Aktuelle Mindestlohndebatte – dbb rät zur Besonnenheit
In der aktuellen Debatte um die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns anlässlich der laufenden Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene hat Willi Russ, Zweiter Vorsitzender des dbb und Fachvorstand Tarifpolitik, am 14. November 2013 in Berlin den Verhandlungspartnern von CDU, CSU und SPD zur Besonnenheit geraten und vor Schnellschüssen gewarnt.
Die Koalitionsverhandlungen dauern an und beherrschen Tag für Tag die Schlagzeilen. Während ein Ende der Verhandlungen und damit eine Regierungsbildung derzeit noch nicht abzusehen sind, deuten sich doch in einigen Bereichen bereits mögliche Inhalte einer Koalitionsvereinbarung an. Ein Thema, das zumindest für die SPD ganz oben auf der Agenda steht, ist eine Vereinbarung zum Mindestlohn. Während die SPD auf ihrer Forderung beharrt, einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro einzuführen, kommen von anderer Seite auch warnende Stimmen, die mit negativen Folgen für den Arbeitsmarkt und die wirtschaftliche Entwicklung rechnen.
„Dass überhaupt so ausführlich und tiefgehend über auskömmliche Entgelte für alle Beschäftigten diskutiert wird, begrüßen wir ausdrücklich. Für den dbb ist klar, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihrer Arbeit leben können müssen und nicht zu Dumpinglöhnen ausgebeutet werden dürfen. Es ist unsere klare Position, dass in allen Branchen Mindestlöhne vereinbart werden müssen“, erklärte Willi Russ. „In der Diskussion kommt aus unserer Sicht allerdings bisweilen die Ausgewogenheit der Argumente etwas zu kurz. Darüber, ob es sinnvoll ist, flächendeckend und in allen Branchen einen einheitlichen Mindestlohn durch den Gesetzgeber einseitig festlegen zu lassen, der vergleichsweise hoch ist, muss man zumindest offen diskutieren können, ohne gleich als unsozial abgestempelt zu werden“, führte Russ weiter aus. „Die Befürchtung einiger Ökonomen, dass ein zu hoch bemessener Mindestlohn in einzelnen Bereichen zu einer Überforderung der Arbeitgeber und damit zu Arbeitsplatzverlusten führen könnte, muss zumindest ernst genommen werden. Was für eine Branche passt, muss noch lange nicht für alle anderen Branchen passen. Wenn ein flächendeckender Mindestlohn am Ende zu Rückschritten am Arbeitsmarkt führt, ist niemandem geholfen. Auch wenn die Koalitionäre einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn vereinbaren sollten, sind sie gut beraten, auf das Wissen und die Erfahrung der Tarif- und Sozialpartner in den verschiedenen Bereichen zurückzugreifen. Als Vorbild kann hier Großbritannien dienen, wo eine unabhängige Kommission aus Gewerkschaften, Arbeitgebern und Wissenschaftlern Vorschläge zur Entwicklung des Mindestlohns unterbreitet und dabei mögliche Konsequenzen in allen Branchen im Blick hat. Die Sozialpartner sind diejenigen, die am nächsten an den Arbeitsverhältnissen dran sind. Sie müssen die Möglichkeit bekommen, die Entwicklung eines Mindestlohns zu steuern und bei Fehlentwicklungen flexibel zu reagieren.“