Perspektiven der Zivilbediensteten in einer Europäischen Verteidigungsunion
Die Europäische Union strebt angesichts neuer Bedrohungen, teils wenig effizienter Militärausgaben, Fähigkeitslücken und mangelhafter Interoperabilität der Streitkräfte mehr Zusammenarbeit ihrer Mitgliedstaaten in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik an. Dies betrifft zunächst insbesondere die Forschung und Entwicklung von Verteidigungsfähigkeiten, aber auch erste Ansätze zu einer europäischen Steuerung von gemeinsamen Auslandsmissionen. „Wir begrüßen die Bemühungen um eine bessere europäische Koordinierung und Zusammenarbeit in der Verteidigung“, sagte der Bundesvorsitzende des Verbandes der Beamten der Bundeswehr (VBB) und Vizepräsident des Berufsrats Verteidigung der CESI, Wolfram Kamm, am 19. Oktober in Brüssel.
Der VBB-Bundesvorsitzende nahm an einem Hintergrundgespräch mit Verteidigungsexperten im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) teil. Kamm betonte die wichtige Rolle auch der Zivilbediensteten für die Effektivität der europäischen Streitkräfte. „Bei allen Bemühungen um Fortschritte in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik darf nicht vergessen werden, dass keine Armee ohne eine hochqualifizierte Zivilverwaltung erfolgreich operieren kann.“ Die Verwaltung stelle unter anderem Organisation und Planung, Transport und Versorgung sicher. Nichtuniformierte Techniker und IT-Experten sorgten für funktionierendes Gerät. „Die Bedeutung der zivilen Komponente wird angesichts hybrider Bedrohungen und insbesondere der Cyber-Entwicklung qualitativ und quantitativ immer wichtiger“, zeigte sich Kamm überzeugt.
„In künftigen Konfliktszenarien, die hoffentlich niemals Wirklichkeit werden, sind nicht mehr Massen von Soldatinnen und Soldaten im Gefechtsfeld, sondern Roboter und Drohnen, ferngelenkte Waffen kommen zum Einsatz.“ Ausbildungsmissionen in Drittstaaten oder friedenssichernde Auslandseinsätze stellten immer größere Anforderungen an die Verwaltung der Streitkräfte. „Wir fordern mehr Austausch, Schulungen auf europäischer Ebene und, wenn gemeinsame Strukturen eingerichtet werden, auch konkrete Verwendungsperspektiven für das Zivilpersonal der nationalen Streitkräfte.“ Insgesamt müssten die Streitkräfte als Arbeitgeber attraktiver werden. Dies sei in der Diskussion um mehr europäische Zusammenarbeit zu berücksichtigen.
Kamm erwartet von der neuen Bundesregierung und der europäischen Politik mehr Aufmerksamkeit für die wichtige Rolle und die Perspektiven der Zivilbediensteten des Militärs. „Es ist nicht zielführend, beim Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion ausschließlich auf die Interessen der Rüstungsindustrie zu schauen. Ebenso wenig geht es nur um Soldatinnen und Soldaten, wenn die europäischen Streitkräfte enger kooperieren. Ohne qualifiziertes Zivilpersonal, Verwaltungsfachleute, IT-Experten, Ingenieure und Techniker geht in der Verteidigung nicht viel“, sagte der VBB-Bundesvorsitzende. „Wir brauchen in der Verteidigung auch eine nachhaltige Personalpolitik, Sicherheitspolitik muss ganzheitlich gedacht werden.“