dbb Jahrestagung 2024

Silberbach: Vertrauen in den Staat muss wiederhergestellt werden

Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach hat umfangreiche Investitionen in den öffentlichen Dienst gefordert. Ein schwacher Staat gefährde die Demokratie.

Laut Umfragen gehen nur 27 Prozent der Bürgerinnen und Bürger davon aus, dass der Staat seine Aufgaben erfüllen kann. Der dbb Chef machte zum Auftakt der dbb Jahrestagung am 8. Januar 2024 in Köln deutlich: „Wenn das Vertrauen in die Politik nicht weiter schwinden soll, dann müssen den Menschen im Land klare Perspektiven aufgezeigt werden. Kein Verwalten, sondern Gestalten!“  Zur Finanzierung müssten „alle Staatsausgaben auf den Tisch, alles muss geprüft werden. Ob darüber hinaus die Schuldenbremse neu justiert oder neue Sondervermögen auf den Weg gebracht werden müssen, sei dahingestellt. Klar ist für mich: Es muss investiert werden.“ Beispielhaft nannte Silberbach mehr Geld für Bildung, Sicherheit und Infrastruktur. Seit der Gründung der Bundesrepublik habe es noch nie einen so großen Investitionsstau gegeben.

Eine aktuelle Umfrage im Auftrag des dbb hat gezeigt, dass die Bürgerferne der Politik für 64 Prozent der Bevölkerung eine der größten Gefahren für die Demokratie ist. Um das Vertrauen sowohl der Bürgerinnen und Bürger als auch gerade der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in den Staat wiederherzustellen, sei daher auch ein Wandel in der politischen Kultur notwendig. Silberbach: „Zur Wahrheit über den Vertrauensverlust gehört für mich nämlich auch, dass es oft gar nicht die konkreten Entscheidungen in Sachfragen sind, die die Menschen erschüttern, sondern das Gefühl, dass es viele Verantwortliche nicht allzu genau nehmen mit der Achtung vor dem Rechtsstaat. Verfassungswidrige Besoldung, verfassungswidrige Haushalte, immer mehr von Karlsruhe kassierte Gesetze… jede Nachwuchskraft im öffentlichen Dienst fragt sich doch, ob sie in der Ausbildung etwas verpasst hat, was da lautet ‚kreativer Umgang mit dem Recht‘.“

Auch die immer noch mangelhafte Digitalisierung der Verwaltung ist für den dbb Chef eine Ursache für den verbreiteten Frust in der Bevölkerung: „Menschen, die mit digitalen Verwaltungsangeboten zufrieden sind, bewerten auch die Leistungsfähigkeit des Staates höher – da sind wir wieder beim Punkt ‚Vertrauen‘. Allerdings halten Deutschland aktuell nur 3 Prozent der Bürgerinnen und Bürger bei der Digitalisierung für gut aufgestellt.“ Hier erwarte er endlich Fortschritte, denn die Probleme seien alle längst bekannt. „An den Beschäftigten im öffentlichen Dienst wird es jedenfalls nicht scheitern“, stellte Silberbach klar. „Ganz im Gegenteil: Die Kolleginnen und Kollegen sehen in erster Linie die Chancen für ihre Arbeit. Digitalisierung ist natürlich nicht per se besser, wenn sie schlecht umgesetzt wird. Sie ist aber ein Gewinn, wenn sie für die Beschäftigten wirklich zu einer Arbeitserleichterung führt und damit Personalressourcen für andere Aufgaben frei werden.“

Bernd Krösser, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, der die zuständige Ministerin Nancy Faeser vertrat, hat die Leistung des öffentlichen Dienstes in Deutschland gewürdigt. „Für ihre Arbeit im Dienst der Menschen überbringe ich den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes den Dank der gesamten Bundesregierung“, sagte Krösser in seiner Rede. Der Staatssekretär wies zudem darauf hin, dass ibeim Bund zuletzt enorm viele Stellen geschaffen wurden, gerade im Bereich der Bundespolizei und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Die Arbeit für den Staat sei auch weiterhin für Nachwuchs- und Fachkräfte attraktiv, zeigte sich Krösser überzeugt. Trotzdem wolle der Bund bei Aus- und Fortbildung sowie Digitalisierung noch mehr tun und besser werden. Eine Absage erteilte Krösser dagegen der Forderung nach der generellen Absenkung der Wochenarbeitszeit für Beamtinnen und Beamte des Bundes, weil diese die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes einschränken würde.

