Review

Patricia Cammarata: Musterbruch

Das Buch erklärt detailliert, warum Sorgearbeit ungleich verteilt ist, was diese Ungleichheit befeuert, aber auch wie Frauen sie identifizieren und etwas gegen sie unternehmen können. Die Autorin zeigt Beispiele aus ihrer eigenen Erfahrung, die gut funktionieren (oder eben nicht funktionieren). „Musterbruch“ betrachtet die Hürden, die einer gerecht verteilten Sorgearbeit von der Schwangerschaft bis zum Kindergartenalter sowie in der Partnerschaft im Weg stehen, und wie sich diese überwinden lassen.  

Das Buch ist so nah am Puls der Zeit wie derzeit kaum ein anderes zu diesem Thema. Unter anderem nimmt Cammarata Bezug auf (Stand Mai 2024) aktuelle Gesetzgebungsverfahren wie die Familienstartzeit. Der Schreibstil ist stets auf Augenhöhe und nie belehrend. Kleine Illustrationen über den Alltag mit ihrem Mann lockern die ernste Lektüre etwas auf. Die Maßnahmen, die die Autorin vorschlägt, sind grundsätzlich für jedes Individuum umsetzbar. Die Diplompsychologin setzt beim Menschen an, nicht beim System oder der Gesellschaft – wobei diese sich natürlich schlussendlich durch die Aktionen des Individuums ändern sollen.  

Eine Besonderheit an ihrem Buch: In vielen Kapiteln gibt es QR-Codes, die auf Websites und Videos führen, in denen es zusätzliche Informationen zu den Inhalten gibt. Praktisch sind ebenfalls die Kurzzusammenfassungen der wichtigsten Punkte am Ende jedes Kapitels. Dadurch ist das Buch sowohl für Neulinge als auch Erfahrene spannend, da die Kapitel fachlich in die Tiefe gehen und Hintergründe erklären und „des Pudels Kern“ – wie die Autorin ihre Zusammenfassung getauft hat – am Ende nochmal verständlich komprimiert. Viele Kapitel beinhalten am Ende kleine Kataloge mit Maßnahmen und Fragen, um über das eigene Verhalten zu reflektieren oder Fragen, die man anderen stellen sollte. Denn das ist für Cammarata das Fundament aller Maßnahmen: Reden, reden und noch mehr reden. Mit der Partnerin und dem Partner, mit den Vorgesetzten, mit der Personalabteilung, mit den Sprücheklopferinnen und -klopfern. Reden, um auf Missstände im System und die eigene Situation aufmerksam zu machen und Lösungen zu finden.  

Für die meisten fid-Leser*innen sind die auf dem Cover angepriesenen "überraschenden Lösungen für wirkliche Gleichberechtigung" vermutlich wenig überraschend. Impulse wie "Sorgearbeit sollte bezahlt werden", "Männer müssen mehr Sorgearbeit verrichten" und "es braucht gesellschaftliches Umdenken" sind kein Novum. Die neuen Perspektiven und die Deep Dives machen das Buch aber auch für Care-Gap-Erfahrene zu einer lohnenden Lektüre. Durch die verständliche Aufbereitung können auch die, die noch wenig oder keine Vorerfahrung mit dem Konzept Equal Care haben das „Wissensdefizit“ in diesem Bereich schließen. Wir empfehlen dieses Buch allen, die tiefer in das Thema Care Gap und gerechte Verteilung von Sorgearbeit als Eltern und in der Partner*in eintauchen wollen. Fans von Vera Strauchs Buch „Unbequem“ können wir „Musterbruch“ wärmstens empfehlen. 

Patricia Cammarata zeigt in ihrem Buch, dass Sorgearbeit nicht allein von einer Person (also vorwiegend Frauen) getragen werden kann. Genauso kann auch der Kampf für eine gerechtere Verteilung nicht allein von den Frauen getragen werden. Die Autorin empfiehlt, selbst politisch aktiv zu werden. Sei es durch die Teilnahme an Demonstrationen, Arbeit in politischen Parteien oder in Gewerkschaften. Letzterem können wir uns natürlich nur anschließen. 

Wir verlosen zwei Exemplare des Buches! Teilnahme per Mail an frauen@dbb.de mit dem Betreff "Gewinnspiel". Bitte geben Sie Ihre Adresse und die Ihrer dbb Mitgliedsgewerkschaft an, um an der Verlosung teilzunehmen. Einsendeschluss: 21. Juni 2024.