• Die russische Flagge auf der sich ein verschlossenes Schloss befindet

EU-Sanktionen gegen Russland

Wie werden Verstöße geahndet? Welche Rolle spielt der Öffentliche Dienst?

Dossier

Sanktionen und Abhängigkeiten

Sanktionen gegen Drittstaaten, Einzelpersonen oder Organisationen sind ein diplomatisches Zwangsmittel. Es wird eingesetzt, um Abweichungen von internationalen Regeln und Usancen zu bestrafen. Dabei geht es zumeist um Wirtschafts- und Finanzbeziehungen. Im Idealfall führen Sanktionen zu einer Verhaltenskorrektur. Im Fachjargon werden Sanktionen als restriktive Maßnahmen bezeichnet.

Da restriktive Maßnahmen zumeist auch die Handels- und die Zollpolitik betreffen, für beide Politikfelder ist Brüssel zuständig, werden Sanktionen nicht mehr auf nationaler Ebene verhängt, sondern gemeinsam auf der europäischen. Die EU hat die dafür notwendigen Rechtsgrundlagen in ihren Verträgen geschaffen. Dies ist auch im Sinne der Wirksamkeit ihrer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, wobei die Mitgliedstaaten dort nach wie vor das Sagen haben.

Der Krieg, den Russland mit seinem unmotivierten Überfall auf die Ukraine vom Zaun gebrochen hat, war auch insofern eine Zeitenwende, als Sanktionen gegen einen Drittstaat lange nicht mehr so viel Aufmerksamkeit fanden. Was Wunder, sind doch deren Folgen aufgrund der fatalen Rohstoffabhängigkeit vieler EU-Staaten und besonders Deutschlands von Russland auch innerhalb der EU sehr hoch.

Wirksamkeit beschlossener Sanktionen

Die nach 2014 verhängten restriktiven EU-Maßnahmen gegen Russland waren noch recht zahnlos. Sie folgten auf die widerrechtliche russische Annexion der Krim und Moskaus Unterstützung von Separatisten im Donbass. Sie hatten noch keine großen Auswirkungen, weder in Russland noch in Europa. Die in Europa Verantwortlichen, besonders auch die deutsche Bundesregierung, verkannten die Dimension der Putinschen Politik und die damit einhergehende Bedrohung.

Mit Beginn des massiven russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 ist das anders geworden. Die Europäer verabschiedeten seither eine ganze Reihe von Sanktionspaketen, die nicht nur Einzelpersonen, sondern die russische Wirtschaft insgesamt erheblich treffen sollen. Ob das so ist beziehungsweise in welchem Maße das in welchen Zeiträumen wirksam geschieht, bleibt umstritten, denn Russland verzeichnet auch dank der explodierten Rohstoffpreise weiterhin hohe Einnahmen, auch aus EU-Staaten.

Große Konsequenz bei den Sanktionen zeigen EU-Mitglieder wie Polen und die baltischen Staaten, während andere weiterhin bestimmte Rohstoffe aus Russland beziehen. Die Frage der Wirksamkeit der beschlossenen Sanktionen stellt sich aber auch in anderer Hinsicht. Denn deren Durchsetzung hängt nicht zuletzt davon ab, wie ernsthaft sie von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren in den Mitgliedstaaten eingehalten werden.

Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass es zu vielfachen Verstößen kommt, die kaum geahndet werden. Der Rat der Europäischen Union hat sich darauf verständigt, dass dies nicht so bleiben soll und die Kommission ermächtigt, initiativ zu werden, um einen Rahmen für eine bessere Durchsetzung der Sanktionen zu schaffen. Dabei geht es vor allem um eine Angleichung der einschlägigen strafrechtlichen Bestimmungen, aber auch um die effektive Aufdeckung von Verstößen und eine konsequente Strafverfolgung. Genau hier kommen zahlreiche mitgliedstaatliche Behörden, Justiz, aber auch die Polizei und die Finanzverwaltung ins Spiel.

Rechtsangleichung

Die teils großen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sind nicht zuletzt auf unterschiedliche straf- und verwaltungsrechtliche Bestimmungen bei Verstößen gegen restriktive Maßnahmen der EU zurückzuführen. Teils werden Verstöße als Straftaten bewertet, teils lediglich als Ordnungswidrigkeiten. Die Höchstdauer für Freiheitsstrafen variiert erheblich. Auch die maximalen Geldbußen liegen weit auseinander. Teils fehlt es den Justizbehörden an geeigneten Instrumenten und Ressourcen, um gegen Verstöße vorgehen zu können.

