• Politisches Frühstück zu Equal Care

Frauenpolitik in Zeiten von Corona

dbb frauen fordern Solidarpakt „Equal Care“

Vor allem Frauen sind Leidtragende unfair verteilter Sorgearbeit. Die dbb frauen wollen das ändern und fordern einen Solidarpakt von Politik, Wirtschaft und Verwaltung, der die Abkehr von geschlechterstereotypen Vorstellungen bei der Organisation von Erwerbsarbeit verfolgt.

„Sorgearbeit geht Männer und Frauen gleichermaßen an. Deshalb müssen wir darauf hinwirken, dass sie in Zukunft auch gleichmäßig zwischen den Geschlechtern verteilt wird. Wir sehen das nicht als rein privaten Aushandlungsprozess, der innerhalb der Familie stattfindet. Unbezahlte Sorgearbeit ist eine wichtige Säule unserer Gesellschaft. Damit stehen politische und wirtschaftliche Akteure ebenso in der Pflicht, sich an diesem Aushandlungsprozess zu beteiligen“, erklärte Milanie Kreutz, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, am 10. März 2021 im Rahmen eines digitalen politischen Frühstücks mit Abgeordneten des Bundestages. Um diese Mammutaufgabe stemmen zu können, warb Kreutz für eine konzertierte „Aktion Equal Care“, bei der Politik, Verwaltung und Arbeitgebende mit den Gewerkschaften den Schulterschluss wagen.

Neben familienpolitischen Maßnahmen, wie etwa der Einführung bezahlter Freistellungszeiten für Väter nach der Geburt eines Kindes, forderte Kreutz die Normalisierung von Homeoffice und mobilem Arbeiten. Dafür die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, sei maßgeblich, um Familien bei der Aufteilung der privaten Sorgetätigkeiten zu unterstützen. „Eltern brauchen hier den gesetzlichen Rückhalt, um dem enormen Präsenzdruck im Job trotzen zu können“, so Kreutz. Darüber hinaus könnten öffentliche und private Arbeitgebende ihrerseits einen großen Beitrag leisten, indem sie eine familienfreundliche Arbeitskultur etablierten, in der Leistung nicht mit Arbeitszeit gleichgesetzt werde und Beschäftigten mehr Freiheit bei der Einteilung ihrer Arbeitszeiten ermöglicht werden, wo es die jeweilige Tätigkeit erlaube.

Neisse-Hommelsheim: Homeoffice darf nicht verordnet werden

Carla Neisse-Hommelsheim, stellvertretende Vorsitzende der CDU Frauen-Union, sieht die Politik in der Pflicht, den Weg zur Aufteilung der Care-Arbeit vor allem für Männer möglichst attraktiv zu gestalten. Erreichen ließe sich dies aus Sicht der CDU-Politikerin über Doppelverdiener-Arrangements. Aber auch Homeoffice biete Chancen. „Arbeitnehmende müssen entscheiden dürfen, wie sie arbeiten wollen. Das Arbeiten von zu Hause aus darf ihnen nicht verordnet werden. Deshalb ist die Politik auch hier gefordert, einen geeigneten gesetzlichen Rahmen zu schaffen. Den Arbeitnehmenden muss auch ein Recht auf Rückkehr ins Büro eingeräumt werden“, betonte Neisse-Hommelsheim.

Zimmermann: Gewerkschaften müssen mitgestalten  

Sabine Zimmermann, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sieht in der Sorgearbeit einen wesentlichen Baustein der Gesellschaft. Gleichzeitig warnte sie aber davor, Homeoffice zur alleinigen Lösung der Problematik zu überhöhen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Pandemie die Gleichberechtigung der Frauen weit zurückgeworfen hat. Die Möglichkeit zum Homeoffice ist hier nur eine Scheinlösung: Alles, was Frauen zu Hause tun, muss an die Öffentlichkeit gebracht und bewertet werden. Arbeitgeber und Politik dürfen hier nicht aus der Verantwortung genommen werden“, so Zimmermann. Vielmehr hält sie ein Umdenken bei der Organisation von Arbeit für unausweichlich. „Die Arbeitsbedingungen müssen so verändert werden, dass Familien nicht um das Arbeiten herum planen müssen. Was spricht gegen eine Vier-Tage-Woche?“ Diesen Prozess müssten zuerst die Gewerkschaften anstoßen und an ihrer Basis diskutieren. Die Ergebnisse dieser Diskussion sollten dann an die Politik hochgereicht werden. 

Schnerring und Verlan: Care-Arbeit ist keine Gratis-Ressource

Sascha Verlan und Almut Schnerring, Initiatorinnen des Equal Care Day, benannten das Gender Care Gap als Hauptursache für geschlechterbedingte Verdienstunterschiede und die daraus resultierenden Folgen für Frauen, Vermögen aufzubauen. Noch immer werde so getan, als sei die Aufteilung der Sorgearbeit in Familien ein rein privates Problem, kritisierte Schnerring. Gesetzliche und arbeitmarktspolitische Strukturen, die klassisches Rollenverhalten in Familien unterstützten, würden größtenteils ignoriert. „Es braucht ein Bewusstsein dafür, dass Care-Arbeit als Gratis-Ressource für wirtschaftlichen Gewinn abgeschöpft werden kann. Das ist ein Trugschluss, denn ohne Care-Arbeit gibt es keinen wirtschaftlichen Fortschritt“, betonte Schnerring. Darüber hinaus verdeutlichte Verlan, wie wichtig die Schule für die Ausbildung eines partnerschaftlichen Rollenverständnisses in Familien sei. Schulbildung sei noch immer sehr auf die Berufsausbildung und die erfolgreiche Erwerbsarbeit ausgerichtet. „Wir haben ein Leben neben dem Beruf, das besteht aus Sorge für sich selber, aber auch für andere. Es muss Bildungsziel werden, dass wir nicht nur erwerbstätig sein sollen, sondern dass zur Zufriedenheit auch eine Care-Biografie gehört. Vor allem Jungen muss ermöglicht werden, eine Care-Biografie zu entwickeln“, so Verlan.

BMFSFJ: Bundesgleichstellungsbericht gibt Richtung vor

Aufbauen auf den Ergebnissen des Zweiten Bundesgleichstellungsberichts arbeite das Bundesministerium für Familie Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) daran, das Thema der Vereinbarkeit von privater Sorgearbeit und Erwerbsarbeit gesellschaftlich zu adressieren, erläuterte Sven Paul, Referent in der Abteilung Gleichstellung des BMFSFJ. Neben der Bündelung und Auswertung wirksamer Maßnahmen setze das Familienministerium darauf, die gesellschaftliche Relevanz und gleichstellungpolitische Bedeutung von Sorgearbeit hervorzuheben. Schwierig zu erfassen sei jedoch der Aspekt der „Sorgeverantwortung“, der sogenannte Mental Load, der mit der Organisation der einzelnen Aufgaben einhergehe. Die Verantwortung gerecht aufzuteilen, lasse sich politisch schwerer steuern als die Zeit, die für Tätigkeiten aufgewendet werden. „Wir stehen aber noch ganz am Anfang, wie man das politisch diskutiert und in Maßnahmen umsetzt“, machte Paul deutlich.

 

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