dbb Verkehrstag 2025
Grünes Licht für die Verkehrsinfrastruktur
Auf der Veranstaltung am 2. Juni 2025 in Berlin machte dbb Vize Volker Geyer den hohen Stellenwert des öffentlichen Dienstes für die Infrastruktur deutlich.
„Unser zentrales Anliegen ist der Erhalt und der Ausbau der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur. Dafür muss die Politik jetzt grünes Licht geben. Denn eine funktionierende und zukunftssichere Verkehrsinfrastruktur ist der Grundpfeiler staatlicher Daseinsvorsorge“, betonte Geyer in seiner Eröffnungsrede. Ohne sie komme das Land nicht voran – im wahrsten Sinne des Wortes. „Die Bürgerinnen und Bürger erwarten ein leistungsfähiges, vernetztes und nachhaltiges Verkehrssystem, von dem alle Bevölkerungsgruppen unabhängig von Einkommen oder Herkunft profitieren können.“ Nach der letzten Bürgerbefragung des dbb halten 70 Prozent der Befragten den Staat für überfordert. „Diese verheerende Zahl hat auch mit nicht-funktionierender Infrastruktur in Deutschland zu tun“, erklärte Geyer.
Deutschland stehe vor vielen großen verkehrspolitischen Herausforderungen, so der dbb Vize: „Unsere Infrastruktur ist in vielen Bereichen marode. Das hat gravierende Folgen nicht nur für Wirtschaft und Umwelt, sondern auch für den Alltag der Bürgerinnen und Bürger. Der Klimawandel verlangt nach nachhaltigen und intelligenten Verkehrslösungen. Gleichzeitig stellt uns der Fachkräftemangel vor enorme Aufgaben – in Planung, Betrieb und Erhalt unserer Verkehrssysteme.“ Zusätzlich fehle es insbesondere im ländlichen Raum oft an verlässlichen Mobilitätsangeboten bei ohnehin knappen finanziellen Spielräumen.
„Eine Privatisierung der Infrastruktur lehnen wir ab“
Im Zusammenhang mit der Autobahn verweist der Koalitionsvertrag darauf, dass die Möglichkeit zur Finanzierung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten mit Public-Private-Partnership-Modellen in Betracht gezogen werden soll. Geyer erteilte dieser Idee eine klare Absage: „Eine Privatisierung der Infrastruktur lehnen wir ab. Private Investitionen bringen zwangsläufig private Interessen mit sich, die diesem Ziel widersprechen.“ Die Politik solle sich stattdessen an den öffentlichen Dienst wenden. „Ohne unsere Mitglieder wird die Verkehrswende weder personell noch strukturell gelingen. Als dbb sagen wir: Wir sind die Infrastruktur.“ Denn der dbb vertritt rund 1,3 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst – darunter viele Fachkräfte, ohne die der Verkehr in diesem Land stillstehen würde. „Wir wollen mitgestalten, wir wollen gehört werden – und wir sind bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen. Als Stimme derer, die tagtäglich dafür sorgen, dass Verkehr überhaupt funktioniert“, unterstrich der dbb Vize.