Mit Blick auf das Thema der dbb Jahrestagung („Starker Staat - wehrhafte Demokratie“) sagte Krösser, dass die Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt praktisch permanent im Krisenmodus arbeite. Dies präge auch das Gefühl der Bevölkerung, dass die Zukunft unsicherer werde. „Diese Unsicherheit ist schwierig für die Demokratie, weil die Menschen nach Orientierung suchen“, so der Staatssekretär. Gleichzeitig nehme die Diversität der Interessen in der Gesellschaft zu, was die Gesetzgebung schwieriger mache. „Deshalb sind von uns alle – auch den Interessenvertretungen – mehr Kompromisse gefragt.“

Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, hat bei der dbb Jahrestagung ebenfalls für einen handlungsfähigen Staat geworben. „Wir brauchen einen starken öffentlichen Dienst. Denn auf den ist auch in Krisen Verlass“, sagte Wüst insbesondere mit Blick auf das Hochwasser in den letzten Wochen. Ehrenamtliche und professionelle Helfende hätten gemeinsam mit den Betroffenen erfolgreich zusammengearbeitet, das habe gezeigt: „Der Zusammenhalt stimmt.“ Auch in der Silvesternacht sei es den Einsatzkräften gelungen, die Zahl der Straftaten niedrig zu halten. „Wir können dankbar sein, dass die Rettungskräfte und speziell die Polizei einen so guten Job gemacht haben.“

Das Wort des Jahres 2023 sei für ihn „Krisenmodus“, so Wüst. Die zahlreichen nationalen wie internationalen Krisen seien für alle, vor allem aber für Politik und öffentlichen Dienst, eine stetige Herausforderung gewesen. Staatliche Strukturen, neben den Verwaltungen insbesondere Schulen und Kitas, arbeiteten „am Limit“, betonte Wüst. 340.000 Menschen seien beispielsweise im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen aufgenommen worden. „Alle sagen, ‚Wir sind am Limit.‘ Es ist entscheidend, dass wir uns nicht selbst überfordern. Deshalb muss beispielsweise Migration besser gesteuert werden“, so der Ministerpräsident.

Um für zukünftige Aufgaben gerüstet zu sein, müsste der öffentliche Dienst gestärkt und für Nachwuchskräfte attraktiver gemacht werden. Neben einer verbesserten Vereinbarkeit von Beruf und Familie stehe für ihn in NRW eine Reform des Laufbahnrechts im Mittelpunkt. „Wir brauchen auch eine bunte Mischung von Kompetenzen in den Behörden“, betonte Wüst. Nur so könne Deutschland seine Aufgaben erfüllen und etwa Vorbild sein bei der Verbindung von Klimaschutz und Wohlstand. Auch für eine Reform des Planungsrechts machte Wüst sich stark: „Dieses Jahr muss das Jahr der Umsetzung sein. Deswegen brauchen wir diese Marscherleichterung.“
 

Künstliche Intelligenz (KI) wird die Arbeitswelt auch im öffentlichen Dienst revolutionieren. Welche Rahmenbedingungen notwendig sind, diskutierten renommierte Fachleute auf der Jahrestagung des dbb in Köln.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sprach in seinem Impulsvortrag darüber, dass Künstliche Intelligenz (KI) die Arbeitswelt auch im öffentlichen Dienst revolutionieren wird. Sie könne die Beschäftigten von Routinearbeiten entlasten, damit sie sich bei ihrer Arbeit auf die wichtigen Aufgaben konzentrieren können. Das sei mit Blick auf die gesamte Wirtschaft wichtig für die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Beispielsweise sei auch in der Pflege konkrete Entlastung möglich, etwa durch den Einsatz von Spracherkennungssoftware in der Dokumentation, unterstrich Heil in seinem Impulsvortrag. Zudem könne KI Arbeit sicherer machen, etwa, indem dadurch besonders gefährdete Bereiche für Arbeitsschutzkontrollen identifiziert werden. Was die Sicherheit von KI-Lösungen betrifft steht Heil auf dem Standpunkt „Trust is a must - Vertrauen ist eine Grundvoraussetzung für den erfolgreichen KI-Einsatz. Auch bei der Einführung in der Verwaltung müssen die Beschäftigten und die Personalvertretungen deshalb von Anfang an mitgenommen werden.“ Wichtig sei, dass die Regulierung risikobasiert sei – also nur da eingreife, wo es notwendig sei. „Wir wollen KI ja nicht zu Tode regulieren, sondern auch die Chancen nutzen. Klar ist aber auch: KI darf nicht zur Überwachung und Ausbeutung von Beschäftigten führen.“ Ebenso klar sei, dass die Veränderungen rasend schnell kommen werden: „Die Zukunft beginnt jetzt.“

Alle Meldungen, Videos sowie Hintergrundinformationen zur Veranstaltung in Köln gibt es auf dbb.de/jahrestagung.

 

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