dbb Chef will kräftiges Einkommensplus für öffentlichen Dienst

Interview mit dem dbb Bundesvorsitzenden Ulrich Silberbach im Weser Kurier vom 31. Januar 2018.

 

Herr Silberbach, möchten Sie in Bremen Beamter sein?

 

Ich möchte überall in der Bundesrepublik gerne Beamter sein, denn der Grundsatz, dass das Berufsbeamtentum wertvoll ist, der gilt überall, auch in Bremen. Allerdings würde ich an den Arbeitsbedingungen, insbesondere an denen in Bremen, etwas verändern.

 

Ich dachte schon, Sie würden verschweigen, dass Beamte in Bremen deutlich weniger verdienen als zum Beispiel ihre Kollegen in Niedersachsen - von Bayern, Baden-Württemberg und dem Bund ganz zu schweigen. Wäre es nicht besser, zu einem einheitlichen Besoldungsrecht zurückzukehren?

 

Ginge es nach uns, dann würden wir das sofort tun. Das war immer unsere Grundüberzeugung, auch schon 2006, als die Föderalismusreform in Kraft trat.

 

Seitdem können Bund wie Länder entscheiden, ob und in welchem Umfang sie die Tarifabschlüsse des öffentlichen Dienstes für ihre Beamten übernehmen.

 

Genau. Dies aber jetzt wieder zu ändern, ist wahnsinnig schwer. Es ist ja nicht damit zu rechnen, dass die Beamten in Bayern freiwillig auf ihre im Vergleich zu anderen Bundesländern überdurchschnittliche Besoldung verzichten. Dort ist die Welt ja in Ordnung. Wir vom Beamtenbund würden diese Kleinstaaterei jedoch gerne wieder ad acta legen.

 

Bremer Beamte liegen bei einem Ländervergleich im Mittelfeld, an letzter Stelle liegt Berlin. Wie sollen finanzschwache Länder, und dazu gehört Bremen nun einmal, bei diesem Kampf um die besten Köpfe konkurrieren?

 

Da ist Ideenreichtum gefordert. Sicherlich müssen sie an die Besoldung heran, die Steuereinnahmen sprudeln nun einmal. Und auch das Land Bremen steht nicht mehr so schlecht da, wie vor vier, fünf Jahren. Es muss also verstärkt schauen, was denn Konkurrenzländer im Norden, zum Beispiel Niedersachsen, für ihre Beamten zahlen. Und Bremen sollte auch über neue Wege nachdenken, um dringend benötigte Beamte dennoch zu holen. Einige Länder werben zum Beispiel mit vergünstigt zur Verfügung gestelltem Wohnraum. Wenn man also wirklich attraktive Arbeitsbedingungen anbieten will, dann gibt es viele Möglichkeiten, dies zu tun. Es ist nicht immer nur die nackte Besoldung. 

 

Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert macht seit vielen Jahren keinen Hehl daraus, dass sie Gehaltsanpassungen an ihre Beamten immer nur zeitverzögert und zum Teil auch vermindert weitergibt. In Bremen werden also über die Beamtengehälter Personalkosten eingespart. Sind Beamte nicht gegenüber ihrem Dienstherrn viel zu wehrlos?

 

Nein, sie sind nicht wehrlos, aber sie sind staatstragend, und das ist der Unterschied. Das heißt nicht, dass Beamte Opferlämmer sind, sie pochen durchaus auf ihre Rechte und möchten entsprechend angemessen alimentiert werden. Aber Beamte sehen sich eben auch in der Verpflichtung dem Staat gegenüber. Das setzt voraus, dass der Staat seiner Fürsorgepflicht für sie nachkommt. Dazu zählt eben die angemessene Besoldung.

 

In einer idealen Welt funktioniert das, in Bremen nicht.

 

Ich weiß, dass das für den Stadtstaat Bremen - ich spreche jetzt bewusst nicht vom Land Bremen – eine große Herausforderung ist. Ich glaube, wir können im Moment an den kleineren Stellschrauben, die Bremen hier zur Verfügung stehen, so viel drehen wie wir wollen: Wir kommen aus der Abwärtsspirale nicht raus.  Also muss sich Bremen etwas überlegen, zum Beispiel die Kleinstaaterei aufzugeben und sich einem größeren Bundesland, zum Beispiel Niedersachsen, anzuschließen... 

 

Jetzt machen Sie aber ein richtiges Fass auf…

 

Aber das ist nun einmal die reale Welt. Ich kann nicht sagen: Wasch mich, aber mach mich nicht nass. Ich muss dann mit der Konsequenz leben, dass ich als Stadtstaat nicht aus eigener Kraft diese Finanzlasten tragen kann. Dann muss ich auch an den Bundesgesetzgeber herantreten, muss den Länderfinanzausgleich anders verhandeln. Das Grundgesetz schreibt nun einmal gleiche Lebensbedingungen in allen Bundesländern vor, das gilt auch für Stadtstaaten. Gesetzgeber, Bund und Land müssen sich also gemeinsam auf den Weg machen.

 

Ich habe Sie nach der Wehrlosigkeit natürlich auch vor dem Hintergrund der Klage um ein Streikrecht für Beamte gefragt, die jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wird. Warum kein Streikrecht, Herr Silberbach?

 

Wir halten unter anderem auch deshalb so strikt dagegen, weil wir am Beispiel Hamburg sehen, was die Politik mit einer solchen Diskussion gerne betreibt.

 

Nämlich?

