Ruhen von Unfallruhegehalt

Die Ruhensvorschriften für das Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Renten finden auch auf ein erhöhtes Unfallruhegehalt Anwendung.

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2020 – 4 S 2906/19 –

Der Fall

Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung von Rentenzahlungen auf sein erhöhtes Unfallruhegehalt gemäß dem früheren § 37 Gesetz BeamtVG bzw. heutigen § 52 LBeamtVG.

Der Kläger wurde 1971 Beamter und war zuletzt Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11). Er erhält seit 1999 Versorgungsbezüge. Wegen eines qualifizierten Dienstunfalls wurden die Versorgungsbezüge mit Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (LBV) vom 11.05.2005 auf 80 v.H. aus der Besoldungsgruppe A 13 festgesetzt; im Bescheid wird auf die Anrechnung etwaiger Renten hingewiesen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, und erhob nach dessen Ablehnung Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart. Zur Begründung führte er an, dass die festgesetzte Höhe des erhöhten Unfallruhegehalts „losgelöst von Kriterien wie Dienstzeit“ deutlich mache, dass der Gesetzgeber bewusst diese Art der Leistung unter dem Titel Unfallfürsorge gesondert führe, eine Anrechnung deshalb nicht geboten sei. Mit Urteil vom 27.06.2019 (10 K 994/16) hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des LBV in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2016 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger ab dem 01.03.2014 Versorgungsbezüge ohne Anrechnung von Rentenzahlungen zu gewähren. Es führte aus, dass die Anrechnung gegen die Sperrwirkung des § 63 LBeamtVG verstoße. Dort seien die möglichen Begrenzungen der Unfallfürsorgeansprüche abschließend aufgezählt. Dies gelte auch für das erhöhte Unfallruhegehalt nach § 52 LBeamtVG. Denn § 63 LBeamtVG regele die Anrechnung von Drittleistungen und unterscheide zwischen anrechenbaren und nicht anrechenbaren Drittleistungen. Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt.

Die Entscheidung

Der VGH Baden-Württemberg hat der Berufung stattgegeben, die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Maßgeblich sind die Vorschriften des Landesbeamtenversorgungsgesetzes. § 108 LBeamtVG findet auch auf das erhöhte Unfallruhegehalt Anwendung, § 63 LBeamtVG entfaltet insoweit keine Sperrwirkung, und auch die konkrete Berechnung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Für die Unfallfürsorge ist das Recht maßgeblich, das im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegolten hat, sofern sich nicht eine Neuregelung ausdrücklich Rückwirkung beimisst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2012 - 2 C 41.11). Entsprechend bestimmt § 102 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG, dass der Versorgung der bei Inkrafttreten vorhandenen Ruhestandsbeamten - wie dem Kläger - der Ruhegehaltssatz, die ruhegehaltfähige Dienstzeit, die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge, die prozentuale Verminderung des Ruhegehalts aufgrund vorzeitiger Ruhestandsversetzung und die Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet, wie sie sich aus der letzten bestandskräftigen Festsetzung vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes unter Berücksichtigung der seither vorgenommenen Anpassungen der Versorgungsbezüge ergeben, zugrunde zu legen sind. Die Vorschrift gilt nach § 102 Abs. 4 Satz 3 LBeamtVG für das Unfallruhegehalt entsprechend. Nach § 102 Abs. 4 Satz 1 LBeamtVG steht für die bei Inkrafttreten dieses Gesetz vorhandenen Unfallfürsorgeberechtigten ein vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erlittener Dienstunfall oder Einsatzunfall im Sinne des Beamtenversorgungsgesetzes in der bis zum 31.08.2006 geltenden Fassung dem Dienstunfall oder Einsatzunfall im Sinne dieses Gesetzes gleich.

Dass auch Unfallfürsorgeleistungen (je nach Leistung) Versorgung darstellen, ergibt sich bereits aus ihrer systematischen Einordnung als 5. Abschnitt des Zweiten Teils „Versorgung“ des LBeamtVG. § 17 Satz 1 Nr. 5 LBeamtVG bestimmt unter der Überschrift „Arten der Versorgung“ ausdrücklich, „Versorgungsbezüge sind ... Versorgung bei Dienstbeschädigung“. Insoweit wird zwar - im Unterschied zu den Nr. 1-4 und 6 der Vorschrift - nicht der im Gesetz als Überschrift des jeweiligen Abschnitts verwendete Begriff genannt, aber die Entsprechung zwischen den anderen Nummern und Abschnitten und der Beibehaltung der Reihenfolge im Gesetz macht deutlich, dass insoweit der 5. Abschnitt „Unfallfürsorge“ gemeint ist. Explizit regelt § 2 Nr. 4 BeamtVG, „Versorgungsbezüge sind Unfallfürsorge“. Außerdem bestimmt § 17 Satz 2 LBeamtVG, bei „Anwendung der Anrechnungs-, Ruhens- und Kürzungsvorschriften gelten Unterhaltsbeiträge als Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld“. Die Vorschrift zeigt, dass Ruhensvorschriften durchaus auf Unfallfürsorgeleistungen Anwendung finden. Dies ergibt sich zudem daraus, dass gemäß § 68 Abs. 4 Satz 1 LBeamtVG bei Beamten mit Anspruch auf „Versorgung nach § 53“ LBeamtVG nach Vornahme einer Ruhensberechnung ein Mindestbetrag zu verbleiben hat. Entsprechendes folgt aus § 63 Nr. 2 BeamtVG . Auch aus § 29 Abs. 4 Hs. 2 LBeamtVG ergibt sich, dass Unfallfürsorge Versorgung ist bzw. sein kann, indem dort normiert ist, dass eine solche Versorgung (u.a.) auch Beamten auf Probe zustehen kann, für die ein selbständiger Anspruch auf Versorgung durch Halbsatz 1 ausgeschlossen ist.

