Späterer Beginn der altersbedingten Stundenreduzierung für Lehrkräfte

Ein Normenkontrollantrag einer Lehrerin gegen die Anhebung des Beginns der altersbedingten Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung schulischer Lehrkräfte von 60 auf 62 Jahre bleibt erfolglos.

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.06.2021 –1 K 132/20–

Der Fall

Die Regelstundenzahl für vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte an Gymnasien in Sachsen-Anhalt liegt entsprechend der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-LehrLSA) bei 25 Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten. Zum 1. Februar 2020 wurde die sogenannte Altersermäßigung zur Entlastung der Lehrkräfte, mit der die Regelstundenzahl nach Vollendung des 60. Lebensjahres im anschließenden Schulhalbjahr um zwei Unterrichtsstunden reduziert wird, geändert und die Altersgrenze auf 62 angehoben (§ 5 Abs. 1 ArbZVO-Lehr LSA n. F.).

Die Antragstellerin unterrichtet an einem Gymnasium in Sachsen-Anhalt. Altersbedingt wäre nach der früheren Fassung des § 5 Abs. 1 ArbZVO-Lehr LSA die Zahl ihrer Unterrichtsstunden ab dem Schuljahr 2020/2021 von 25 auf 23 Unterrichtsstunden reduziert worden. Wegen der Verordnungsänderung kam es nicht dazu. Die Anhebung des Beginns der Altersermäßigung um zwei Jahre für Lehrkräfte, die erst nach dem 31. Juli 2019 ihr 60. Lebensjahr vollendeten, sei mit höherrangigem Recht, insbesondere der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gemäß Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG) und dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, nicht vereinbar, sie erhob deshalb eine Normenkontrollklage.

Die Entscheidung

Mit Beschluss vom 23. Juni 2021 hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt in einem Normenkontrollverfahren den Antrag der Lehrerin abgelehnt, die Anhebung des Beginns der altersbedingten Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung schulischer Lehrkräfte von 60 auf 62 Jahre für unwirksam zu erklären.

Die Anknüpfung der Altersermäßigung um zwei Unterrichtsstunden an die Vollendung des 62. Lebensjahres der Lehrkräfte verstoße nicht gegen Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz, wonach das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln ist. Es bestehe kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, dass der Umfang der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung einer Lehrkraft im Beamtenstatus aus Altersgründen ermäßigt werden müsse. Eine übermäßige Belastung sei nicht erkennbar. Wie für andere Landesbeamtinnen und -beamte auch sei die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der im Beamtenverhältnis stehenden Lehrkräfte auf 40 Stunden festgelegt. Bei Lehrkräften bestehe allerdings die Besonderheit, dass ihre Arbeitszeit nur hinsichtlich der eigentlichen Unterrichtsstunden exakt messbar sei, während sie im Übrigen entsprechend der pädagogischen Aufgabe wegen der erforderlichen Unterrichtsvorbereitung, der Korrekturen, Elternbesprechungen, Konferenzen und dergleichen nicht im Einzelnen in messbarer und überprüfbarer Form bestimmt, sondern nur – grob pauschalierend – geschätzt werden könne.

Das Unterrichten sei die Aufgabe, die speziell ältere Lehrkräfte am stärksten fordere und belaste. Ermäßigungen der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung für ältere Lehrkräfte trügen dem Umstand Rechnung, dass diese psychischen und physischen Auswirkungen der Unterrichtserteilung von älteren Lehrkräften stärker als von jüngeren empfunden werden und dass ältere Lehrkräfte auch für die dienstlichen Verrichtungen außerhalb der Unterrichtserteilung infolge altersbedingter Einschränkungen bei typisierender Betrachtung möglicherweise mehr Zeit und Aufwand benötigten. Gekürzt sei damit das Pensum an Unterricht, das die älteren Lehrer während der auch für sie geltenden allgemeinen Wochenarbeitszeit zu leisten haben, nicht aber die Arbeitszeit selbst.

Ob wegen des typischerweise längeren zeitlichen Aufwands zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts älteren Lehrkräften ein geringeres Unterrichtsdeputat auferlegt werde als jüngeren und gegebenenfalls ab welchem Lebensalter und in welchem Umfang die regelmäßige Unterrichtsverpflichtung der älteren Lehrkräfte reduziert werde, bestimme der Dienstherr in Wahrnehmung einer ihm zustehenden Einschätzungsprärogative bzw. eines ihm eingeräumten Organisationsermessens. Eine Ermäßigung der Regelstundenzahl nach Vollendung des 60. Lebensjahrs sei fürsorgerechtlich nicht geboten. Vielmehr handele es sich bei der Gewährung der Stundenermäßigung aus Altersgründen nach § 5 Abs. 1 ArbZVO-Lehr LSA um eine freiwillige, im Ermessen des Dienstherrn stehende Maßnahme der Arbeitserleichterung. Für die Annahme, dass etwa Lehrkräfte an öffentlichen Gymnasien, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, bei generalisierender und pauschalierender Anschauung zeitlich über ihr physisches und psychisches Leistungsvermögen hinaus in Anspruch genommen werden, wenn sie im Durchschnitt wöchentlich die volle Regelstundenzahl von 25 Unterrichtsstunden erteilen, gebe es keinen Anhaltspunkt. Wo beamtete Lehrkräfte im Einzelfall altersbedingt von dauerhaften körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen betroffen seien, könne und müsse der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht dadurch entsprechen, dass er die für Fälle der begrenzten Dienstfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit einschlägigen Rechtsvorschriften anwende.

Die Beschränkung der Entlastung bei der Unterrichtserteilung auf Lehrkräfte, die das 62. Lebensjahr vollendet haben, stehe auch mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang. Im Fall einer Ermäßigung der regelmäßigen Unterrichtsverpflichtung bei älteren Lehrkräften bilde die Vollendung eines bestimmten Lebensalters naturgemäß ein sachliches Differenzierungskriterium. