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    Forum Personalvertretungsrecht 2021: dbb Chef Ulrich Silberbach
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  • Forum Personalvertretungsrecht 2021: Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium
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    Forum Personalvertretungsrecht 2021: Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid, Professor of Public and Financial Management an der Hertie School
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    Forum Personalvertretungsrecht 2021: Milanie Kreutz, Vorsitzende der dbb frauen, führte als Moderatorin durch die Tagung.
  • Forum Personalvertretungsrecht 2021: Prof. Dr. Alois Paulin von der Fakultät für Digitale Innovation und Transformation in der öffentlichen Verwaltung der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg
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    Forum Personalvertretungsrecht 2021: Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Forschungsdirektor des Zentrums für Sozialforschung Halle (ZSH)
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    Forum Personalvertretungsrecht 2021: Christine Gebler, Trainerin für Agile Methoden
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    Forum Personalvertretungsrecht 2021: Thomas Liebel, Vorsitzender HPR Bundesfinanzministerium und stellvertretender Vorsitzender BDZ Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft
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    Forum Personalvertretungsrecht: Dr. Magnus Bergmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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    Forum Personalvertretungsrecht 2021: Volker Geyer, stellvertretender dbb Bundesvorsitzender, Fachvorstand Tarifpolitik und Vorsitzender der dbb akademie
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    Forum Personalvertretungsrecht 2021: Nicole Knorz, Rechtsanwältin, Kanzlei Althoff Arbeitsrecht Remscheid.
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    Forum Personalvertretungsrecht 2021: Henrike Kaesler, Leiterin der Geschäftsstelle Ost der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS), Berlin.

13. Forum Personalvertretungsrecht

Mitbestimmung im öffentlichen Dienst: Veränderung gelingt nur gemeinsam

Der öffentliche Dienst verändert sich grundlegend. Gelingen kann dieser Prozess nur, wenn die Beschäftigten ihn mitgestalten können, ist dbb Chef Ulrich Silberbach überzeugt.

Mitbestimmung

„Die Gestaltung der Veränderungsprozesse im öffentlichen Dienst – etwa mit Blick auf den demografischen Wandel oder die Digitalisierung – kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie im Schulterschluss aller Beteiligten erfolgt und alle Beschäftigten dabei mitgenommen werden“, sagte der dbb Bundesvorsitzende bei der Eröffnung des 13. Forum Personalvertretungsrecht am 6. September 2021. Die große Bedeutung der Mitbestimmungsgremien sei längst unbestritten, wie sich während der Corona-Pandemie erneut gezeigt habe. „Die Personalräte haben zeitnah kluge Lösungen für bis dahin völlig unbekannte Fragestellungen gefunden. Damit waren sie einmal mehr starke Interessenvertretung für die Beschäftigten und verlässliche Ansprechpartner für Führungskräfte gleichermaßen.“

Obwohl die Bundesregierung das Bundespersonalvertretungsgesetz zuletzt reformiert hat, sieht Silberbach weiteren Handlungsbedarf. „Wir werden als dbb auch in der kommenden Legislaturperiode darauf drängen, dass die Rechtslage kontinuierlich an die sich rasant verändernden Rahmenbedingungen angepasst wird. Damit wir auch an dieser Stelle im öffentlichen Dienst vom „Aussitzen und weiter so“ zu einem wirklich dynamischen Miteinander und Füreinander kommen. Denn genau dafür stehen insbesondere die unter dem Dach des dbb organisierten Personalräte, die sich unermüdlich für die Kolleginnen und Kollegen einsetzen und denen dafür unser Dank gilt.“

Wie genau das Personalvertretungsrecht nach der Bundestagswahl weiterentwickelt werden soll, skizzierte der Zweite Vorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik Friedhelm Schäfer: „Es hat sich viel getan: Die elektronische Kommunikation zwischen Personalrat und Dienststelle ist zulässig. Video- und Telefonkonferenzen sind dauerhaft eine Option in der Gremienarbeit. Und bei der Einführung von Telearbeit und mobiler Arbeit können die Beschäftigtenvertretungen mitbestimmen. Das alles war überfällig. Jetzt müssen wir den Blick wirklich nach vorne richten, etwa um die Mitbestimmung beim Einsatz von künstlicher Intelligenz zu regeln.“

Auch abseits dieser großen Zukunftsthemen habe die letzte Reform längst nicht alle Probleme gelöst, machte Schäfer deutlich. „Um den veränderten Arbeitsmodellen gerecht zu werden, ist auch ein echtes digitales Zugangsrechts der Gewerkschaften zu den Beschäftigten weiterhin ganz oben auf unserer Agenda. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Die auf Empfehlung des Innenausschusses zuletzt bei der Reform aufgenommene Verpflichtung der Dienststelle, im Intranet einen Link auf den Internetauftritt der dort aktiven Gewerkschaften zu setzen, kann im 21. Jahrhundert wirklich nicht der Weisheit letzter Schluss sein.“ Neben diesen praxisnahen Baustellen seien auch grundsätzliche Fragen wie die Mitbestimmung bei ressortübergreifenden Regelungen nicht im Sinne der Beschäftigten beantwortet. Schäfer: „Die Modernisierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes bleibt deshalb auf der Agenda – auch für die nächste Legislaturperiode."

Das 13. Forum Personalvertretungsrecht am 6. und 7. September 2021 im dbb forum in Berlin findet unter dem Titel „Aufbruch – Interessenvertretung im öffentlichen Dienst der Zukunft“ statt. Die Veranstaltung beschäftigt sich nicht nur mit den Vor- und Nachteilen der Reform des Bundespersonalvertretungsgesetzes, sondern bietet den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wie gewohnt neben Vorträgen und Fachforen auch die Möglichkeit, im persönlichen Gespräch Erfahrungen auszutauschen.

Mayer lobt Krisenmanagement der Mitbestimmungsgremien

Dank des großen Engagements der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes habe Deutschland die Herausforderungen der Corona-Pandemie bislang außerordentlich gut gemeistert, unterstrich Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, und rechnete den Gremien der Mitbestimmung dabei einen wesentlichen Anteil an. Auf allen Ebenen sei man ohne Blick auf Wochentage und die Uhr unter Hochdruck im Dienst gewesen – „dafür gebühren Ihnen Dank und größter Respekt“, so Mayer in seinem Grußwort an die Teilnehmenden am 6. September 2021 im dbb forum berlin. Gemeinsam habe man es im vergangenen Jahr mit einem „Rettungspaket“ personalrechtlicher Übergangsregelungen geschafft, dass die Personalratswahlen auf Bundesebene trotz der ersten heftigen Pandemie-Welle und Lockdown sicher durchgeführt und mitbestimmungsfreie Räume vermieden werden konnten. Auch bei der zum 15. Juni dieses Jahres in Kraft getretenen Novelle des Bundespersonalvertretungsgesetzes, der ersten seit 1974, habe man konstruktiv zusammengearbeitet und die Mitbestimmung in vielen Punkten stärken können. „Freilich wurden nicht alle Wünsche seitens der Gewerkschaften erfüllt“, räumte Mayer ein, „aber ich betrachte die Novelle als Etappe auf dem Weg zum Ziel.

Digitalisierung ist Personalarbeit

Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid, Professor of Public and Financial Management an der Hertie School in Berlin, arbeitete in seinem Beitrag heraus, dass die Digitalisierung in erster Linie Personalarbeit sei und die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung nur mit Hilfe der Beschäftigten gelingen könne. Dabei komme der Mitbestimmung und deren Gremien eine tragende und entscheidende Rolle zu. „Digitalisierung und Personalarbeit gehören als wesentliche Handlungsfelder des Transformationsprozesses zwingend zusammen“, betonte der Verwaltungswissenschaftler. Die Fixierung auf abstrakte Zielgrößen wie etwa das Online-Zugangsgesetz, Künstliche Intelligenz oder Blockchain-Modelle sei falsch – „so dauert Digitalisierung ewig“, warnte er. Entscheidend für das Vorankommen sei vielmehr die zügige Digitalisierung der internen Verwaltung, die Ausstattung mit aufgabengerechter Technik und ausreichend qualifiziertem Personal. „Die Beschäftigten vollziehen den Wandel und tragen ihn nach außen, das wird viel zu oft vernachlässigt bei allen Debatten“, kritisierte Hammerschmid. So gebe es zwar mittlerweile zahlreiche CIOs – Chief Information Officers – aber kaum CPOs – Chief People Officers. „Letztere brauchen wir aber, denn nur mit Menschen schaffen wir die Transformation, mit einer klar auf nutzerorientierte Digitalisierung und agiles Arbeiten ausgerichteten Personalentwicklung und -verwaltung.“

Die Gründe, warum es in Deutschland mit der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung nur schleppend vorangeht, liegen für Hammerschmid auf der Hand: „Zu viele Hypes, zu wenig Nutzerorientierung auch den Beschäftigten gegenüber und eine zu skeptische Behördenkultur auf Führungsebene und mangelnde Ressourcen. Da hilft dann auch kein Innovationslabor“, warnte der Wissenschaftler und appellierte, effektivere Verwaltungsstrukturen mit mehr Projektmanagement und agilen, kollaborativen Arbeitsformen und -modellen zu etablieren. „Das wollen im Übrigen auch die jungen Beschäftigten, die Digital Natives, die der öffentliche Dienst gewinnen will“, zitierte der Wissenschaftler die Ergebnisse einer aktuellen Behördenumfrage: „Die wollen nicht mehr ein Berufsleben lang die gleiche Arbeit machen, die wollen Abwechslung, die wollen gestalten und teilhaben.“ Auf diese Transformation könnten und sollten die Mitbestimmungsgremien, die es in der deutschen Arbeitswelt gebe, aktiv hinwirken, ermunterte Hammerschmid. Mit Betriebs- und Personalräten als Motor könnte die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung endlich in Gang kommen und sogar über die Grenzen Deutschlands hinaus als Best Practice „exportiert“ werden.

Künstliche Intelligenz beurteilen und sinnvoll mitgestalten

In die Welt der Künstlichen Intelligenz (KI) entführte Prof. Dr. Alois Paulin von der Fakultät für Digitale Innovation und Transformation in der öffentlichen Verwaltung der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg das Auditorium. Bevor die Ausgangsfrage beantwortet werden konnte, wie Personalräte die Einführung von KI beurteilen und sinnvoll gestalten können, skizzierte der selbstbetitelte "Nerd", bei dem sogar die Schriftart seiner Präsentation auf KI basierte, den Weg der KI von der Business-Intelligence zur Personalratsarbeit und erklärte, was KI eigentlich ist und wie sie funktioniert. Ausgehend von Beispielen der Spracherkennung und der Filterung von Spam-Mails charakterisierte der Computerwissenschaftler, dass KI vereinfacht ausgedrückt darauf basiert, Wahrscheinlichkeiten zu “erraten“ um daraus Kategorisierungen abzuleiten. Konkret kommen solche Verfahren zum Beispiel auch bei der maschinellen Vorauswahl von Bewerberinnen und Bewerbern auf freie Stellen in der Arbeitswelt zur Anwendung.

Bezüglich der Frage, ob Computer „sehen“ können, erläuterte Paulin anhand der Google-Bildersuche, wie KI und Algorithmen unseren Alltag bereits durchdrungen haben und wie sie „völlig langweilige Aufgaben in höchster Präzision erledigen, ohne zu meckern". Weiter stellte er heraus, dass KI ein sehr mächtiges Werkzeug sein kann, denn „aus denselben Mechanismen, auf denen die Suche von Katzenbildern bei Google basiert, können Sie auch ein selbstfahrendes Auto bauen". Letztlich könne KI in der Personalverwaltung zum Beispiel auch dafür eingesetzt werden, Menschen zu überwachen oder zu disziplinieren. In Ländern wie China funktioniere das unter anderem über die Etablierung einer Kultur der Angst, „weil Menschen nicht genau wissen, was die Technologien konkret können und was nicht". Hier liege auch die Macht der Personalvertretungen, die dazu beitragen könnten, die Einführung der Digitaler Technologien zu entmystifizieren, zumal es Beschäftigte im Personalwesen hierzulande meistens eher mit der maschinellen Auswertung von Datensammlungen zu tun hätten als mit dem Einsatz echter KI.

Keine erfolgreiche Digitalisierung ohne Mitbestimmung

Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Forschungsdirektor des Zentrums für Sozialforschung Halle (ZSH), untersuchte in seinem Fachvortrag, auf welche Weise Digitalisierungsprojekte durch Mitbestimmung beim Arbeits-und Gesundheitsschutz begleitet und mitgestaltet werden können. Detailliert informierte der Jurist, der bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2012 an der Universität Halle einen Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches und Europäisches Arbeits-und Unternehmensrecht sowie Sozialrecht innehatte, unter anderem über die Chancen, die digitalisierte Arbeitsvorgänge etwa Menschen mit Behinderungen durch ihre vielfältigen Assistenzsysteme bieten.

Kohte warnte aber auch vor mentaler und körperlicher Überforderung Beschäftigter, wenn Arbeitgeber bei der Gestaltung digitalisierter Arbeitsweisen arbeitspsychologischen und arbeitsmedizinischen Anforderungen und Erkenntnissen kaum oder zu wenig Beachtung schenkten. Funktionsfähiger Arbeitsschutz müsse immer konkret sein und von möglichst vielen Partnern gestaltet werden: Nicht nur die Hardware und die Ausstattung erforderten Ergonomie, sondern auch die verwendete Software.

Da im Personalvertretungsrecht planungsbezogene Regelungen fehlten und eine frühzeitige Beteiligung der Personalvertretungen bei der Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden mitbestimmungsrechtlich nicht vorgeschrieben sei, verwies Kohte auf Regelungen aus dem Arbeits-und Gesundheitsschutz, über die Personalvertretungen mitbestimmend agieren können. Gerade bei der Digitalsiering müsse die Beteiligung der Interessenvertretungen bereits im Planungsprozess einsetzen. Häufig werde der Personalrat aber erst beteiligt, wenn ein Prozess schon weit fortgeschritten sei, kritisierte Kohte: „Ohne Mitbestimmung ist die Digitalisierung der Arbeitswelt nicht zu leisten.“

Personalrätinnen und Personalräte diskutieren in Fachforen

In verschiedenen parallelen Fachforen diskutierten die Personalrätinnen und Personalräte anschließend verschiedene Aspekte der Frage, ob die Arbeitsbedingungen der Personalräte und Gewerkschaften den Herausforderungen entsprechen.

Unter der Überschrift "Das Zugangsrecht der Gewerkschaften zur Dienststelle – Gewerkschaftsarbeit in Zeiten von Digitalisierung im Allgemeinen und Pandemie im Besonderen" beleuchteten die Kolleginnen und Kollegen vor dem Hintergrund, dass bisherige Kontaktmöglichkeiten im Bereich der Mitbestimmung angesichts des Digitalisierungsfortschritts nicht mehr ausreichen, neue Möglichkeiten zur koalitionsmäßigen Betätigung. Insbesondere gingen sie der Frage nach, ob der darauf abzielende neue Passus im Bundespersonalvertretungsgesetz ausreiche:"Auf Verlangen einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung der Arbeitgeber hat die Dienststelle in ihrem Intranet auf den Internetauftritt der Gewerkschaft oder der Arbeitgebervereinigung zu verlinken." Ergebnis: Die neue Regelung ist nicht ausreichend. Den Gewerkschaften sei vielmehr ein digitaler Zugang zu den Beschäftigten zu ermöglichen: Ihnen ist ohne weitere Voraussetzungen das Recht zuzugestehen, E-Mails an alle Beschäftigten – Mitglieder ebenso wie Nichtmitglieder – zu versenden, so die einhellige Auffassung des Forums. Angesichts der ständigen Fortentwicklung technischer Standards müsse der Zugang der Gewerkschaften zu den jeweils in der Dienststelle oder dem Betrieb aktuellen Werbe- und Informationskanälen dauerhaft und bruchfrei geöffnet sein.

Um Praxiserfahrungen ging es im Forum "Die Personalratssitzung als Videokonferenz - Praxistest bestanden?" Nachdem pandemiebedingt zunächst kurzfristig befristete gesetzliche Voraussetzungen für Video-Personalratssitzungen geschaffen worden waren, wurde die digitale Gremienzusammenkunft nunmehr unbefristet im neuen Bundespersonalvertretungsgesetz verankert. Das kommt bei den Personalrätinnen und Personalräten durchweg gut an. Sie betonten gleichwohl, dass die Entscheidung über die Durchführung der Sitzung bei jeder Personalvertretung selbst liegen müsse und die Dienststelle nicht aus Kostengründen zu einer Sitzung per Videokonferenz drängen dürfe.

Im Mittelpunkt des Forums "Die Letztentscheidung und ihre aufhebung - Was lange währt, ist endlich gut?" stand die Regelung des generellen Aufhebungsrechts von Einigungsstellenentscheidungen einer obersten Dienstbehörde in Angelegenheiten, die im Einzelfall wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwesen wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sind. Nach einer Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bindungswirkung von Einigungsstellensprüchen lautete das Fazit: Im neuen Bundespersonalvertretungsgesetz wurde die Rechtsprechung sehr zu Lasten der Personalvertretungen umgesetzt. Deswegen gilt den praktischen Auswirkungen auf die Beteiligungsverfahren nunmehr besonderes Augenmerk. Insbesondere wird zu beobachten sein, wie die Rechtsprechung das Merkmal „Angelegenheiten, die wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwesen wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sein müssen“ auslegen wird. Als Ausgleich zu diesem allgemeinen Aufhebungsrecht sei ein Unterlassungsanspruch der Personalvertretungen notwendig, um die bestehenden Beteiligungsrechte  effektiv durchzusetzen, so die Personalrätinnen und Personalräte.

Agile Methoden im öffentlichen Dienst und Mitbestimmung

Christine Gebler, selbstständige Trainerin und Leiterin der Abteilung strategische Personal- und Organisationsentwicklung der Stadt Heidelberg, erläuterte, wie sich Personalvertretungen agilem Arbeiten in der Verwaltung annähern und daraus Nutzen für die eigene Arbeit schlagen können. „Nur wer sich dazu verhält, kann mithalten“, betonte Gebler, die selbst mehrere Jahre als Personalrätin tätig war.

Damit agiles Arbeiten erfolgversprechend ins Verwaltungshandeln integriert werden könne, müssten vor allem die Rahmenbedingungen in den Blick genommen werden. „Wie ist die Belegschaft technisch ausgestattet? Gibt es Experimentierräume und Rückzugsorte?“ Für die Personalvertretungen sei es darüber hinaus essenziell wichtig zu hinterfragen, welche Ziele der Arbeitgeber mit agilem Arbeiten verbinde: „Oft wissen es die Arbeitgeber selbst nicht so genau. Klären Sie das.“

Gebler räumte mit gängigen Mythen über agiles Arbeiten auf. „Agil zu arbeiten bedeutet nicht, unstrukturiert und chaotisch zu arbeiten. Im Gegenteil“, davon ist Gebler überzeugt, „agiles Arbeite ist sehr strukturiert, sehr fokussiert.“ Auch die Angst, dass eine Organisation von heute auf morgen komplett umgekrempelt würde, sei unbegründet. In der Regel seien nur kleine Teilbereiche von Veränderungen betroffen. Im besten Falle, betonte Gebler, finde der Umbruch sowohl auf der sozialen als auch auf der organisatorischen Ebene statt. Jedoch stecke im Veränderungsprozess auch Konfliktpotenzial. Gehe es beispielsweise um die Einführung agiler Arbeitsmethoden in eigenständigen Teams, könne es zu Konflikten kommen, wenn das alte hierarchische Führungsverständnis weitergeführt werde. Hier sei die Personalvertretung gefragt, genau hinzusehen: „Was soll auf struktureller Ebene verändert werden und was heißt das konkret für die Beschäftigten?“

Eindringlich warnte Gelber Personalvertretungen davor, eine Blockadehaltung einzunehmen. „Wir müssen diesen Wechsel schaffen, wir müssen unsere Arbeitsweisen ändern. Gestalten Sie mit, machen Sie selbst Vorschläge.“ Personalvertreterinnen und -vertreter sollten sich zu „Mitwissenden“ machen. „Befassen Sie sich mit Methoden wie Design Thinking, Scrum oder Kanban-Boards nicht nur in der Theorie. Personalratsgremien sind perfekte selbstorgansierte Teams, in denen Sie agile Methoden ausprobieren können“, regte Gebler an.

