Europäische Sicherheitsstrategie
Effektiver Kampf gegen organisierte Kriminalität
Die jüngste Diskussion um die Fälschung von Impfpässen hat es einmal mehr gezeigt – krimineller Energie sind keine Grenzen gesetzt. Organisierte kriminelle Vereinigungen entwickeln sich permanent weiter und passen sich schnell an neue Gegebenheiten wie beispielsweise die COVID‑19-Pandemie an, wie die gestiegene Zahl an gefälschten Medizinprodukten, Impfnachweisen und Online-Straftaten zeigt.
In Europa tätige organisierte kriminelle Vereinigungen sind an einer Vielzahl krimineller Aktivitäten beteiligt, vor allem an Drogenhandel, organisierter Eigentumskriminalität, Betrug, Schleusung von Migranten und Menschenhandel. Die Einnahmen aus der organisierten Kriminalität in den bedeutendsten Kriminalitätsbereichen beliefen sich im Jahr 2019 auf 139 Mrd. EUR, was einem Anteil von 1 % des BIP der EU entspricht.
Die EU-Kommission legte deshalb im April 2021 eine neue EU-Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität vor. Dabei geht es vor allem darum, die Strafverfolgung und die justizielle Zusammenarbeit zu stärken, die Strukturen des organisierten Verbrechens und bestimmte Straftaten vorrangig zu bekämpfen, Erträge aus Straftaten einzuziehen und auf technologische Entwicklungen zeitgemäß zu reagieren. Die EU-Strategie umfasst die Instrumente und Maßnahmen, mit denen die Geschäftsmodelle und Strukturen organisierter krimineller Vereinigungen in den kommenden fünf Jahren sowohl online als auch offline grenzüberschreitend zerschlagen werden sollen.
DPolG Bundesvorsitzender Rainer Wendt begrüßt die vorgelegte EU-Strategie, die nun auch schnell umgesetzt werden sollte. „Wir als Deutsche Polizeigewerkschaft fordern seit langem eine stärkere Vernetzung der Sicherheitsbehörden und einen besseren europaweiten Datenaustausch. Wichtig erscheint uns überdies ein Punkt, der zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität unerlässlich ist, der jedoch zunächst in nationale Zuständigkeit fällt - das Mittel der Beweislastumkehr. Jetzt gilt: der Staat muss den Nachweis erbringen, dass sichergestelltes Geld aus einer konkreten Straftat stammt. Im Fall der Beweislastumkehr müsste der Tatverdächtige nachweisen, dass er sein Vermögen legal erworben hat. Erbringt er den Beweis nicht, kann der Staat das Vermögen einziehen. Eine solche harmonisierte Regelung auf europäischer Ebene wäre ein effektiver Schritt um organisierten kriminellen Gruppen das Handwerk zu legen. Die Möglichkeit zur Abschöpfung von Vermögenswerten, die aus kriminellen Handlungen stammen, wurden in Deutschland in jüngster Zeit verbessert. Aber letztlich liegt die Beweispflicht noch immer nicht beim Tatverdächtigen, das macht ein zeitraubendes und aufwändiges Verfahren notwendig, das zudem noch mit der Unsicherheit gerichtlicher Entscheidungen behaftet ist. Das machen andere europäische Länder definitiv besser.“
Mit der jetzt vorgelegten Strategie soll unter anderem eine bessere Zusammenarbeit in der Strafverfolgung und Justiz erreicht werden. Laut Kommission setzen sich 65 % der kriminellen Vereinigungen in der EU aus mehreren Nationalitäten zusammen. Ein wirksamer Informationsaustausch zwischen Strafverfolgungs- und Justizbehörden sei somit in der gesamten EU wichtig, um die organisierte Kriminalität effektiv zu bekämpfen. Die Kommission beabsichtigt die Europäische multidisziplinäre Plattform gegen kriminelle Bedrohungen (EMPACT) zu stärken, zu modernisieren und ihre Mittel aufzustocken. EMPACT bringt seit 2010 alle einschlägigen europäischen und nationalen Behörden zusammen, um vorrangige kriminelle Bedrohungen zu ermitteln und gemeinsam zu bekämpfen. Die Kommission möchte in diesem Zusammenhang vorschlagen, den Prüm-Rahmen für den Austausch von Informationen über DNA, Fingerabdrücke und Fahrzeugregistrierung zu verbessern. Außerdem beabsichtigt sie, einen EU-Kodex für die polizeiliche Zusammenarbeit vorzuschlagen, der die unterschiedlichen EU-Instrumente und multilateralen Kooperationsabkommen rationalisiert, damit die Zusammenarbeit in der Strafverfolgung in der gesamten EU verbessert wird und auf Grundlage eines zeitgemäßen Regelwerks erfolgt. Ziel der Kommission ist es, bis 2023 die Interoperabilität der Informationssysteme für Sicherheit, Grenzmanagement und Migrationssteuerung zu erreichen und so die Strafverfolgungsbehörden dabei zu unterstützen, häufig begangenen Identitätsbetrug besser aufzudecken und zu bekämpfen.
Der stellvertretende DPolG Bundesvorsitzende und Vorsitzende der DPolG Bundespolizeigewerkschaft Heiko Teggatz sagt dazu: „Wer die große Errungenschaft des freien Personen- und Warenverkehrs über die EU-Binnengrenzen hinweg auch künftig gewährleisten will, kommt an einem effektiven und wirksamen Grenzschutz an Europas äußeren Land- und Seegrenzen nicht vorbei. In diesem Zusammenhang müssen auch die Partnerländer außerhalb Europas eine noch größere und verlässlichere Rolle spielen als bisher. Wer glaubt, nationale Alleingänge könnten irgendetwas bewegen, irrt auf ganzer Linie.“
von Elisabeth Schnell