Der Einwand, dass Unfallfürsorgeleistungen zwar Versorgung im weiteren Sinne seien, aber eben keine Versorgungsbezüge, überzeugt nicht. So zeigt § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 (ggf. i.V.m. Abs. 4 Satz 1) LBeamtVG, dass es sich beim erhöhten Unfallruhegehalt um Versorgungsbezüge handelt, auf die Ruhensvorschriften Anwendung finden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum beim Zusammentreffen von eigener Versorgung und Witwengeld eine Anrechnung erfolgt - wenn auch im Falle eines erhöhten Unfallruhegehalts mit einer entsprechend erhöhten Höchstgrenze -, sie hingegen ausbleiben soll, wenn erhöhtes Unfallruhegehalt und Rente zusammentreffen.

Auch auf Bundesebene - auf die zur Auslegung zurückgegriffen werden kann, weil § 108 LBeamtVG im Wesentlichen § 55 BeamtVG entsprechen soll (s.o.) - gilt nichts Anderes. Die Übergangsregelung des § 69e Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG zu § 55 BeamtVG (Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Renten), die gemäß § 69e Abs. 6 Satz 2 BeamtVG im Unterschied zu anderen Vorschriften auch für Bezieher eines erhöhten Unfallruhegehalts gilt, illustriert dies. Der Gesetzgeber ging offenbar selbstverständlich von der Anwendbarkeit des § 55 BeamtVG aus und betrachtete das erhöhte Unfallruhegehalt als Ruhegehalt; ansonsten hätte es der Sondervorschriften nicht bedurft.

Dieses Ergebnis entspricht schließlich Sinn und Zweck der Ruhensvorschrift des § 108 LBeamtVG, wie die Gesetzesbegründung zeigt: „Wie bisher soll damit sichergestellt werden, dass die Gesamtversorgung aus beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen und sonstigen Renten die Höchstversorgung eines ‚Nur-Beamten‘ nicht übersteigt“ (LT-Drs. 14/6694, S. 556). Die Norm entspricht im Wesentlichen § 55 BeamtVG, dessen Verfassungsmäßigkeit zwischen den Beteiligten ebenso unstreitig ist wie die Einbeziehung von Renten der gesetzlichen Rentenversicherung durch ihn (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.09.1987 - 2 BvR 933/82 -). Die Norm dient dazu, „eine nicht gerechtfertigte Überversorgung von Mischlaufbahn-Beamten im Vergleich zu Nur-Beamten aus der Welt zu schaffen“ (BVerfG, a.a.O. Rn. 117). Eine solche Überversorgung tritt beim Zusammentreffen von „normaler“ Versorgung und Rente ebenso ein wie beim Zusammentreffen von (erhöhtem) Unfallruhegehalt und Rente. Der Gesetzgeber ging offensichtlich davon aus, seiner Fürsorgepflicht bzw. - wie es der Kläger formuliert - seiner gesteigerten Verantwortung durch die Regelung des § 52 LBeamtVG Genüge zu tun. Rechnete man die Rente beim Kläger nicht an, stünde er doch wieder besser als ein „Nur-Beamter“, der nach einem qualifizierten Dienstunfall „nur“ ein erhöhtes Unfallruhegehalt bezieht. Entspricht daher eine Anrechnung dem Zweck des § 108 LBeamtVG, stellte ein Absehen von einer Anrechnung eine begründungsbedürftige Ausnahme dar, für die es an einer Sonderregelung fehlt.

Einwände gegen die konkrete Berechnung werden nicht geltend gemacht. Rechts- oder Rechenfehler sind auch nicht zu erkennen. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG werden Versorgungsbezüge für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes vorhandenen Beamten, früheren Beamten oder Versorgungsempfänger neben Renten nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze gezahlt, d.h. die Versorgung ruht, soweit zusammen mit einer Rente die Höchstgrenze überschritten wird. Als Renten in diesem Sinne gelten u.a. Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen (§ 108 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 LBeamtVG).

Vereinfacht gesagt knüpft die Höchstgrenzenberechnung mithin hinsichtlich „normaler“ Versorgungsbezüge, die sich nach Dienstbezügen und Dienstzeit richten, an besonders günstige Berufsbiographien an, auch wenn der konkrete Beamte eine solche nicht vorzuweisen hat. Das erhöhte Unfallruhegehalt geht jedoch deutlich darüber hinaus, indem nach § 52 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG 80 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der übernächsten Besoldungsgruppe zugrunde gelegt werden. Durch ein erhöhtes Unfallruhegehalt ist die Höchstgrenze zwangsläufig erreicht, sodass eine daneben bezogene gesetzliche Altersrente in voller Höhe angerechnet wird bzw. in ihrem Umfang das

Die Revision ist nicht zugelassen.

Das Fazit

Der VGH Baden-Württemberg hat erstmalig explizit entschieden, dass auch bei einem qualifizierten Unfallruhegehalt i. H. v. 80 % es grundsätzlich zu einer Anrechnung von Rentenzahlungen kommt und ein Unfallruhegehalt keinen diesbezüglich gesonderten Tatbestand bei den allgemeinen Ruhensregelungen darstellt.

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