durch einen Wechsel von Präsenz- und digitalen Zusammenkünften und auch dadurch, dass die Tagesordnungen auf die Veranstaltungsformen Rücksicht nehmen. So sollten bestimmte Themen, die kreative Zusammenarbeit oder intensive Diskussionen erfordern, systematisch in Präsenzveranstaltungen bearbeitet werden.

Der Workshop von Rechtsanwältin Kerstin Solaße von der dbb akademie zu „Dienstvereinbarungen KI – Zähmung einer widerspenstigen Technologie“ war auch der mit Abstand bestbesuchte. Solaße beruhigte die zahlreichen Fragensteller: Personalräte haben mit dem schrittweise in Kraft tretenden EU AI Act und der DSGVO starke, weltweit einzigartige Gesetze an ihrer Seite, die Dienstherrn bereits heute Schulungs-, Informations- und Dokumentationspflichten auferlegen. Informationen darüber, welche KI in welcher Form und mit welcher Wirkungsweise in der eigenen Behörde eingesetzt werden sollen, seien die Grundlage, auf der Datenschutzfolgeabschätzungen und Einschätzungen zu drohenden Gefahren für die Belegschaft vorgenommen werden könnten. Dass die so erarbeiteten Dienstvereinbarungen bei der extrem schnellen Entwicklung ebenso rasch zu veralten drohen, könne durch Rahmendienstvereinbarungen mit aktualisierbaren Anlagen ausgeglichen werden, schlug Solaße vor und rief dazu auf, keine Regelungsscheu zu haben: „Die Entwicklung ist im Fluss. Man darf da auch Fehler machen.“

Knorz: Vertrauensvoll auch im Streitfall

Zu Beginn ihres Vortrags „Keine Einigung trotz vertrauensvoller Zusammenarbeit – Chancen und Risiken des Stufen- beziehungsweise Gerichtsverfahrens im Personalvertretungsrecht“ fragte Nicole Knorz, Rechtsanwältin im Bereich Arbeits- und Beteiligungsrecht, nach den persönlichen Erfahrungen der Anwesenden: „Wie haben Sie in einem vergleichbaren Fall entschieden?“ Nur wenige gaben an, den Gang zur Einigungsstelle oder vor das Verwaltungsgericht erwogen zu haben, nur ein einziger Personalratsvertreter habe auch tatsächlich geklagt. Knorz identifizierte drei mögliche Kategorien von Streitfällen und zeigte, in welchem Einzelfall welche Reaktion ratsam ist.  Zunächst könne es Streit um die Frage geben, ob der Personalrat überhaupt an einer Entscheidung zu beteiligen sei. Hier könne der Gang vor das Verwaltungsgericht Klarheit schaffen – und zwar für beide Seiten.

In den beiden anderen möglichen Fällen stehe die Zuständigkeit des Personalrats zwar außer Frage, es herrsche aber entweder Uneinigkeit über die konkrete Umsetzung - dann solle die Einigungsstelle angerufen werden, oder es gebe Unsicherheiten bei der Einordnung des betreffenden Tatbestandes. Neben der notwendigen aber teuren juristischen Prüfung, empfahl Knorz Schulungen für die Mitglieder der betroffenen Personalräte. Die Juristin sparte die Nachteile der einzelnen Verfahren jedoch nicht aus: Lange Verfahrensverläufe, während derer sich die Rechtsgrundlage für die Entscheidungen auch ändern könne, hohe Beratungs- und Verfahrenskosten. Stets sollten, ebenfalls unter professioneller Hilfe, die Erfolgsaussichten gegen die Verfahrensrisiken abgewogen werden. Wer aber die Auseinandersetzung meide, weil er auf der Gegenseite einen Vertrauensverlust befürchte, müsse sich fragen, wie es um ebendieses Vertrauensverhältnis bestellt sei.

