- Präsentation der länderspezifischen Empfehlungen: José Manuel Barroso und die Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde Hansen am 2. Juni in Brüssel
Länderspezifische Empfehlungen: Licht und Schatten
Der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt sagte zu den am 2. Juni von der EU-Kommission veröffentlichten länderspezifischen Empfehlungen: „Es gibt Licht und Schatten. Zeichen der wirtschaftlichen Erholung in den Krisenstaaten stehen neue Sorgen um die sozioökonomische und politische Entwicklung Frankreichs, aber auch die finanzielle Stabilität Italiens gegenüber.“ Zufrieden zeigte sich der dbb Bundesvorsitzende mit den Empfehlungen für Deutschland. „Der Bericht betont die Notwendigkeit öffentlicher Investitionen. Die Kommission regt wachstumsfördernde Impulse an. Das wäre auch aus unserer Sicht wichtig“, so Dauderstädt. Verständnis zeigte er für die Kritik an der deutschen Rentenpolitik. „In Europa könnte der Eindruck entstehen, Deutschland mache die große Rentenreform rückgängig.“ Problematisch sieht Dauderstädt Aussagen der länderspezifischen Empfehlungen zur öffentlichen Auftragsvergabe.
Die Empfehlungen an Deutschland zeigten deutlich, dass die EU-Kommission die zum 1. Juli 2014 in Kraft tretenden Rentenregelungen als unzeitgemäß beurteile. „Ich sehe auch die Gefahr, dass unsere europäischen Partner, die noch schwierige Rentenreformen vor sich haben, nun meinen, sie müssten weniger oder sogar nichts mehr tun. Das wäre natürlich ein ganz falsches Signal.“ Gegenüber Brüssel müsse verdeutlicht werden, dass die in Deutschland erfolgte Reform nicht in Frage gestellt werde. „Wer 45 Jahre durchgehend berufstätig war, kann früher als mit 67 Jahren in Rente gehen. Das wäre überall in Europa mit den Reform- und Stabilitätszielen vereinbar. Die Regelaltersgrenze von 67 Jahren, die wir ab dem Jahrgang 1964 haben, bleibt bestehen. Das gilt für Angestellte wie für Beamte.“ Von einem Aufweichen der Reformen könne daher keine Rede sein.
Auch die Mütterrente sei differenziert zu sehen. „Die Mütterrente kann durchaus als eine gerechte Anerkennung der Lebensleistung von Frauen gesehen werden, die noch nicht von den Politiken profitieren konnten, die wir inzwischen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben.“ Auch das müsse selbstverständlich für alle gelten, für weibliche Angestellte wie für Beamtinnen. Wie die Kommission sieht Dauderstädt die Finanzierung von Mütterrente und Rente mit 63 beziehungsweise 65 bei 45 Beitragsjahren kritisch. „Das Geld dafür aus der Rentenkasse zu nehmen, ist kurzsichtig. Für versicherungsfremde Leistungen wie die Mütterrente hätten Steuermittel eingesetzt werden müssen.“
Dauderstädt unterstützt die Forderung der EU-Kommission nach einem Abbau des deutschen Leistungsbilanzüberschusses durch mehr wachstumsförderliche Inlandsinvestitionen. „Dass die Kommission mehr öffentliche Investitionen anmahnt, ist sehr zu begrüßen.“ Wenn Deutschland mehr gegen Steuerbetrug unternehme und für mehr Steuergerechtigkeit sorge, ohne wachstumsschädliche Steuererhöhungen vorzunehmen, bleibe auch mehr Geld für Investitionen zum Beispiel in Bildung und Forschung. „Mehr Lehrer sind eine gute Zukunftsinvestition. Mehr Polizisten sorgen für mehr Sicherheit. Mehr Steuerfahnder helfen die Einnahmen des Staates sichern. Haushaltskonsolidierung und Wachstum sind vereinbar. Investitionen in die öffentliche Infrastruktur und eine gute Daseinsvorsorge erhöhen die Qualität des Wirtschaftsstandorts Deutschland“, so Dauderstädt. „Zu Recht bemängelt die Kommission, dass wir in Deutschland nach wie vor zu wenig Binnennachfrage haben. Wenn eine Reihe von Bundesländern die Einkommen von Beamten im öffentlichen Dienst über Jahre real kürzt, dann ist das ganz sicher kein Beitrag zu einer steigenden Kaufkraft im Inneren.“
Skeptisch sieht Dauderstädt die Kritik Brüssels an der öffentlichen Auftragsvergabe in Deutschland. „Wir haben in Deutschland das demokratische Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung als ganz wichtigen Verfassungsgrundsatz. Die öffentliche Daseinsvorsorge ist eine staatliche Aufgabe.“ Diese bewährten Grundsätze dürften nicht als Widerspruch zum Binnenmarkt verstanden werden, da sie sich klar auf die Aufgaben der öffentlichen Hand begrenzten. Weitere Deregulierung und Privatisierung ohne eine effektive soziale Folgenabschätzung lehne der dbb ab.