Bundesverfassungsgerichts zu "Vätermonaten": Partnerschaftliche Aufgabenverteilung bei der Erziehungsarbeit wird gestärkt
Zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren 1 BvL 15/11, mit dem es am 14. September 2011 die sogenannten "Vätermonate" beim Elterngeld für verfassungsgemäß befunden hat, erklärt Helene Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung:
"Mit dieser Entscheidung stärkt das Bundesverfassungsgericht die partnerschaftliche Aufteilung der Erziehungsarbeit zwischen Männern und Frauen. Zwar sind es noch immer hauptsächlich die Mütter, die Erziehungsarbeit leisten, aber die Bonusmonate haben dazu geführt, dass mehr Väter sich an der Erziehung ihrer Kinder beteiligen – wir sind also auf dem richtigen Weg. Die bisher üblichen Rollenmuster werden aufgebrochen und das ist positiv. Die aktuelle Regelung behindert Eltern nicht in ihrer Entscheidungsfreiheit, sondern erlaubt im Gegenteil gerade eine hohe Flexibilität bei der Aufteilung der Erziehungszeiten – wenn sich beide Elternteile tatsächlich an der Erziehung beteiligen, was erklärtes Ziel der Regelung ist. Allein der Ausdruck "Vätermonate" zeigt, dass sich in der gesellschaftlichen Wahrnehmung erziehender Väter noch einiges hin zur Selbstverständlichkeit ändern kann und muss – aber ein Anfang ist gemacht."
Elterngeld kann vom Tag der Geburt des Kindes bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats bezogen werden. Jedoch darf gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) die Bezugszeit für einen Elternteil grundsätzlich nicht mehr als zwölf Monate betragen, mindestens zwei Monate Elterngeld müssen vom anderen Elternteil in Anspruch genommen werden (sogenannte "Partner(innen)-" oder "Vätermonate").
Der Fall
Die verheiratete Klägerin des zugrundeliegenden Verfahrens, der für die ersten zwölf Lebensmonate ihres Kindes Elterngeld gewährt wurde, beansprucht auch für den 13. und 14. Monat Elterngeld. Die Ablehnung ihres Antrags und ihre hiergegen gerichtete Klage führten zur Vorlage durch das Landessozialgericht, das die Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG für verfassungswidrig hält. Sie greife ungerechtfertigt in die durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützte Freiheit der Ehegatten und Eltern zur eigenverantwortlichen Ausgestaltung der innerfamiliären Aufgabenverteilung ein, indem sie die Gewährung des Elterngeldes zumindest für zwei Monate von einer bestimmten familiären Arbeitsverteilung abhängig mache.
Die Entscheidung
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Vorlage unzulässig ist. Ein Gericht kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nur einholen, wenn es zuvor selbst ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat. Hierbei muss es insbesondere auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingehen und sich unter Berücksichtigung der in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechtsauffassungen auch mit den Gründen auseinandersetzen, die im Gesetzgebungsverfahren für die gesetzgeberische Entscheidung maßgebend waren. Diesen Anforderungen wird die Vorlage nicht gerecht.
Die Regelung zu den "Partnermonaten" zielt darauf ab, die partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zu fördern und dadurch die einseitige Zuweisung der Betreuungsarbeit an die Frauen mit den nachteiligen Folgen auf dem Arbeitsmarkt aufzubrechen. Damit wollte der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Förderung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen aus Art. 3 Abs. 2 GG entsprechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfolgt dieser Verfassungsauftrag das Ziel, die Gleichberechtigung der Geschlechter in der gesellschaftlichen Wirklichkeit durchzusetzen und überkommene Rollenverteilungen zu überwinden. Dies verpflichtet den Gesetzgeber auch dazu, einer tradierten Rollenverteilung zu begegnen, nach der das Kind einseitig und dauerhaft dem "Zuständigkeitsbereich" der Mutter zugeordnet würde.
Zu überlegen sei auch, ob die geringeren beruflichen Aufstiegschancen von Frauen nicht teilweise ausgeglichen werden könnten, wenn zunehmend auch Männer von ihrem Anspruch auf Elternzeit Gebrauch machten, weil dadurch der Besorgnis der Arbeitgeber begegnet werden könnte, Frauen seien wegen der Kinderbetreuung beruflich nicht kontinuierlich verfügbar.