Interview mit Volker GeyerDer öffentliche Dienst ist Europas wichtigste Infrastruktur
Volker Geyer spricht mit den dbb europathemen über die doppelte Verantwortung für einen zukunftsfähigen öffentlichen Dienst in Deutschland und Europa.
dbb europathemen: Herr Geyer, Sie sind seit kurzem Bundesvorsitzender des dbb und gleichzeitig Vizepräsident der CESI. Wie sehen Sie Ihre doppelte Rolle im nationalen und europäischen Kontext?
Volker Geyer: Die beiden Rollen ergänzen sich hervorragend. Was wir in Deutschland beobachten, gilt genauso für viele europäische Länder: Der öffentliche Dienst ist das Rückgrat eines funktionierenden Staates – und damit auch einer funktionierenden Demokratie. Als CESI-Vizepräsident möchte ich dazu beitragen, den Stellenwert öffentlicher Dienstleistungen europaweit zu stärken. Denn der Abbau öffentlicher Strukturen führt fast zwangsläufig zum Vertrauensverlust in den Staat und damit zur Destabilisierung demokratischer Prozesse. Wir müssen dem klar entgegentreten.
dbb europathemen: In Deutschland steht der öffentliche Dienst zunehmend unter Druck – sei es personell, finanziell oder gesellschaftlich. Was sind aus Ihrer Sicht die dringendsten Baustellen?
Volker Geyer: Ganz klar: Wir brauchen sofort die Übertragung des Tarifergebnisses auf die Bundesbeamtinnen und -beamten, eine verfassungskonforme Besoldung und die Rücknahme der Wochenarbeitszeit für Bundesbeamte. Ohne diese Schritte leidet nicht nur die Attraktivität des Berufs, sondern auch das Vertrauen der Beschäftigten in den Staat. Und wir dürfen nicht vergessen: Es geht hier um die wichtigste Infrastruktur Deutschlands – den öffentlichen Dienst. Wenn wir da nicht investieren, dann bringt uns auch das Sondervermögen für Straßen, Schienen oder Digitalisierung wenig.
dbb europathemen: Sie sprechen sich gegen pauschale Stelleneinsparungen aus, fordern aber eine ehrliche Aufgabenkritik. Was meinen Sie damit konkret?
Volker Geyer: Es bringt nichts, reflexhaft Stellen zu streichen, wenn gleichzeitig immer neue Aufgaben auf die Verwaltungen abgewälzt werden. Was wir brauchen, ist eine grundsätzliche Debatte: Was soll der Staat künftig leisten – und was vielleicht nicht mehr? Wir fordern, dass Politik hier Klartext spricht. Lieber ein durchdachtes Gesetz, das tatsächlich umgesetzt wird, als ein Sammelsurium an Vorschriften, die niemand kontrollieren kann. Bürokratieabbau beginnt mit Aufgabenkritik, nicht mit Personalabbau.
dbb europathemen: Der Ton gegenüber Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist rauer geworden. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Volker Geyer: Das ist ein Alarmsignal. Wenn Polizisten, Lehrkräfte oder Verwaltungsangestellte zunehmend Anfeindungen und sogar Gewalt erleben, dann haben wir ein gesellschaftliches Problem. Das ist nicht nur eine Frage der Sicherheit, sondern auch des Respekts. Wir brauchen eine breite Debatte darüber, wie wir den Wert staatlicher Arbeit wieder ins öffentliche Bewusstsein rücken – und dazu gehört auch, dass der Staat seine Beschäftigten besser schützt und angemessen ausstattet.
dbb europathemen: Welche Themen möchten Sie in Ihrer neuen Rolle bei der CESI auf europäischer Ebene besonders vorantreiben?
Volker Geyer: Ein zentraler Punkt ist der Schutz öffentlicher Strukturen in allen Mitgliedstaaten. In Zeiten von Populismus, Desinformation und wachsender Politikverdrossenheit müssen wir uns auf den öffentlichen Dienst als Stabilitätsanker verlassen können. Die CESI ist eine starke Plattform, um unsere Interessen gebündelt zu vertreten – sei es bei Arbeitsbedingungen, sozialem Dialog oder Digitalisierung. Ich freue mich darauf, gemeinsam mit unseren europäischen Partnern für einen zukunftsfähigen öffentlichen Dienst einzutreten.
Europa braucht den öffentlichen Dienst – nicht als Kostenfaktor, sondern als Motor für sozialen Frieden, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Stabilität. Das gilt national wie europäisch. Jetzt ist die Zeit, nicht nur zu fordern, sondern zu gestalten. Dafür stehe ich.