Rigotti: Ziele müssen erreichbar bleiben

Prof. Dr. Thomas Rigotti, Arbeitsgruppenleiter am Leibniz Institut für Resilienzforschung mit Professur an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, stellte Ansätze zur Resilienzförderung am Arbeitsplatz vor. Von vornherein sei es wichtig, zu erkennen, dass Resilienzkapazitäten bei jedem Menschen individuell sind. Im Alltag treffen diese Kapazitäten auf Stressoren und Widrigkeiten. Dann greifen die Resilienzmechanismen und Bewältigungsstrategien. Ein resilientes Ergebnis ist dann eine positive Anpassung an eine erlebte Widrigkeit. Je nach Dauer, Intensität und Frequenz der Stressoren und der individuellen Resilienz kann es zu erfolgreicher Bewältigung, Adaption oder Erholung kommen. Aber auch zu Sensitivierung oder Verschlechterung der Gesundheit. Um Resilienz am Arbeitsplatz zu fördern, nannte Rigotti vier elementare Faktoren: Stressbewertung, Zielkalibrierung, Stressinokulation und Erholung.

Bei der Stressbewertung ist der erste Schritt, Stressoren zu erkennen und ihre Relevanz einzuschätzen. Als nächstes sollten die Situation und die verfügbaren Ressourcen bewertet werden. Beide wirken sich auf die Reaktion auf den Stressfaktor aus, was unter Umständen zu einer Neubewertung führt. Zu beachten ist dabei, dass die eigene Perspektive die Bewertung verzerrt. So können Praktiken und Umstände, die in der eigenen Dienststelle als „normal“ gesehen werden, von anderen als eindeutige Stressquelle gesehen werden und umgekehrt.
Den Sinn der Zielkalibrierung verdeutlichte Rigotti mit einem Zitat seines Forschungskollegen Prof. em. Dr. Norbert K. Semmer von der Universität Bern: „Stress hat mit der erlebten oder erwarteten Vereitelung von Zielen zu tun.“ Rigotti erläuterte: „Stress entsteht, wenn Ziele nicht erreicht werden können. Arbeit sollte daher so gestaltet sein, dass Ziele erreichbar bleiben.“ Arbeitgebende müssen sich stets fragen, ob die Ziele erreichbar seien und ob dafür genug Ressourcen vorhanden seien. Diese Reflexion werde leider häufig übersehen. Rigotti plädierte dafür, gemeinsam mit den Beschäftigten Zielvereinbarungen, statt über sie hinweg Zielvorgaben festzulegen.

Da sich unter dem Begriff „Stressinokulation“ nur wenige etwas vorstellen konnten, verglich Rigotti die Strategie mit einer „Stressimpfung“. Beschäftigte können Resilienz lernen, indem sie gezielt stressigen Situationen ausgesetzt werden. Das hatten mehrere von ihm durchgeführten Studien ergeben. Das letzte Puzzleteil im guten Umgang mit Stress ist die Erholung. „Entscheidend dabei ist die Erlebensqualität“, erklärte Rigotti. Damit Beschäftigte sich effektiv und langfristig erholen können braucht es vier Elemente: Beschäftigte sollen etwas tun, das ihnen Freude bereitet. Sie sollen das Gefühl bekommen, die Kontrolle über ihr Leben und ihre Zeit zu haben. „Mastery“, also Neues lernen und das Gefühl haben, Fortschritte zu machen, ist ebenfalls wichtig. Und schlussendlich müssen sie psychisch und physisch vom Arbeitsalltag wegkommen.

Alle vier Stellschrauben benötigen zudem soziale Unterstützung als „Schmiermittel“. Diese Komponente kommt den Personal- und Betriebsräten zu: In Krisensituationen informieren sie und vermitteln zwischen Beschäftigten und Führung. Sie fungieren als „Schockabsorber“, indem sie Vertrauenspersonen sind, an die sich Beschäftigte wenden können. Dadurch stehen sie aber selbst unter hohem Druck. Daher ist auch für die Personalvertretungen wichtig, Resilienz aufzubauen. Rigotti ermutigte die Anwesenden, sich in Krisensituationen nicht davor zu scheuen, Unterstützung anzufragen. „Wie für so vieles, gibt es in Deutschland auch für organisationale Resilienz eine DIN-Norm,“ erklärte Rigotti. Bestandteile der ISO 22316 seien unter Anderem effektive und unterstützende Führung, Teilen von Informationen und Verfügbarkeit von Ressourcen. Für die verschiedenen Bestandteile nutzte er die Metapher von Blättern einer Pflanze. Der Personalrat fungiere als eine Art Gießkanne für diese Pflanze. „Diese Gießkanne muss allerdings auch gefüllt sein,“ hob Rigotti hervor.