Staatssekretärin Stutz: Mobilität ist etwas Individuelles
Dr. Claudia Stutz, Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, unterstrich in ihrer Videobotschaft, dass Erhalt und Modernisierung der Infrastruktur, gerade mit Blick auf die vielen sanierungsbedürftigen Brücken in Deutschland, für die neue Bundesregierung eine hohe Priorität habe. Dafür wolle man unter anderem Planungs- und Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigen. Stutz: „Unser Ziel ist bezahlbare und verfügbare Mobilität für alle.“ Dabei unterstrich die Staatssekretärin, dass Mobilität etwas sehr Individuelles sei. Man wolle „niemandem vorschreiben, wie er sich zu bewegen hat.“
Al-Wazir: „Es muss sich etwas ändern!“
Tarek Al-Wazir, der für die Grünen Mitglied des Bundestages und dort Vorsitzender des Verkehrsausschusses ist, betonte in seinem Impulsvortrag zunächst, dass es hinsichtlich vieler Punkte einen breiten Konsens auch über Parteigrenzen hinweg gebe. So bestehe Einigkeit, dass funktionierende Verkehrswege „das Rückgrat unserer Wirtschaft sind“ und dass „unsere insgesamt gute Infrastruktur in den letzten Jahren nicht besser geworden ist.“ Ob Schienenwege, Autobahnbrücken und Schleusen: „Es muss sich etwas ändern!“
Dabei sei Geld allerdings nicht alles. Neben dem Fachkräftemangel hake es auch bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren. Das Verfahrensrecht müsse vereinheitlicht, Doppelprüfungen vermieden und das „Jährigkeitsprinzip“ flexibler gestaltet werden. Zur Straffung des Verbandsklagerechts äußerte sich Al-Wazir zurückhaltender. Der ehemalige hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister betonte: „Die Beteiligung von Betroffenen ist aus meiner Sicht immer richtig.“
Ziel sei es, mit den eingesetzten Mitteln das beste Ergebnis zu erzielen. Die etwa 25 Milliarden Euro aus dem Infrastrukturpaket müssten in den kommenden zwölf Jahren zusätzlich und nicht anstelle der Mittel aus dem Kernhaushalt eingesetzt werden. Dafür müsse man sich fragen, wo die Not am größten sei. „Wir brauchen den Mut, Prioritäten zu setzen“, so Al-Wazir.
Schwedes: Mobilität ist auch Soziale Frage
„Es ist viel schwerer, die mentalen Infrastrukturen zu verändern als die baulichen.“ Mit diesem Satz wies Dr. Oliver Schwedes in seinem Impulsvortrag auf ein Kernproblem aller Reformbemühungen im Verkehrssektor hin. Der Mobilitätswissenschaftler, der von 2014 bis 2023 das Fachgebiet „Integrierte Verkehrsplanung“ der Technischen Universität Berlin leitete, betonte außerdem die Bedeutung der Gewerkschaften als Mobilitätspioniere und für ein gutes Leben im Sinne der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Mit Blick auf die Verkehrspolitik seien drei Dimensionen von Bedeutung: die soziale, die ökonomische und die ökologische. „Mit sozialen und ökonomischen Fragen kennen Sie sich bestens aus“, sagte Schwedes in Richtung der Gewerkschaften. Er plädierte dafür, künftig auch ökologische Fragen stärker in den Vordergrund zu rücken. Das Deutschland-Ticket etwa sei in seinen Augen eine „echte Revolution“, das die unter dem Dach des dbb vertretenen Fachgewerkschaften zu einem gemeinsamen Projekt machen könnten. Ein weiteres strategisches Ziel könne sein, sich für die Einstellung von Kurzstreckenflügen einzusetzen und die Verbindungen aus der Luft auf die Schiene zu verlagern. Bündnisse zu schließen, das sei von zentraler Bedeutung, um Interessen gegenüber der Politik zu behaupten. „Im Übrigen auch mit Akteuren außerhalb des gewerkschaftlichen Kontexts“, so Schwedes eindringlicher Appell.
Podiumsdiskussion: „Wie Deutschland wieder in Bewegung kommt.“
Anschließend diskutierte dbb Vize Claus Weselsky mit Mitgliedern des Verkehrsausschusses im Bundestag von CDU, SPD, Grünen und Linken über Reformansätze in der Verkehrspolitik. Für Weselsky ist dabei zentral, dass alle Verkehrsträger konsequent zusammengedacht werden – insbesondere in der Bundesregierung. „Das Verkehrsministerium muss Mobilität endlich wieder ganzheitlich denken und angehen“, so Weselsky. Dafür müssten auch eingefahrene Strukturen für neue Denkansätze hinterfragt werden, argumentierte er – ähnlich wie Schwedes – und forderte: „Wir müssen eine Disruption herbeiführen, sonst wird das nix.“
Swantje Michaelsen (Grüne) unterstrich, dass „Verkehr vom Menschen her“ gedacht werden müsse. Nicht alle könnten – etwa im ländlichen Raum – mit dem Auto mobil sein, nicht alle ließen in durch den ÖPNV gut erschlossenen großen Städten ihre Autos auch stehen. Sie setze sich für eine andere Mobilität ein und wolle diese günstiger machen. Statt eines Bundesverkehrswegeplans müsse man zu einem „integrierten Bundesmobilitätsplan“ kommen, in dem sich die Verkehrspolitik an Zielen – zum Beispiel an Klimazielen – ausrichte. Es brauche „ehrlichere Debatten“ über den sinnvollen Einsatz von Geld, dabei müssten Erhalt und Sanierung von Straßen, nicht Neubau im Fokus stehen.
