dbb Chef: Soziales Europa bekommt erst durch Gewerkschaften ein lebendiges Gesicht
„Das soziale Europa, das es weiter auszubauen gilt, bekommt erst durch Gewerkschaften ein lebendiges Gesicht.“ Das sagte der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt auf einer Deutsch-Italienischen Konferenz für eine gemeinsame europäische Zukunft am 12. Juni 2015 in Berlin. Zu der Tagung waren italienische Gewerkschaftsführer in die deutsche Hauptstadt gekommen, um mit ihren deutschen Kollegen, der Deutsch-Italienischen Parlamentariergruppe und Regierungsvertretern Chancen für eine neue europäische Governance für mehr Beschäftigung und Wachstum auszuloten.
„Sich in einer Gewerkschaft zu organisieren, gehört zu den Grundrechten einer modernen Gesellschaft“, stellte Dauderstädt fest. Koalitionsfreiheit in fester Kombination mit Versammlungsfreiheit und Streikrecht finde sich daher auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention. „Ob es für den gleichen Sektor nur eine oder mehrere Gewerkschaften gibt, folgt nationaler Geschichte, folgt politischen Entwicklungen und Erfahrungen.“ Dauderstädt bezeichnete das vom Deutschen Bundestag vor wenigen Tagen beschlossene Tarifeinheitsgesetz als „massiven Eingriff in die Koalitionsfreiheit“. Wenn in einem Betrieb mit konkurrierenden Gewerkschaften künftig nur noch der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Organisation gelten soll, „wirft dies neben der Frage der Vereinbarkeit mit der deutschen wie der europäischen Verfassung auch zahllose Probleme auf“, so der dbb Chef, etwa, wie man den „Betrieb“ definieren und zuverlässig Gewerkschaftsmitglieder zählen soll. Schließlich schütze das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung jeden Arbeitnehmer in Deutschland davor, eine Zugehörigkeit zur Gewerkschaft offenbaren zu müssen.
Wie gut Gewerkschaften die Interessen der Beschäftigten und der Beschäftigung suchenden Arbeitnehmer in Europa vertreten können, „hängt auch davon ab, wie geschlossen wir gegenüber den Arbeitgebern auftreten“, sagte Dauderstädt. „Deshalb ist gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit unverzichtbar, wie wir sie im öffentlichen Dienst als Mitglied der CESI mit dem EGÖD pflegen und auch weiter vertiefen wollen. Denn bei aller Verbindung auch zu Parteien und Parlamenten dürfen wir Gewerkschaften nicht nur auf die Politik vertrauen, sondern müssen unsere Interessen selbst vertreten.“
Die Deutsch-Italienische Konferenz wurde gemeinsam von der Italienischen Botschaft in Berlin, der Deutsch-Italienischen Parlamentariergruppe, der Europäischen Bewegung Italien und der Europäischen Bewegung Deutschland veranstaltet. Hauptthemen waren Beschäftigung, soziale Teilhabe und wirtschaftlicher Fortschritt in der EU.