"Mütterrente auch für Beamtinnen"

Interview mit dem dbb Bundesvorsitzenden Klaus Dauderstädt in der Rheinischen Post vom 11. Januar 2015.

 

Bei der Jahrestagung in Köln tritt mit Norbert Walter-Borjans auch ein Vertreter der NRW-Landesregierung auf. Diese ist für die geplante Nullrunde für höhere Beamte in die Kritik der Staatsdiener geraten. Was kann der Minister von Ihnen erwarten: den Frontalangriff oder nur ein bis zwei spitze Bemerkungen?

 

Klaus Dauderstädt: Er bekommt mehr als spitze Bemerkungen ab. Denn wir sind sehr verwundert, wenn Landesregierungen und Landesparlamente sich immer noch öfter von der Justiz sagen lassen müssen, wie eine vernünftige Besoldung auszusehen hat. Es gibt zwar keinen rechtlichen Automatismus, dass das Ergebnis bei Tarif und Besoldung bis auf das Komma identisch sein muss, hier gibt es Spielräume. Aber die Nullrunde in NRW war völlig überzogen.

 

Der Verhandlungsführer der Länder macht Ihnen aber wenig Hoffnung, dass sich an der Abkopplung der Beamten von den Tarifbeschäftigten etwas ändern wird.

 

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in Münster hat gezeigt, dass die Spielräume sehr eng geworden sind. Das dürften auch die Finanzminister verstanden haben. Sie werden bei der Tarifrunde immer im Hinterkopf haben, was eine Übertragung auf die Beamten bedeutet. Deshalb werden dies extrem schwierige Gespräche.

 

Wie wollen die Beamten die Länder unter Druck setzen?

 

Wenn die Arbeitgeber uns dazu Anlass geben, werden wir spätestens nach der Vorlage des ersten Angebots Farbe bekennen müssen. Sollten die Tarifbeschäftigten dann in den Warnstreik treten, werden sich auch Beamte und Pensionäre bei den Demonstrationen auf den Straßen und Plätzen dieses Landes zeigen müssen – allerdings nicht im Sinne eines Streiks.

 

Geben Sie es zu: Bei einer Haltung wie der NRW-Regierung haben Sie sich doch manchmal insgeheim ein Streikrecht für Beamte gewünscht.

 

Nein. Wer Streikrecht für Beamte haben will, gibt den eigentlichen Status preis. Das Streikverbot ist die Kehrseite der Medaille, auf der anderen steht die Alimentationzusage des Dienstherrn.

 

Sie fordern in den laufenden Tarifverhandlungen 5,5 Prozent, mindestens jedoch 175 Euro mehr im Monat. Die Inflationsrate lag zuletzt bei 0,2 Prozent. Das passt nicht zusammen.

 

Natürlich berücksichtigen wir auch die Inflation und die wirtschaftliche Entwicklung. Auf der anderen Seite müssen wir aber eine gewisse Parallele mit den Abschlüssen bei Bund und Kommunen wahren. Es ist schlimm genug, dass die Länder allein verhandeln wollen. Ich sehe darin auch eine gewisse Ironie: Der Gesetzgeber plant ein Gesetz zur Tarifeinheit und will die Gewerkschaften zwingen, gemeinsam Abschlüsse hinzubekommen. Und was macht er selbst? Er zerfleddert das System – eine sehr bedrohliche Entwicklung.

 

Wie schnell werden Sie mit den Tarifverhandlungen fertig?

 

Wenn’s gut geht, in der dritten Runde. Es gibt ja ein Druckmittel: Weil es – anders als bei Bund und Kommunen - keine Schlichtungsvereinbarung gibt, wäre für die Länderarbeitgeber das Risiko sehr groß, dass bei einem Scheitern nach der dritten Runde unmittelbar Urabstimmung und Arbeitskampf drohen. Würden die Arbeitgeber entgegen den üblichen Gepflogenheiten in der ersten Runde ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegen, könnten wir sogar noch schneller fertig werden.

 

Woher soll das Geld für Ihre Forderung angesichts der Schuldenbremse kommen?

 

Die Politik muss definieren, wie viel Personal wir für Polizei, Schulen und Finanzverwaltung benötigen. Sind die Bereiche schlecht ausgestattet, führt das zu Nachwuchsproblemen. Das stellt die Funktionsfähigkeit des Staates infrage. Bei Lebensmittel- und Gesundheitskontrollen ist das Defizit schon heute spürbar. Der Schutz der Bürger ist damit in Gefahr.

 

Beim Thema Personalnot sprechen Sie seit nunmehr einem Jahr von einem drohenden Tsunami, der auf uns zurast. Wann trifft die Welle auf Land?

 

Der Tsunami hat schon einige Breschen in die Küstenlandschaft geschlagen. Eine Ebola Epidemie würde uns völlig überfordern. Beim Arbeitsschutz fehlen Ingenieure, bei der Lebensmittelkontrolle an den Flughäfen gibt es allenfalls noch Stichproben. Ein Gros der Lebensmittelbetriebe wird statistisch gerechnet nur alle 100 Jahre kontrolliert. Erst wenn der nächste Skandal da ist, wird die Frage nach der staatlichen Aufsicht gestellt. Dann ist es aber zu spät.

 

Verbauen Sie aber nicht gerade ihrer hohen Lohnforderung den Weg für mehr Personal?