Beschäftigtenschutz im Auge behalten

Thomas Liebel, Vorsitzender des Hauptpersonalrates im Bundesministerium der Finanzen (BMF) und stellvertretender Vorsitzender des BDZ Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft berichtete von seinen Erfahrungen in der Personalratsarbeit in Zeiten der digitalen Revolution. In der täglichen Arbeit des BMF sei die Digitalisierung von Arbeitsabläufen heute in vielen Bereichen bereits Standard: 52 Millionen KFZ-Steuerbescheide würden pro Jahr zu 98 Prozent voll automatisiert zugestellt. 251 Millionen Zollabfertigungen liefen ebenso IT-basiert ab wie 145.000 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen und 56.000 Überprüfungen von möglichen Fällen von Schwarzarbeit. Auch sei ein auf Künstlicher Intelligenz basierender Chatbot für einfache Kundenanfragen erfolgreich in Betrieb genommen worden. „Trotzdem gibt es auch im BMF bei der Digitalisierung noch viel Luft nach oben“, sagte Liebel und umriss die Herausforderungen der fortschreitenden Digitalisierung für das Personal und damit für die Personalratsarbeit: „Grundsätzlich gilt, dass alle Beschäftigten in die Prozesse eingebunden werden müssen, damit niemand abgehängt wird und Vertrauen entsteht, obwohl sich die Arbeitswelt wandelt.“

Auf sich ändernde Arbeitsabläufe reagiert habe der Gesetzgeber seit der Jahrtausendwende mit zahlreichen Digitalisierungsprojekten, darunter unter anderem das Bundesprogramm E-Government 2.0 von 2006, das Regierungsprogramm Digitale Verwaltung 2020 von 2014 und jüngst das Onlinezugangsgesetz von 2017 und die Einführung der E-Akte seit 2020. An vielen Umsetzungsdetails müsse aber weiterhin gefeilt werden, so Liebel: „Mit dem Onlinezugangsgesetz ist nämlich eigentlich nicht intendiert, Papieranforderungen zuerst zu digitalisieren, um sie danach in der Dienststelle wieder auszudrucken und sie dann analog weiterzubearbeiten, wie es in der Praxis immer noch passiert.“ Für die Arbeit der Personalvertretungen bedeute Digitalisierung neue Möglichkeiten der Mitbestimmung, wie sie sich in der Novelle des Bundespersonalvertretungsgesetzes manifestierten - von der Möglichkeit digitaler Personalratssitzungen über elektronische Personalversammlungen bis hin zu einem neuen Stellungnahmerecht bei ressortübergreifenden Digitalisierungsmaßnahmen. Anhand letzterem skizzierte Liebel aber auch dort Potential für Verbesserungen, denn das Stellungnahmerecht allein beinhalte noch keine echte Mitbestimmung. In seinem Fazit forderte Liebel die Personalrätinnen und Personalräte auf, sich weiterhin aktiv und kritisch an der Gestaltung der Verwaltungsdigitalisierung zu beteiligen, insbesondere, was die Umsetzung von Schutzvorschriften für Beschäftigte und die möglichst flexible Ausgestaltung mobiler Arbeit betreffe.

Digitales Arbeiten braucht mehr als nur Technik

Wie kann auch in einer digitalisierten Arbeitswelt menschliche Nähe bewahrt werden? Aus Sicht der dbb jugend gilt es digitale und analoge Zusammenarbeit kreativ miteinander zu verschmelzen, wie dbb jugend Vize Philipp Mierzwa und Janna Melzer, Vorsitzende der dbb jugend hessen, in ihrem gemeinsamen Vortrag deutlich machten.

