Vermittlungsausschuss berät Rechtsanspruch
Ganztagsbetreuung: Nachhaltige Finanzierung erforderlich
Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach hat gefordert, den Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung nachhaltig zu finanzieren, um die Qualität der Betreuung zu sichern.
„Der dbb ist der tiefen Überzeugung, dass mehr Ganztagsangebote für die frühkindliche Bildung förderlich sind. Die Politik muss nun zeigen, ob das Gesetzesvorhaben mehr als heiße Luft war. Es bedarf umfangreicher und nachhaltiger Investitionen in Personal und Räumlichkeiten, um es mit Leben zu füllen. Bereits heute haben wir einen massiven Fachkräftemangel im Erziehungsbereich. Ohne eine Aufwertung des Berufs sowie angemessene Bezahlung und Arbeitsbedingungen droht das System zu kollabieren“, sagte der dbb Chef am 6. September 2021 kurz vor der Sitzung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat, in dem über das Gesetz beraten wird. Es soll ab dem Schuljahr 2026/2027 zunächst für Grundschulkinder der ersten Klassenstufe gelten und in den Folgejahren schrittweise um je eine Klassenstufe ausgeweitet werden. Der Bund plante, den Ländern 3,5 Milliarden Euro für den Ausbau der Ganztagsbetreuung an den Grundschulen bereitzustellen. Zudem wollte er sich mit knapp einer Milliarde an den Kosten für den laufenden Betrieb durch eine Änderung der Umsatzsteuerverteilung beteiligen. Bedingt durch die hohen Personal- und Betriebskosten hatten die Länder dem Gesetzesentwurf zunächst nicht zugestimmt und die hälftige Beteiligung des Bundes an den laufenden Kosten gefordert.
Für die Vorsitzende der dbb frauen Milanie Kreutz ist das Vorhaben ein wichtiger Schritt für mehr Geschlechtergerechtigkeit. „Der Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung ist eine zentrale Voraussetzung für eine geschlechtergerechte Gesellschaft und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Für viele Familien fällt mit dem Übergang zur Schule das Kinderbetreuungsangebot am Nachmittag weg, wodurch die Eltern gezwungen sind, ihre Wochenarbeitszeit zu reduzieren. Alleinerziehende Mütter sind davon besonders betroffen. Die Ganztagesbetreuung wird die Situation für viele Familien entschärfen“, erklärte Kreutz. „Nach wie vor treten viele Frauen beruflich kürzer, um Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen. Diese beiden Lebensbereiche dürfen sich nicht gegenseitig ausschließen. Das Angebot an verlässlicher, flexibler und qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung ist daher zwingend nötig“, so die Chefin der dbb frauen.
Kritik an der Ausgestaltung der Pläne kam aus den dbb Fachgewerkschaft. „Der von Bund und Ländern geplante Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter führt zu einem Bedarf von 600.000 Betreuungsplätzen in Deutschland. Doch bereits jetzt fehlt es an qualifizierten Erzieherinnen und Erziehern“, sagte Sandra van Heemskerk, stellvertretende Bundesvorsitzende der komba gewerkschaft. „Um den noch größer werdenden Bedarf decken zu können, brauchen wir eine weitergehende Fachkräfteoffensive. Wir benötigen endlich bundesweite gesetzliche Standards, attraktivere Arbeitsbedingungen und angemessene Verdienstmöglichkeiten. Ein ‚Weiter wie bisher‘ mit unzumutbaren Personalschlüsseln, Teilzeitarbeit und befristeten Arbeitsverhältnissen sowie einer nahezu vorprogrammierten Burnout-Garantie im Betreuungsberuf wird den Rechtsanspruch zu einem Feigenblatt machen.“
Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), unterstrich die Problematik des Fachkräftemangels ebenfalls: „Die Umsetzung des Ganztagsanspruchs muss unter Personalvorbehalt stehen. Die komplette Finanzierung des Vorhabens lässt außen vor, dass es zunächst eine massive Personalgewinnungskampagne braucht, um überhaupt in die Nähe einer angemessenen Personalausstattung zu kommen. Dabei muss sich von selbst verstehen, dass alle Personen, die im Ganztag arbeiten werden, pädagogisch qualifiziert sein müssen. So wird gewährleistet, dass die Betreuung der Kinder keine Verwahrung am Nachmittag ist, sondern den Kindern pädagogisch anspruchsvolle Angebote unterbreitet werden. Alles, was in Schule stattfindet, muss unter dem klaren Auftrag stehen, Kinder zu bilden und zu erziehen. Qualität und nicht Quantität um jeden Preis muss das Ziel sein, wenn Eltern guten Gewissens ihre Kinder auch am Nachmittag der Institution Schule anvertrauen sollen.“