 

Das gilt nur, wenn das Finanzvolumen als feste Größe betrachtet wird. Wir müssen die Personaltöpfe aufstocken. Wenn wir die Gehälter nicht zeitgemäß weiterentwickeln, dann bekommen wir irgendwann keinen Nachwuchs mehr.

 

In einer Studie von Ernst & Young gaben 32 Prozent der deutschen Studenten den öffentlichen Dienst als Wunscharbeitgeber an. Klingt gar nicht so dramatisch.

 

Wenn Sie ein Vorstellungsgespräch mit Ärzten oder Ingenieuren oder IT-Fachleuten führen, dabei die interessanten Aufgaben schildern und am Ende über die Bezahlung reden, dann ziehen der Bewerber ihre Augenbraue kurz hoch und entscheiden sich für die Privatwirtschaft.

 

Wäre es sinnvoll, auch auf Landeseben ein Fachkräftegewinnungsgesetz nach Vorbild des Bundes einzuführen, um dringend benötigten Fachkräften bei einer Verbeamtung mehr zu bezahlen als üblich?

 

Ja, wir werden eine Reihe solcher Gesetze bekommen. Anders geht es nicht. Bei den Beamten kann der Staat nicht wie im Tarifbereich einfach ein Schippchen drauf legen. Und auch das Fachkräftegewinnungsgesetz beim Bund wird nachgebessert werden müssen. Da muss es möglich sein, deutlich mehr als bislang für Beamte in Mangelberufen zu zahlen.

 

Welche „soften Angebote“ könnte der Staat potenziellen Bewerbern machen?

 

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist da ganz wichtig. Das werden wir in den kommenden Jahren noch stärker einfordern.

 

Warum haben Sie das nicht schon in dieser Tarifrunde getan?

 

Das ist kein Thema für eine Einkommensrunde. Das sind aber alles Dinge, die wir im Zuge der Demografiestrategie der Bundesregierung in einer Arbeitsgruppe diskutieren. Der nächste Gipfel kommt im laufenden Jahr. Dann werden wir konkrete Vorschläge machen.

 

Woher sollen die benötigten Fachkräfte stammen?

 

Ich könnte mir ein Modell analog zu den Bundeswehrhochschulen vorstellen, bei denen sich die Studenten im Gegenzug für die Ausbildungsfinanzierung für eine gewisse Zeit beim öffentlichen Dienst verpflichten. Und wir sollten uns noch mehr um Frauen, Migranten, ältere Fachleute, Langzeitarbeitslose und Menschen mit Behinderung bemühen.

 

Wie steht es um diejenigen, die bereits heute im ÖD beschäftigt sind? Inwieweit stimmt das Bild vom ausgebrannten Staatsdiener?

 

Das mag für den einen oder anderen zutreffen. Die Politik lässt sich immer neue Aufgaben einfallen, etwa bei der Zollverwaltung. Die ist für die Kontrolle von Mindestlohn und Maut gar nicht personell ausgestattet. Eigentlich müsste man einige Tausend neue Mitarbeiter einstellen. Dafür fehlt aber das Geld. Wir hatten auch eine enorme Arbeitsverdichtung und damit Häufung von Burn-out-Fällen bei Lehrkräften. Dass aber alle Beschäftigten ausgebrannt sind, glaube ich nicht.

 

Wohl kein anderer Tarifkonflikt hat in den letzten Monaten für so viel Aufmerksamkeit gesorgt, wie der Ihrer Mitgliedsgewerkschaft GDL.

 

Ja, und trotz der Einigung für das vergangene Jahr ist der Kern des Problems leider immer noch nicht gelöst. Aber die Bahn redet nun endlich auch mit der GDL über Sachfrage und nicht mehr nur über Formalien. Das begrüße ich sehr. Ich halte es dennoch für möglich, dass das am Ende die Gespräche wieder scheitern und wir neue Arbeitskämpfe bekommen werden.

 

Die Politik will Konflikte wie bei der Bahn mit einem Gesetz zur Tarifeinheit verhindern. Wo wäre der DBB von einem solchen Gesetz noch betroffen?

 

Bei Post und Telekom, bei den kommunalen Arbeitgebern, bei den Rundfunk- und Fernsehinstitutionen und bei der Bundesbank. Letztlich ist aber auch die Zusammenarbeit zwischen DBB mit Verdi bei Bund, Ländern und Kommunen nicht zwingend für die Ewigkeit bestimmt. Sollte die Vereinbarungsabsprache scheitern, müsste Bundesinnenminister Thomas de Maizière künftig mit DBB und Verdi separat verhandeln. Und da der Bund kein einheitlicher Betrieb ist, müsste von Haus zu Haus definiert werden, wer die stärkere Gewerkschaft ist. Das kann niemand wollen.

 

De Maiziere ist auch zu Gast bei der Jahrestagung. Was werden Sie ihm noch mit auf den Weg geben?

 

Tarifbeschäftigte Frauen, die Kinder vor 1992 geboren haben, haben zukünftig einen Anspruch auf die Mütterrente. Es ist überhaupt nicht in Ordnung, dass Beamtinnen hier leer ausgehen sollen. Andrea Nahles hat bei Einführung der Mütterrente Kärtchen verteilen lassen, auf denen stand: „Mutti hat’s verdient“ und „Wir tun was Gutes für die Menschen in diesem Land“. Da frage ich: Sind Beamtinnen keine Menschen?

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