Gastbeitrag von Axel Voss, MdEP

Digitalisierung im öffentlichen Dienst

Besonders im Rahmen der Covid Pandemie wird immer wieder deutlich, dass es in einigen europäischen Ländern im digitalen Bereich enormen Verbesserungsbedarf gibt. China und die USA kämpfen unter sich um die Führungsposition bei den zukunftsträchtigen Technologien, während die EU erst einmal um einen passenden Rechtsrahmen kämpft. Wie kann Europa so in der digitalen Welt überleben? 

Leider ist die Digitalisierung noch längst nicht so weit in den Ämtern und Behörden integriert, als dass sie von großer Hilfe sein könnte. Besonders Deutschland, das nach dem Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) im Jahr 2020 nur Platz 12 von 28 erreichte, hat noch stark mit einer Digitalisierung im öffentlichen Dienst zu kämpfen.

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die 2018 in Kraft trat, steht zusammen mit einer besonders in Deutschland existierenden Datenhysterie, einer einseitig übertriebenen Grundrechtsfokussierung auch der Datenschutzbehörden und dem Widerstand gegen Veränderungen mit einer effizienten und konkurrenzfähigen Weiterentwicklung und Anwendung von insbesondere künstlicher Intelligenz im Konflikt. In der datengetriebenen Welt von heute behindert dies mögliche Innovationen und Wettbewerb im digitalen Bereich. In der EU sind die Rechte der Bürger in Bezug auf ihre persönlichen Daten u.a. durch eine größere Verantwortlichkeit und mehr Pflichten von Seiten der Unternehmen durch strenge, komplizierte und überbürokratische Datenschutzregelungen gestärkt worden. Jedoch kann sich Künstliche Intelligenz nur mit großen Datenmengen beim Algorithmen-Training weiterentwickeln, um ihren Output möglichst präzise wiederzugeben. So ist zum Beispiel die Gefahr der Diskriminierung durch neue Technologien höher, wenn dem System weniger Daten vorliegen. Im Home-Office wird der Nutzer mit den komplexen und umfangreichen rechtlichen Verpflichtungen allein gelassen werden. Ähnliche Probleme ergeben sich im Gesundheitssektor. Mit einem besseren Zugang zu und der besseren Möglichkeit des Austausches von Daten hätte die Eindämmung von Covid besser gemanagt werden können.

Die DSGVO mag uns zwar ein sicheres Gefühl vermitteln, sie ist aber auch einer der Gründe, warum wir innerhalb der EU trotz einer fundierten Grundlage für weitere Forschung und Entwicklung zu wenige global konkurrenzfähige Technologieunternehmen finden. Dabei könnte Europa eine weltweite Führungsposition in den Bereichen der Industrie, Forschung und Produktion einnehmen. Die EU muss daher eine richtige Balance zwischen Innovation, Entwicklung, Sicherheit und Grundrechtsschutz finden, um eine komplette Abhängigkeit im Digitalen von China und USA zu vermeiden. Wie China mit abhängigen Staaten umgeht, lässt sich zunehmend registrieren. 

Um auf dem globalen Markt wettbewerbsfähig zu werden, außereuropäische Forscher und Wissenschaftler anziehen zu können und Innovation und Entwicklung in Europa zum Erfolg zu führen, plant die EU über die nächsten zehn Jahre rund 20 Milliarden Euro zu investieren und daneben private als auch staatliche Investitionen anzuziehen. Nicht nur, dass diese Mittel bei weitem noch nicht ausreichend sein werden, sondern es werden diese finanziellen Mittel auch nur dann helfen, wenn der rechtliche Rahmen angepasst wird. 

Dabei bedarf es Anpassungen und Modernisierungen bei der DSGVO, bei Subventionen, bei Ausschreibungen und im Kartell- und Wettbewerbsrecht - und das schnell, denn viel Zeit wird nicht bleiben, damit europäische Unternehmen noch die Möglichkeit haben, sich auf dem globalen Markt durchzusetzen. 

Förderlich wäre hier die Möglichkeit einer zunehmenden Verarbeitung von entpersonalisierten, gemischten und nicht-personenbezogenen Daten. Auch müsste man kleinen Unternehmen und Start-ups mehr Handlungsfreiheit geben, damit sie sich gegen die großen digitalen Konzerne durchsetzen können. Dabei müssen die Maßnahmen der DSGVO klar und einheitlich in allen Mitgliedsstaaten der EU umgesetzt werden, um ein gemeinsames Vorgehen in Fragen der Digitalisierung zu garantieren und allen Bürgern, Unternehmen und Verwaltungen die gleichen Chancen zur Weiterentwicklung bieten zu können. Mit einigen Anpassungen der DSGVO an das digitale Zeitalter kann die Entwicklung von Technologien gefördert und folglich auch im öffentlichen Dienst für eine effiziente, zeitsparende, transparente und Kosten einsparende Arbeitsweise eingesetzt werden.

E-Governance, Block-Chain, künstliche Intelligenz und Big Data - all dies wäre gerade in Pandemiezeiten von großem Nutzen gewesen. Algorithmen, künstliche Intelligenz und Robotik können den öffentlichen Dienst unterstützen, die Verwaltung und Kommunikation beschleunigen und vereinfachen. Doch nicht nur im Verwaltungssektor, auch im Gesundheits- oder Verteidigungssektor kann Digitalisierung zu großen Fortschritten führen. Mit Robotik, die in Krankenhäusern hilft, künstlicher Intelligenz, die Bürgeranfragen beantwortet oder Cyberabwehr zur Sicherung im Netz sowie Drohnen zur Aufklärung. Digitale Krankenakte und digitaler Personalausweis - Digitalisierung könnte in fast allen Lebensbereichen Anwendung finden, wenn wir es denn zulassen würden. 

Damit könnten in Deutschland 34% des derzeitigen Aufwands der Nutzer und der Verwaltung eingespart werden. Standardisierte Arbeitsvorgänge gerade in Bürgerangelegenheiten (Steuererklärung, KFZ-Zulassung, Baugenehmigung, öffentliche Aufträge, etc.), behördliche Koordinierungen, Plausibilitätsprüfungen, E-Akten könnten zusammen mit einer rechtssicheren digitalen Identität die Effizienz der Verwaltung enorm - auch kostengünstiger - steigern, Finanzströme könnten besser überwacht werden, Korruption und willkürliche Amtshandlungen würden eingeschränkt, Präventivhilfen und Problemlagen wie Wohnungsnot würden früher angegangen etc.. Für die Bürger ließe sich damit ein auf die aktuelle Lebenslage angepasstes Angebot bieten, gebündelt und organisatorisch einfach. Der öffentliche Dienst muss sich hingegen einem permanenten Reformprozess unterwerfen, hätte jedoch dann auch die Gewissheit, als gut funktionierende Verwaltung Teil des Wandels und der wirtschaftlichen Prosperität zu sein.

 

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