„In den letzten eineinhalb Jahren der Pandemie haben wir alle erlebt, dass digitale Zusammenarbeit funktionieren kann, aber nicht von heute auf morgen reibungslos gelingt. Jetzt müssen wir endlich raus aus dem Krisenmodus und rein in den Regelbetrieb. Denn digitale Formate werden ganz selbstverständlich zu unserem Arbeitsalltag gehören. Eine gute Zusammenarbeit in der digitalen Arbeitswelt braucht neben den grundlegenden technischen und rechtlichen Voraussetzungen vor allem aber auch eine neue Führungskultur und die erforderlichen digitalen Kompetenzen. Hierfür geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, ist ein wichtiges Gestaltungsfeld für Betriebs- und Personalräte", betonte Philipp Mierzwa. Die Vorteile digitaler Arbeitsweisen seien für den beruflichen Alltag nicht von der Hand zu weisen. Vor allem unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit von Beruf, Familie, Freizeit und Ehrenamt könnten von einer stärkeren Digitalisierung auch junge Beschäftigte profitieren, so Melzer. Dennoch seien persönliche Begegnungen, grundsätzlich digitalen Veranstaltungen vorzuziehen, etwa um die Mitarbeiterbindung und die Sichtbarkeit der Beschäftigten zu gewährleisten. Zu einer digitalen Arbeitskultur gehöre vor allem Mut und Kreativität bei der Umsetzung von digitalen Meetings und Veranstaltungen. „Wie wäre es mal mit einer digitalen Kaffeepause oder einem „Pausenroulette", bei dem Gesprächspartner*innen per Zufallsgenerator zusammenfinden?", regte Janna Melzer an. Aber auch digitale Sportangebote, Stammtische per Videochat oder andere digitale Teamaktivitäten können das Zusammengehörigkeitsgefühl sowohl in der Dienststelle als auch im gewerkschaftlichen Kontext verbessern und eine neue Kultur des Miteinanders etablieren, so Mierzwa. Seine Kollegin Melzer warnte davor, dem digitalen Wandel in der Verwaltung stets nur mit Ablehnung und Bedenken entgegenzutreten. "Diese Transformation ist unaufhaltsam. Und sie bietet mehr Vorteile, als manche oder mancher im ersten Moment vielleicht denken mögen. Aber wir verbieten ja auch keine Autos, weil wir Angst vor Verkehrsunfällen haben. Wir schaffen vielmehr ausgefeilte Regeln und behalten die Entwicklung stets kritisch und umsichtig im Blick. So sollten wir es als Personalvertretungen auch mit der Digitalisierung halten", empfahl die Chefin der dbb jugend hessen.

Exkurs in die praktische (digitale) Personalratsarbeit

Als letzter Referent des zweiten Seminar-Tages lud Dr. Magnus Bergmann die Teilnehmenden zu einer „kurzen schwungvollen Reise“ durch die praktische Personalratsarbeit ein. Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht aus dem westfälischen Münster, der Unternehmen, Betriebe, aber auch Personalvertretungen bei der Umsetzung von Änderungsprozessen berät, thematisierte unter anderem die ganz realen Probleme digitaler Personalratssitzungen. Deren Gelingen hänge schließlich nicht nur davon ab, dass die gesetzlich vorgegebenen Prozeduren eingehalten würden.

„Das Leitbild einer Personalratssitzung ist die Präsenzsitzung und man sollte sich darauf verständigen, dass nach Möglichkeit alle gesehen und gehört werden. Wenn das nicht allen passt, müsste man streng genommen zur Präsenzsitzung im Büro zurückkehren. Denn es gibt – auch für die Arbeit im Homeoffice – für niemanden einen Anspruch, visuell unerkannt zu bleiben“, erläuterte Bergmann seinen Standpunkt. Mehrere Praxisbeispiele aus dem Plenum belehrten ihn jedoch, dass die meisten im öffentlichen Dienst genutzten Systeme zur Online-Kommunikation diesen Ansprüchen nicht gerecht werden können.

Mit Interesse und vielen Diskussionsbeiträgen begleiteten die Personalvertreterinnen und –vertreter auch die Ausführungen des Arbeitsrechtlers zu den möglicherweise unerwünschten Effekten von Umlaufverfahren und Vorratsbeschlüssen, von denen er abriet, sowie seine Kurzdarstellung des agilen Arbeitens, dessen zumindest teilweise Adaption für Personalvertretungen er uneingeschränkt befürwortet.

Geyer: dbb wird Personalratsarbeit weiter begleiten

Die letzten offiziellen Worte der Veranstaltung gebührten Volker Geyer, dem dbb Fachvorstand Tarifpolitik, der in seiner Funktion als Chef der dbb akademie Gastgeberpflichten wahrnahm. Geyer dankte den Vortragenden beider Seminartage und lobte die gelungene Mischung von Theorie und Praxis. Er versprach, dass der dbb die Weiterentwicklung der Personalratsarbeit und seiner rechtlichen Grundlagen weiter begleiten wird.

Mit Hinweis auf den erst kürzlich mit der Bundesverwaltung geschlossenen Digitalisierungs-Tarifvertrag kündigte der Tarifexperte zugleich an, dass der dbb die Forderung nach tariflichen Regeln wie das mit dem Bund vereinbarte Recht auf Qualifizierung für die von Digitalisierung Beschäftigten in wenigen Wochen auch in die parallel laufenden Einkommensrunden mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und für Landesbeschäftigten in Hessen tragen werde.

 

 

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