Michael Donth (CDU) wies ebenfalls auf die Unterschiede zwischen den urbanen und ländlichen Räumen hin: „Im ländlichen Raum machen sie große Augen darüber, was wir in Berlin besprechen. Diese Realitäten müssen bei allen Problemen mitgedacht werden. Wenn man nicht beide Seiten mitnimmt, bricht was auseinander." Bei der von Michaelsen angesprochenen Priorität auf Sanierung ging Donth nicht mit. Projekte wie die Riedbahn hätten gezeigt, dass Sanierung alleine nicht ausreiche, da in diesem Projekt die eigentlichen Knotenpunkte nicht verbessert wurden. „Wir müssen daher sowohl Sanierung als auch Neubau in den Blick nehmen, sonst kommen wir nicht voran.“
Martin Kröber (SPD) stellte klar: „Als Sozialdemokrat steht für mich vor allem die Frage von Mobilitätsgerechtigkeit im Mittelpunkt.“ Viel zu oft sei es schlicht und ergreifend die finanzielle Situation, die das Mobilitätsverhalten bestimmt. Der Politiker schilderte die Situation seiner Eltern: „Sie müssen 70 Kilometer zur Arbeit zurücklegen. 20 Kilometer fahren sie mit dem Auto zum Bahnhof, von dort aus fahren sie die letzten 50 Kilometer mit dem Zug.“ Die Bahn habe aber den Eisenbahnverkehr im ländlichen Raum immer weiter heruntergefahren, das ist ein Riesenproblem“, so Krüber. Außerdem prangerte er die Art und Weise an, wie Verkehrsprojekte aktuell angegangen werden: Es werde zu viel Geld für Planungs- und Rechtfertigungsprozesse verschwendet: „Ein Ingenieur plant, zwei weitere rechtfertigen, warum er es geplant hat. Dieses System lähmt uns!“
Luigi Pantisano (Linke) kritisierte, dass er die Argumente über den ländlichen Raum schon seit dreißig Jahren höre. Dies würden in der Regel vorgeschoben, um am Status Quo festzuhalten. Notwendig seien aber neue Perspektiven, um alle Menschen einzubeziehen. „Männer planen Städte aus der Windschutzscheibe heraus. Wenn Kinder auf die Straße schauen, sehen sie in Auspuffrohre. Menschen, die an stark befahrenen Straßen wohnen, werden dadurch krank. Das kann es doch nicht sein.“ Auch wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen wollen, führe kein Weg daran vorbei, den Autoverkehr drastisch zu reduzieren. „Gleichzeitig müssen wir in den Schienenausbau investieren, nicht in den Schienenrückbau“, so der Abgeordnete.
Reiß: dbb Verkehrstag als Startschuss
Das Schlusswort zum 1. dbb Verkehrstag kam von Mario Reiß, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und Vorsitzender der dbb Fachkommission Verkehr und Infrastruktur. „Der dbb und seine Fachgewerkschaften haben damit den Hilfszug für die Infrastruktur auf Gleis gesetzt. Aber der Bund muss nun die Weichen richtig stellen, damit wir auch Fahrt aufnehmen können. Wir unterstützen dabei gerne mit unserem Fachwissen. Denn klar ist: Ohne die Beschäftigten geht garantiert nicht vorwärts.“