Becker-Lerchner: Umweltschutz braucht Akteure

Friederike Becker-Lerchner, Rechtsanwältin mit Schwerpunkt im Arbeits- und Personalvertretungsrecht, hat sich in ihrem Impulsvortrag mit dem Thema „Das umweltpolitische Mandat des Personalrats – Wunsch oder Realität?“ beschäftigt. Haben Personalvertretungen ein Mandat, umweltpolitische Anliegen innerhalb der Dienststelle zu vertreten, und ist dieses Mandat eher theoretischer Natur oder findet es Anwendung in der Praxis? Zwar sei Umweltschutz im Bundespersonalvertretungsgesetz nicht erwähnt. Das bedeute aber nicht, dass es keine Möglichkeiten für Personalvertretungen gebe, umweltpolitische Aspekte in ihrer Arbeit zu verfolgen. „Im Gegenteil, diese Themenfeld braucht Akteure und sollte auch im Personalrat gelebte Realität sein“, unterstrich die Anwältin.  Um das umzusetzen, könne der Personalrat bestehende Mitbestimmungsrechte nutzen, denn Umweltschutz sei auch Gesundheits- und Arbeitsschutz, „und in diesen Bereichen greifen die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen natürlich.“

Darüber hinaus sähen die Landespersonalvertretungsgesetze von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg Spielräume vor, die interpretatorisch genutzt werden könnten. „Das alles steht und fällt letztlich zwar mit der Offenheit des jeweiligen Dienstherrn gegenüber Neuerungen“, so Becker-Lerchner. Entmutigen lassen sollten sich Personalräte jedoch nicht, sondern bewusst Gestaltungsmöglichkeiten suchen. „Dazu eignet sich besonders der Soziale Bereich“, erläuterte die Referentin und gab konkrete Beispiele: Die Kantine auf Bio-Produkte und Mehrweggeschirr umstellen, einen Veggie-Day einführen oder mit den Dienstherrn Energiesparkonzepte erarbeiten seien Möglichkeiten, den Umweltaspekt im öffentlichen Dienst zu fördern. Auch im Bereich der Entgeltstruktur seien Möglichkeiten vorhanden wie die gezielte Förderung des ÖPNV, Jobräder oder Home-Office.

Kascherus: Konflikte offen diskutieren

Stefan A. Kascherus, Jurist und Bundesbeamter, referierte zum Abschluss über „Anzeigepflichten des Personalrats im Spannungsfeld zwischen Schweige- und Loyalitätspflicht gegenüber dem Dienstherrn“. Dabei vermittelte er zunächst einen Eindruck davon, wie umfassend die Verschwiegenheitspflichten von Personalräten sind – und wie folgenschwer ein Verstoß sein kann, droht doch unter Umständen nicht nur ein Ausschluss aus dem Personalrat, sondern sogar ein Strafverfahren. Gleichzeitig sind auch Personalräte weiterhin gegenüber ihrem Dienstherrn zur Loyalität verpflichtet. Auch das Bundespersonalvertretungsgesetz schreibt vor, dass Dienststelle und Personalvertretung „unter Beachtung der Gesetze und Tarifverträge“ vertrauensvoll zusammenarbeiten. So können Interessenkonflikte entstehen, die letztlich doch dazu führen, dass ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht rechtfertigen oder sogar gebieten – wenn etwa die Gesundheit anderer Kolleginnen und Kollegen gefährdet ist, wie Kascherus anhand praktischer Beispiele deutlich machte. Als grundsätzlichen Tipp gab der Fachmann mit auf den Weg, mögliche Konflikte in einem ersten Schritt möglichst offen innerhalb der Personalvertretung zu diskutieren

 

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