 

Gerade die sozialdemokratisch regierten Länder möchten ein Einfallstor für die Abschaffung des Berufsbeamtentums schaffen. Dazu gehören das Thema gesetzliche Krankenversicherung für Beamte und das Thema Streikrecht. Würden wir als Beamtenbund das zulassen, würde sofort das gleiche Land oder auch der Bund sagen: Wenn ihr das wollt, dann müsst ihr aber auch in Kauf nehmen, dass die Fürsorgepflicht des Dienstherrn feilgeboten wird. In der Konsequenz wäre das Berufsbeamtentum dann nur noch eine leere Hülle.

 

Keine Frage: Vom Staat alimentierte Beamte sichern hoheitliche Aufgaben, zum Beispiel Polizei, Zoll, Justiz. Aber braucht Deutschland wirklich 1,8 Millionen Beamte?

 

Warum hat Deutschland so viele Aufgaben für seine Beamten? Wir haben uns immer an die Spitze der Bewegung gesetzt, wenn es um das Thema Bürokratieabbau in Deutschland geht. Es gab von uns in dieser Debatte nie ein No-Go, sondern immer das Angebot: Lasst uns drüber reden, welche Aufgaben der Staat sich erlauben will und muss. Also müssen Sie Ihre Frage an die Politik richten.

 

Würde die Politik also Wege aufzeigen, die über den Abbau von Bürokratie auch einen Abbau von Beamtenstellen ermöglichen würden, wäre der dbb kein Hemmschuh?

 

Die Messlatte ist nicht irgendein Personalabbau, sondern ein funktionsfähiger öffentlicher Dienst.

 

Kommen wir zum Schluss zur anstehenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst für den Bund und die Kommunen. Sie haben angedeutet, „etwas kräftiger zulangen“ zu wollen. Werden sich Verdi und dbb am 8. Februar in Berlin, wie schon die Metaller, auf eine Sechs vor dem Komma festlegen?

 

Ich werde Ihnen keine Zahl nennen. Klar ist aber bereits jetzt, dass in dieser Tarifrunde der Schwerpunkt auf einem satten Gehaltsplus liegen wird. Es wird nicht mehr nur um einen Inflationsausgleich gehen, sondern es soll um ein deutliches Mehr auf dem Gehaltskonto gehen. Und natürlich schauen wir auch auf die anderen Tarifbereiche: Die Zahl Sechs ist da gerade in aller Munde. Eines will ich aber betonen: Die Kolleginnen und Kollegen haben sich ein deutliches Plus nach all den Jahren des Verzichts und der besonderen Belastungen wegen der engen Personallage mehr als verdient.

 

Die Lage ist günstig für Tarifverhandlungen: Die öffentlichen Haushalte profitieren von stabilen Steuereinnahmen. Aber würden sie mit einer Sechs vor dem Komma nicht die Akzeptanz der Öffentlichkeit verspielen? Der öffentliche Dienst ist nun einmal nicht vergleichbar mit der Metallbranche?

 

Nein, mit der Metallbranche nicht, aber Arbeitskräfte sind Arbeitskräfte. Und die Umfragen, die wir in Auftrag geben, zeigen uns: Die Bürger merken, dass der öffentliche Dienst auf Kante genäht ist. Und dass die Beschäftigten dort besonderen Belastungen ausgesetzt sind. Ich nenne nur das Thema Gewalt gegenüber diesen Menschen, die im Dienst der Menschen stehen. Die Akzeptanz der Öffentlichkeit für unsere Forderungen ist also vorhanden.    

 

Sie beziffern die Personallücke im öffentlichen Dienst mit bis zu 200.000 Mitarbeitern. Weniger finanzkräftige Kommunen werden nach einem kräftigen Gehaltsplus dann sicher nicht auch noch mehr Personal einstellen, oder?

 

Immer wieder ist uns vorgerechnet worden: Ihr müsst weniger werden, dann werdet ihr auch wieder besser bezahlt. Diese Rechnung ist bis heute nicht aufgegangen, im Gegenteil: Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, sowohl Angestellte wie Beamte, haben immer nur zur Haushaltskonsolidierung beigetragen. Ihre Arbeit aber haben sie trotzdem gemacht. Nirgendwo ist ein Rathaus geschlossen worden, die Versorgungswerke haben Strom geliefert, wir hatten keinen Shutdown, wie in Amerika. Also bleibe ich dabei: Die Kolleginnen und Kollegen haben sich ein Lohnplus mehr als verdient, und dafür werden wir mit aller Macht kämpfen.

 

Die Tarifpartner im öffentlichen Dienst schaffen es jedes Mal, sich schon vorher auf feste Verhandlungstage festzulegen. Warum gelingt das Arbeitgebern und Gewerkschaften in den anderen Branchen nicht? Hier sitzen Arbeitgeber manchmal Tarifrunden regelrecht aus. 

 

Das liegt am großen Verantwortungsbewusstsein beider Tarifparteien. Wir auf der Gewerkschaftsseite wissen was passiert, wenn wir das Land kaputt streiken. Es fällt zwar gerade nicht auf, dass wir keine Regierung haben. Wenn es aber den öffentlichen Dienst nicht mehr gäbe, das würde schon auffallen, selbst wenn es nur zwei oder drei Wochen wären. Die Arbeitgeber sehen das übrigens genauso. Auch sie wissen, dass sie es sich mit den Gewerkschaften nicht verscherzen dürfen, wenn sie dieses Land nicht ins Chaos stürzen wollen.

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