Stich zu länderspezifischen Empfehlungen

Jedes Jahr gibt die Europäische Kommission im Rahmen des so genannten Europäischen Semesters den EU-Mitgliedsländern länderspezifische, nicht-bindende Empfehlungen, die vor allem auf eine Stärkung der Wirtschaft ausgerichtet sind. „Die Kommission stellt sich mit der Forderung nach wachsenden Reallöhnen und einem gerechteren Steuersystem auf die Seite der Gewerkschaften. Auch wird der Schwerpunkt auf eine wachstumsfreundliche Politik stärker betont“, kommentierte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Volker Stich die Empfehlungen für Deutschland. Doch dürfe die Kommission keine unrealistischen Erwartungen wecken. „Eine geringere Ausgabenbelastung und eine gleichzeitige Zurückhaltung bei öffentlichen Ausgaben, so wie es von der Europäischen Kommission skizziert wird, lassen sich leichter fordern als in konkrete Politik umsetzen. Zudem ist der kritische Ansatz am deutschen Bildungssystem nicht gerechtfertigt.“

Die Europäische Kommission bescheinigt Deutschland, mit seiner derzeitigen Haushaltspolitik grundsätzlich auf dem richtigen Weg zu sein. Die Ziele sowohl beim künftigen Schuldenstand als auch der Neuverschuldung könnten vermutlich erreicht werden. „Der öffentliche Dienst hat in den vergangenen Jahren einen entscheidenden Anteil an der Stabilisierung der öffentlichen Haushalte gehabt und ist ein wichtiger Teil des deutschen ‚Erfolgsgeheimnisses‘“, so Stich. Doch sei es nicht nur Aufgabe des Staates, für eine stabile wirtschaftliche Situation zu sorgen, auch die Wirtschaft habe hier eine große Verantwortung. „Die Kommission hat Recht, wenn sie noch mehr nachhaltige Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland fordert. Ein segmentierter Arbeitsmarkt schafft soziale Verwerfungen, die dem Land als Ganzes schaden.“ Dafür müssten zudem auch staatliche Anreize geschaffen werden, so Stich. Nachhaltige Beschäftigung müsse es insbesondere im öffentlichen Dienst geben. „Wir haben im öffentlichen Dienst mehr befristete Arbeitsverträge als in der Wirtschaft, in einigen Bundesländern speziell bei den Lehrern“, kritisierte der dbb Vize. Hier müsse gerade der Staat mit überzeugendem Vorbild vorangehen.

Die länderspezifischen Empfehlungen für Deutschland geben laut Stich keinen Anlass zu Überheblichkeit gegenüber den europäischen Partnern. „Deutschland hat selbst Anfang des letzten Jahrzehnts gemerkt, welche verheerenden Auswirkungen extrem hohe Arbeitslosigkeit und eine schwächelnde Wirtschaft haben.“ Außerdem gebe es noch erheblichen Reformbedarf, so auch in der Pflege und im Gesundheitssystem. Es komme jetzt auf Solidarität und praktische Hilfe an. „Neben den Hilfspaketen wird es in den kommenden Jahren auch darum gehen, erfolgreiche Konzepte wie die duale Ausbildung in anderen europäischen Ländern zu bewerben und zu etablieren.“ Die neue deutsch-französische Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit sei dafür ein gutes Beispiel.

 

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