EU-Ratspräsidentschaft
Gemeinsam Europa wieder stark machen
Im zweiten Halbjahr 2020 hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. In dieser Zeit sollte auch im Bereich Jugend einiges bewegt werden. Angelika Wildgans-Lang und Marc Westhöfer, Mitglieder der AG Jugend in Europa der dbb jugend, ziehen ein erstes Fazit.
„Der Kampf gegen den Klimawandel muss genauso intensiv geführt werden wie die Suche nach einem Impfstoff gegen Covid-19“, sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas. Jedoch reicht das nicht. Die Bewältigung der Flüchtlingskrise und die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit müssen auch zum europäischen Denken und gemeinsamen Handeln führen. Hierzu gehören eine gemeinsame Finanzplanung und eine zivilgesellschaftliche Beteiligung, mit besonderem Augenmerk auf die Jugend. Die jungen Menschen zu beteiligen, Begegnungen in Europa zu schaffen und sie zu überzeugten Europäerinnen und Europäern zu befähigen, muss die Basis aller fachpolitischen Ziele sein.
Der Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) gibt die Prioritäten der EU-Finanzplanung für die kommenden sieben Jahre vor, also in welche Bereiche und in welcher Höhe die EU investieren will und wo sie ihre politischen Schwerpunkte setzt. Ein erster Schritt sind die insgesamt 1,85 Billionen Euro, die größtenteils dazu verwendet werden den Mitgliedstaaten zu helfen, die Corona-Krise zu überwinden und eine langfristige Krisenfestigkeit aufzubauen. Neu geschaffen wurde das mit 750 Milliarden Euro dotierte Instrument „Next Generation EU“, das die Mitgliedstaaten beim Wiederaufbau unterstützen, die Wirtschaft ankurbeln und die Folgen der Krise finanzieren soll. Unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wurde so eine historisch einmalige Summe auf den Weg gebracht, mit der Europa gestärkt werden kann. Im nächsten Schritt sollte in die next generation – also die Jugend – investiert werden.
In den Bereichen Migration und Umwelt bleibt es in der Europäischen Union bei vagen Formulierungen. Die Innenminister fordern eine konsequente Solidarität, stellen es aber den Ländern frei umgesiedelte Migrantinnen und Migranten aufzunehmen oder Rückführungen zu unterstützen. Die Umweltministerinnen und -minister einigten sich auf die Erhöhung des Emissionreduktionsziel auf 55 Prozent, wobei keine konkreten Handlungsanweisungen an die Länder erfolgten. Die Beratungen dazu wurden auf 2021 verschoben. Im Rahmen der Trioratspräsidentschaft fordert die ddb jugend die deutschen Ministerinnen und Minister auf, Umweltziele konkreter und ambitionierter zu formulieren und auch die Migration solidarischer zu gestalten.
Die Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Bereich Jugend waren an die Kernbereiche der Jugendstrategie 2019 - 2027 angelehnt. Im Rahmen eines europäischen Jugenddemokratiekongresses wurden 200 Jugendliche aus 40 Ländern beteiligt, die ihre Forderungen an die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey übergeben haben. Auch hier wurde eine der zentralen Forderungen des dbb und der dbb jugend für mehr Beteiligung aufgegriffen.
Die Möglichkeiten der Begegnungen waren aufgrund der Pandemie in diesem Jahr sehr eingeschränkt. Es ist dennoch weiterhin wichtig, dass Europa zusammenwächst und die Mittel für das Erasmus+ Programm erhöht werden, um mehr Begegnungen und Austausch zu ermöglichen.
Die dbb jugend begrüßt, dass die Altersgrenze der Jugendgarantie von 24 auf 29 Jahre angehoben wurde. Die Jugendgarantie hat zum Ziel, dass junge Menschen innerhalb von vier Monaten nach Abschluss ihrer Ausbildung oder nachdem sie arbeitslos geworden sind, ein konkretes und qualitatives Angebot auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Die dbb jugend fordert die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, spezielle Qualitätsstandards auf europäischer Ebene zu entwickeln und voranzutreiben, damit die Jugendgarantie auch nachweislich Erfolg hat.
Das zentrale Anliegen der dbb jugend sowie vieler Bürgerinnen und Bürger bleibt die zivilgesellschaftliche Beteiligung. Europa lebt von seiner Vielfalt, die von den Europäerinnen und Europäern ausgeht. Daher sollten sie an der Gestaltung der Zukunft Europas beteiligt werden. Die avisierte Konferenz über die Zukunft Europas konnte aufgrund der Corona-Krise nicht am 70. Jahrestag der Schuman-Erklärung (9. Mai 2020) ihre Arbeit aufnehmen. Dennoch müssen alle EU-Institutionen die Konferenz weiter vorbereiten. Der Rat, die Kommission und das Parlament sind dazu aufgerufen die Konferenz zur Zukunft Europas zu beginnen – unter Einbeziehung aller europäischen Sozialpartner, auch der unabhängigen Gewerkschaften.