Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung (BvLB)Mehr Respekt bitte für berufliche Bildung!
In Frankfurt soll in einem Gebäudekomplex, in dem zwei Gymnasien untergebracht sind, übergangsweise eine Berufsschule zusätzlich einquartiert werden.
Das Vorhaben führt zu heftigsten Reaktionen von Seiten der Eltern der Gymnasialschülerschaft, berichtet der BvLB in einer Pressemitteilung vom 25. Juli 2025. Diese fürchten um das Wohl ihrer Kinder und haben dafür eine Online-Petition eröffnet, die innerhalb kurzer Zeit bereits über 500 Unterstützer gefunden hat.
Die Unterzeichner führen dort verschiedene Gründe an, die jeglicher Realität entbehren, so der BvLB. Zum Beispiel: … die Schulformen passten nicht zueinander … der Altersunterschied sei zu groß … die pädagogische Arbeit könne leiden … eine Schule solle ein Schutzraum für die Kinder sein … Berufsschüler könnten einen schlechten Einfluss auf die Kinder im Gymnasium haben … Gymnasiastinnen und Gymnasiasten könnten mit Alkohol, Drogen, Rauchen, Sex und anderen Erwachsenen-Verhaltensweisen in Kontakt kommen … die Sicherheit und Entwicklung der Kinder werde riskiert … die Unterbringung einer Berufsschule an einem Gymnasium sei grob fahrlässig … der Ruf des Gymnasiums könne leiden … (Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung – Rhein-Main Zeitung vom 21. Juli 2025: Eltern haben Angst vor Berufsschülern)
„Diese und weitere ähnlich prononcierte Äußerungen in Richtung Berufsschule und ihre Schülerschaft sind für den Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung (BvLB) und seine Mitglieder unerträglich!“, so die beiden Bundesvorsitzenden Pankraz Männlein und Sven Mohr unisono.
Als aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger fragen sich unsere Kolleginnen und Kollegen: Wie kann es sein, dass junge Erwachsene, die sich wie an der Julius-Leber-Berufsschule in Frankfurt mitten in einer qualifizierten Berufsausbildung befinden – viele davon im Gesundheitswesen oder in systemrelevanten Verkehrsberufen –, pauschal als potenzielle Gefahr für Gymnasiastinnen und Gymnasiasten dargestellt werden?
Berufsschülerinnen und Berufsschüler sind keine Problemfälle – sie sind Teil der Lösung. Sie tragen Verantwortung im Berufsalltag, sie stemmen Versorgung, Transport, Pflege und Organisation. Sie halten, oft unsichtbar, unsere Gesellschaft am Laufen – jetzt und in Zukunft. Ihre berufliche Ausbildung ist ein Pfeiler unseres Bildungssystems sowie unseres Wohlstands.
Was in der Diskussion mitschwingt, ist ein alarmierendes Maß an Bildungsdünkel und sozialer Distanzierung.
Es irritiert, dass Eltern ausgerechnet in einem so zentralen Bildungsort wie Frankfurt suggerieren, Gymnasiastinnen und Gymnasiasten müssten vor Berufsschülerinnen und Berufsschülern geschützt werden, kritisiert der BvLB – als seien letztere Menschen „zweiter Klasse“. Als ob Bildung in verschiedenen „Kasten“ stattfindet, zwischen denen es bitte keine Berührung geben dürfe.
Dabei wäre genau das Gegenteil wichtig: Begegnung. Miteinander. Respekt. Unsere pluralistische Demokratie lebt von Durchlässigkeit, von gegenseitiger Wertschätzung – und von der Anerkennung, dass berufliche und akademische Bildung gleichwertig sind. Wer das ignoriert, untergräbt nicht nur das Selbstwertgefühl hunderttausender junger Menschen in der Berufsausbildung, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt.
Es braucht mehr Vertrauen in die pädagogischen Konzepte, in die kommunale Planung – und vor allem: mehr Vertrauen in die jungen Menschen, die an unseren Berufsschulen die Kompetenzen für eine erfolgreiche Berufslaufbahn erwerben. Diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen leisten etwas! Viele haben sich ganz bewusst für eine duale Ausbildung entschieden – für Praxis, Theorie und Verantwortungsübernahme.
Die Bundesvorsitzenden Pankraz Männlein und Sven Mohr appellieren: „Lassen wir uns nicht von diffusen Ängsten oder diffamierenden Äußerungen leiten. Statt Mauern zu errichten, sollten wir Brücken bauen – zwischen Schulformen, Lebenswegen und Milieus. Denn nur so funktioniert eine demokratische, inklusive und zukunftsfähige Gesellschaft.