Feministische Entwicklungspolitik
Frauen als „Agents of Change“
Beisitzerin Tanja Küsgens war im Dezember mit der Gruppe der Berliner Erklärung zum Gespräch bei Bundesministerin Svenja Schulze im BMZ.
Von Tanja Küsgens
Die deutsche Entwicklungspolitik engagiert sich für starke und gerechte Gesellschaften weltweit. Nur da, wo alle Menschen gleichberechtigt am politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben, sind Gesellschaften stabil und friedlich. Hierbei spielen Frauen als „Agent of Change“ eine entscheidende Rolle, indem sie für gesellschaftlichen Wandel eintreten. Eine feministische Entwicklungspolitik zielt darauf ab, Personen und Personengruppen Zugang zu ihren Rechten zu verschaffen und sie darin zu unterstützen, diese einzufordern und ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Dies geht nur mit Einbindung der gesamten Gesellschaft, in der Zusammenarbeit mit Männern und Jungen und religiösen und traditionellen Entscheidungsträgern.
Machtgefälle und globale Krisen verschärfen Diskriminierung
Die fehlende Einbeziehung von Frauen und marginalisierten Gruppen stellt nicht nur eine Ungerechtigkeit dar, sondern dadurch werden auch Lösungsansätze für globale Herausforderungen nicht berücksichtigt. Eine angemessene Beteiligung von Frauen und Mädchen im Agrarsektor führt z.B. zu einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion, eine Beteiligung bei den Finanzen eines Haushaltes käme mehr der Ernährung und Gesundheit der Familien zugute. Dies belegen Studien eindeutig. Es gibt weltweit einen sehr großen Unterschied im erwarteten Lebenseinkommen zwischen Frauen und Männern. Die Überwindung dieser Kluft würde einen immensen Anstieg der Wirtschaftstätigkeit bewirken.
Einige Regierungen stellen sich dennoch gegen eine Gleichstellung der Geschlechter und die Anerkennung marginalisierter Gruppen. Hier setzt die feministische Entwicklungspolitik an. „Gleichstellung ist ein Menschenrecht. Das Klarzustellen und Bewusstsein hierfür zu schaffen, bleibt eine fortwährende Aufgabe“, sagte Svenja Schulze dazu.
Neben Deutschland haben bereits Kanada, Frankreich, die Niederlande, Spanien, Luxemburg, Mexiko eine feministische Entwicklungspolitik etabliert. Vor allem die kanadische Regierung setzt seit 2017 eine solche Entwicklungspolitik um und fördert konsequent die Geschlechtergleichstellung, z.B. durch die Unterstützung zivilgesellschaftlicher feministischer Organisationen. Der menschenrechtsbasierte Ansatz bildet die Grundlage für die feministische Entwicklungspolitik unserer Bundesregierung. Die unterstützten Staaten stehen als Pflichttragende in der Verantwortung, ihren menschenrechtlichen Pflichten nachzukommen. Es muss z.B. nachgewiesen werden, dass gleichstellungsrelevante Aspekte berücksichtigt werden, damit eine Förderung erfolgen kann.
Wichtig ist hierbei auch eine intersektionale Herangehensweise.
Aber was bedeutet eigentlich Intersektionalität?
Damit sind die verschiedenen Gründe für Diskriminierung gemeint, die bei Menschen zusammenkommen und sich dabei gegenseitig verstärken. So kann man Diskriminierungen aufgrund von Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, Alter, Herkunft, Behinderungen, sozioökonomischen Status, ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit nicht isoliert voneinander betrachten oder einfach addieren. Es entstehen an Schnittstellen jeweils neue Formen von Diskriminierung. Eine intersektionale Herangehensweise stellt die Perspektiven der marginalisierten Gruppen ins Zentrum und eben dieses Zusammenwirken der unterschiedlichen Machtsysteme wie z.B. Rassismus und Klassismus.
Mit der Blickrichtung der Intersektionalität können soziale Ungleichheiten möglichst ganzheitlich erfasst und angegangen werden. Um nachhaltige Normen- und Verhaltensänderung zu erreichen, braucht es also die gesamte Gesellschaft und eine ganzheitliche Perspektive. Das Bundesministerium identifizierte die „3 R“ als zentrale Interventionsbereiche, über die die Ziele der feministischen Entwicklungspolitik erreicht werden können.
- Stärkung der Rechte von Frauen und marginalisierten Gruppen,
- Verbesserter Zugang zu Ressourcen und
- Stärkung der Repräsentanz als Schlüssel für gleichberechtigte Teilhabe.
Um die Stärkung der „3 R“-Interventionsbereiche voranzutreiben, ist es wichtig, starke Verbündete zu finden und feministische Allianzen auf internationaler Ebene aufzubauen.
Die Berliner Erklärung ist ein deutschlandweites Bündnis aus führenden Frauenverbänden für Gleichstellung. Zur Bundestagswahl 2021 hat sie einen Stufenplan der Parität entwickelt, der bis 2030 Gleichstellung erreichen soll. Die dbb bundesfrauenvertretung ist eine von 21 Initiatorinnen des Bündnisses.
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