Ulrich Silberbach im FAZ-Interview

Öffentlicher Dienst: Es fehlen 360.000 Beschäftigte

Die Zahl der Aufgaben des öffentlichen Dienstes wächst schneller als die der Beschäftigten. Damit der Staat handlungsfähig bleibt, fordert der dbb Chef einen Zukunftsfonds.

„Nach Einschätzung unserer vierzig Mitgliedsgewerkschaften fehlen 360.000 Beschäftigte. Dabei berücksichtigen wir nicht nur offene Stellen, sondern auch den Personalbedarf, der sich durch neue Aufgaben ergibt“, erklärte der dbb Chef Ulrich Silberbach im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Ausgabe vom 18. August 2022). Trotz Personal- beziehungsweise Stellenzuwachs in einigen Verwaltungsbereichen ist der Fehlbestand demnach zuletzt erneut um etwa 30.000 Fachkräfte gestiegen. Wenn in den kommenden Jahren die geburtenstarken Jahrgänge altersbedingt ausscheiden, werde der Personalmangel sogar noch deutlich größer, betonte Silberbach.

Von Bund, Ländern und Kommunen forderte der dbb Bundesvorsitzende deshalb konkrete Maßnahmen: „Zwei Dinge sind sehr wichtig: Zum einen brauchen wir endlich eine langfristige Personalplanung in der Verwaltung, die den demografischen Wandel berücksichtigt. Wir müssen schon jetzt Stellen schaffen, um kommende Generationen auf die anstehenden Aufgaben vorzubereiten. Zum anderen müssen wir den öffentlichen Dienst durch Anreizsysteme attraktiver machen.“ Der dbb wolle schon lange eine echte Qualifizierungsoffensive und eine leistungsgerechte Bezahlung. „Wer sich weiterbildet, soll mehr bekommen“, so Silberbach. Im europäischen Vergleich habe Deutschland heute gemessen an der Wirtschaftsleistung geringe Ausgaben für den öffentlichen Dienst und beschäftige im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weniger Menschen beim Staat als viele Nachbarländer.

Eine Folge dieser Sparpolitik sei, dass in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele Staatsausgaben nicht erledigt worden seien. „Wir bekennen uns zur Schuldenbremse. Wir sehen aber auch, dass Deutschland einen enormen Investitionsstau in der Infrastruktur hat. Deshalb sollte der Bund dafür ein Sondervermögen bilden, das nicht in die Schuldenbremse eingerechnet wird“, forderte der dbb Chef. Diese Aufgaben dürfe nicht einfach den folgenden Generationen überlassen werden. „Deshalb ist ein solcher Zukunftsfonds nötig.“

Darüber hinaus mahnte Silberbach die Politik, bei ihren Vorhaben die Umsetzung durch die Verwaltung stärker in den Blick zu nehmen: „Wer Gesetze verabschiedet, die nicht vollzogen werden können, fördert letztlich das Staatsverdrossenheit und der Querdenkertum.“ Dem öffentlichen Dienst drohe bereits heute permanent die Überforderung, weshalb der dbb auch die jüngst diskutierte Übertragung immer neuer Aufgaben – wie etwa die Kontrolle einer Impfpflicht oder der Einführung von Englisch als zweiter Amtssprache – ohne entsprechende Personalausstattung abgelehnt habe.

 

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