Die Kommission hat nun eine Richtlinie vorgeschlagen, um die strafrechtlichen Definitionen anzugleichen. Dies soll auf einem Niveau geschehen, das wirksame Abschreckung gewährleistet. Darüber soll die Richtlinie grenzüberschreitende Ermittlungen und Strafverfolgung fördern und die Wirksamkeit staatlichen Handelns auf nationaler Ebene verbessern.

Nicht nur der kleinste gemeinsame Nenner

In seiner Stellungnahme an das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klima unterstützt der dbb die Zielsetzung des Richtlinienvorschlags. Er teilt die Position des Berichterstatters des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, dass Verstöße gegen EU-Sanktionen eine grenzübergreifende Dimension aufweisen und zu einer Bedrohung von Frieden, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechten führen können.

Der dbb befürwortet die Rechtsangleichung auch für die notwendige Stärkung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Eine schnelle Umsetzung sei vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Bedrohungslage von gemeinsamem europäischen und nationalen Interesse. Die Rechtsangleichung darf sich aus Sicht des dbb nicht am kleinsten gemeinsamen Nenner orientieren.

Wenn restriktive EU-Maßnahmen wirksam sein sollen, müssten sie glaubhaft vollzogen werden und die Sanktion bei Zuwiderhandeln effektiv abschreckend wirken. Dies setze voraus, dass diese Straftaten nach deutschem Strafrecht als Verbrechen eingestuft werden und nicht nur als Vergehen. Mitgliedstaaten, die Verstöße gegen Sanktionen bis dato lediglich als Ordnungswidrigkeit behandeln, sollten ihr Recht entsprechend verschärfen. Dasselbe gelte für die Verfolgung von Anstiftung, Beihilfe und Versuch als Straftaten.

Straftaten in Ausübung von Dienstpflichten

Der dbb befürwortet auch die Definition erschwerender Umstände, wie sie im Richtlinienentwurf der Kommission vorgenommen wird. Dies schließt Beamtinnen und Beamte, die Straftaten im Sinne der Richtlinie in Ausübung ihrer Dienstpflichten begehen, ausdrücklich ein, da ihr Amtseid sie in besonderer Weise bindet.

Aus gewerkschaftspolitischer Sicht ist jedoch der Aspekt der Verwaltungskapazitäten für die Um- und Durchsetzung besonders wichtig. Das betrifft insbesondere die Sicherheitsbehörden und die Justizverwaltung, aber auch die Finanzverwaltung und gegebenenfalls weitere Behörden. Verstöße gegen die EU-Sanktionen können nur dann aufgedeckt werden, wenn es ausreichend qualifiziertes Personal in den jeweiligen Verwaltungsbereichen gibt. Polizei, Zoll, Steuer- und Justizverwaltung müssen, so fordert es der dbb in seiner Stellungnahme, entsprechend personell und sachlich ausgestattet sein.

Bessere Personal- und Sachausstattung

Eine Angleichung der Rechtsvorschriften allein erscheint dem dbb daher nicht ausreichend. Es bedürfe vor allem der personellen Ressourcen, um Verstöße gegen restriktive EU-Maßnahmen aufdecken, verfolgen und sanktionieren zu können. Im deutschen öffentlichen Dienst insgesamt fehlten aktuell etwa 360.000 Beschäftigte, um alle gegebenen staatlichen Aufgaben wahrnehmen zu können. Diese personelle Unterausstattung betreffe auch die für die Sanktionsdurchsetzung relevanten Verwaltungsbereiche und behindere damit die Zielsetzung der Richtlinie.

Für den dbb ist klar: Die EU sollte – in voller Anerkenntnis der Kompetenz der Mitgliedstaaten für die Organisation und die Finanzierung ihrer öffentlichen Dienste - an die Mitgliedstaaten appellieren, ihre öffentlichen Verwaltungen personell und sachlich so auszustatten, dass sie ihren Aufgaben und damit auch EU-rechtlichen Vorgaben nachkommen können. Dies sei für die Koordinierung der Zusammenarbeit der zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten, auch mit Blick auf den deutschen Föderalismus, von besonderer Bedeutung.

 

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