Tätowierungsverbot an sichtbaren Stellen für Bayerische Polizeivollzugsbeamte

1. Mit der Neufassung des Art. 75 Abs. 2 Satz 2 Bayrischen Beamtengesetz (BayBG) im Jahr 2018 hat der bayerische Gesetzgeber unmittelbar die parlamentarische Leitentscheidung getroffen, dass sich Polizeivollzugsbeamte in dem beim Tragen der (Sommer-)Uniform sichtbaren Körperbereich nicht tätowieren lassen dürfen.

2. Das in Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG normierte Verbot für Polizeivollzugsbeamte, sich an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen im sichtbaren Bereich tätowieren oder vergleichbar behandeln zu lassen, verletzt weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht dieser Beamten noch verstößt es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn dieses Verbot ist geeignet und erforderlich, das vom Gesetzgeber vorgegebene Ziel eines einheitlichen und neutralen Erscheinungsbildes der Polizei zu fördern.

BVerwG, Urteil vom 14.05.2020 –2 C 13.19–

Der Fall

Als bayrischer Polizeivollzugsbeamter beantragte der Kläger vergeblich, eine ihm beim Tragen der Dienstkleidung sichtbare Tätowierung mit dem verzierten Schriftzug „aloha“ (Größe max. 15 x 6 cm Gesamtfläche) auf dem Unterarm zu gestatten. Seine dagegen gerichtete Klage und die Berufung blieben erfolglos.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, das im Jahr 2018 ergänzte Bayerische Beamtengesetz enthalte eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage, die die oberste Dienstbehörde ermächtige, das Tragen von Tätowierungen zu reglementieren. Der Kläger sieht sich durch die Ablehnung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Es sei erforderlich, für einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nicht nur auf eine Rechtsgrundlage zu verweisen, sondern vielmehr sei es zusätzlich erforderlich, das plausible und nachvollziehbare Gründe durch die oberste Dienstbehörde benannt werden können, daran fehle es jedoch.

Die Entscheidung

Die Revision ist unbegründet. Zwar verletzt die Begründung des Verwaltungsgerichtshofs, mit der Art. 75 Abs. 2 BayBG in der Fassung vom 18. Mai 2018 als bloße Ermächtigungsgrundlage so ausgelegt wird, dass die die oberste Dienstbehörde berechtigt sei, bereits ernannten Polizeivollzugbeamten - auch durch eine bloße Verwaltungsvorschrift - das Tragen einer Tätowierung im sichtbaren Bereich zu untersagen- revisibeles Recht (§ 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Das Urteil ist aber aus anderen Gründen richtig. Denn der vom Kläger beantragten Feststellung steht Art. 75 Abs. 2 BayBG entgegen, mit dem der Gesetzgeber, wie rechtlich geboten, die Entscheidung über die Zulässigkeit der Tätowierung im sichtbaren Bereich unmittelbar selbst getroffen hat.

Danach kann die oberste Dienstbehörde, soweit es das Amt erfordert, nähere Bestimmungen über das Tragen von Dienstkleidung und das während des Dienstes zu wahrende äußere Erscheinungsbild der Beamten und Beamtinnen treffen. Zu dieser Regelung ist der bayerische Gesetzgeber befugt. Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt, sowohl was die Tatbestandsmerkmale, als auch die Rechtsfolge betreffend. Die Auslegung der Norm durch das Berufungsgericht ist zwar mit Bundesrecht unvereinbar, das Berufungsurteil stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar. Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG genügt des Weiteren - auch unter ggf. gewandelten gesellschaftlichen Verhältnissen im Hinblick auf Tätowierungen- den sonstigen Anforderungen an die materielle Verfassungsmäßigkeit, insbesondere an die Verhältnismäßigkeit der Regelung. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung. Danach sind äußerlich erkennbare Tätowierungen und vergleichbare auf Dauer angelegte Körpermodifikationen im sichtbaren Bereich mit der Neutralitäts- und Repräsentationsfunktion von uniformierten Polizeivollzugsbeamten unvereinbar. Durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte individuelle Interessen der Polizeivollzugsbeamten an einer Tätowierung müssen für den - bezogen auf den Gesamtkörper beim Tragen der Dienstkleidung kleinen - sichtbaren Bereich gegenüber der Notwendigkeit eines einheitlichen und neutralen Erscheinungsbildes zurücktreten.

Der Dienstherr, der den Antrag eines Beamten in Bezug auf eine Tätowierung unter Hinweis auf das amtserforderliche äußere Erscheinungsbild ablehnt, greift in dessen durch Art. 2 Abs. 1 GG garantiert allgemeine Persönlichkeitsrecht ein. Der Eingriff reicht weiter als derjenige, Dienstkleidung anzulegen und Schmuck vor dem Dienst antritt abzulegen, weil er das auf Dauer angelegte äußere Erscheinungsbild des beim Tragen der Uniform sichtbaren Körperbereichs des Beamten betrifft.

 

Die Tatbestandsmerkmale des Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG - sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale - sind der Auslegung mit den herkömmlichen juristischen Methoden nach Wortlaut, Systematik und Normzweck zugänglich und deshalb hinreichend bestimmt. Dem Gesetzgeber geht es allein um Tattoos und vergleichbare dauerhafte Körpermodifikationen (etwa Brandings, Fleshtunnels u.a.), die beim Tragen von Dienstkleidung sichtbar sind und dadurch Einfluss auf das nach Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayBG maßgebliche äußere Erscheinungsbild des Beamten haben, der Dienstkleidung tragen muss. Die Sommeruniform zugrunde gelegt, handelt es sich bei diesem sichtbaren Körperbereich auch um die Unterarme.

Ein Tatoo in Größe von 15 cm x 6 cm ist dort für Dritte ohne Weiteres sichtbar.

Nach Maßgabe von Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG erachtet der bayerische Gesetzgeber Tätowierungen an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen eines zum Tragen von Dienstkleidung verpflichteten Polizeivollzugsbeamten als sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale als geeignet, die Neutralitätsfunktion der Uniform zu beeinträchtigen.

Das Fazit

Das Bayerischen Beamtengesetz selbst regelt für im Dienst stehende Polizeivollzugsbeamte ein hinreichend vorhersehbares und berechenbares Verbot für Tätowierungen und andere nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale (wie etwa ein Branding oder ein Ohrtunnel) im beim Tragen der Uniform sichtbaren Körperbereich. Danach sind äußerlich erkennbare Tätowierungen und vergleichbare auf Dauer angelegte Körpermodifikationen im sichtbaren Bereich mit der Neutralitäts- und Repräsentationsfunktion von uniformierten Polizeivollzugsbeamten unvereinbar. Durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte individuelle Interessen der Polizeivollzugsbeamten an einer Tätowierung müssen für den - bezogen auf den Gesamtkörper beim Tragen der Dienstkleidung kleinen - sichtbaren Bereich gegenüber der Notwendigkeit eines einheitlichen und neutralen Erscheinungsbildes zurücktreten.

 

Quelle: Urteil und Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.05.2020

vorgehend:

VG Ansbach, AZ: VG AN 1 K 15.01449

VGH München, AZ: VGH 3 BV 16.2072

 

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