„Das wird ein hartes Ringen“

Interview mit Willi Russ, Vizechef des dbb beamtenbund und tarifunion in der Wirtschaftswoche vom 15. Januar 2016.

 

Herr Russ, Ihre Gewerkschaft will in der anstehenden Tarifrunde spürbare Lohnzuwächse durchsetzen. Auf welche konkrete Forderung müssen sich die öffentlichen Arbeitgeber einstellen?

 

Willi Russ: Die genaue Höhe diskutieren wir in den kommenden Wochen mit unserer Basis. Klar ist: Der öffentliche Dienst darf nicht von der Lohnentwicklung in der Privatwirtschaft abgekoppelt werden. Er muss auch angesichts der demografische Entwicklung ein attraktiver Arbeitgeber bleiben. Insofern gibt es durchaus Nachholbedarf.

 

Nachholbedarf? Der Abschluss 2014 lag bei immerhin 5,4 Prozent über zwei Jahre.

 

Ja, aber die Arbeitsbelastung hat – auch angesichts der Flüchtlingswelle – für viele Beschäftigte deutlich zugenommen. Das muss sich im Gehalt widerspiegeln.

 

Die Beschäftigten der Länder bekommen ab März 2,3 Prozent mehr Geld. Eine Hausnummer auch für Bund und Kommunen?

 

Sagen wir es so: Ab diesem Wert beginnt mein Appetit.

 

Müssen sich die Bürger nach den massiven Kita-Streiks 2015 schon wieder auf einen Arbeitskampf einstellen?

 

Es gehört sich nicht, vor Beginn einer Tarifrunde mit Streiks zu drohen. Aber kein normaler Gewerkschafter schließt Arbeitskämpfe prinzipiell aus. Ich tue das auch nicht. Wenn uns die Arbeitgeber kein vernünftiges Angebot vorlegen, gehen wir irgendwann auf die Straße, ist doch klar.

 

Jeder Prozentpunkt mehr Lohn kostet die Kommunen rund 760 Millionen Euro jährlich. Woher soll das Geld kommen – etwa aus höheren Steuern und Gebühren?

 

Die Finanzprobleme des Staates können nicht auf dem Rücken der Beschäftigten gelöst werden. Und so schlecht sind die Steuereinnahmen derzeit ja auch nicht. Ein leistungsfähiger öffentlicher Dienst kostet nun mal Geld, das müssen wir den Bürgern deutlich machen – gerade in der derzeit schwierigen Situation und angesichts der Debatten um innere Sicherheit.

 

Geht es in der Tarifrunde diesmal nur ums Geld oder auch um Sachthemen?

 

Vergangene Tarifrunden waren oft überfrachtet, da hatten wir einen Bauchladen mit bis zu zehn strukturellen Forderungen. Das ist nun anders. Wir haben uns mit den Arbeitgebern auf ein Procedere geeinigt, Detailfragen künftig außerhalb von Tarifrunden zu besprechen. 2016 steht daher das Geld im Mittelpunkt. Außerdem wollen wir durchsetzen, dass Auszubildende künftig unbefristet übernommen werden. Derzeit gibt es meist nur Jahresverträge. Das wird ein hartes Ringen, aber die Befristung von Stellen im öffentlichen Dienst hat ein unsägliches Ausmaß erreicht. Nach einer neuen Studie liegt der Anteil über 15 Prozent und damit deutlich über dem Niveau in der Privatwirtschaft.

 

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat diese Zahl in dieser Woche relativiert. Befristete Aufgaben müssten nun mal von befristet Beschäftigten erledigt werden.

 

Das sehe ich anders. Wichtig ist, gute Leute zu bekommen und zu halten. Es gab schon vor der Flüchtlingskrise eine personelle Unterdeckung im öffentlichen Dienst von rund 180 000 Leuten. Im Gesundheitsdienst etwa fehlen rund 2000 Ärzte. Immer stärker schlägt auch die Demografie durch. Wenn künftig irgendwo weniger Personal nötig ist, können Sie viele Beschäftigte an anderer Stelle unterbringen. Diese Flexibilität muss ich von den Beschäftigten natürlich erwarten können.

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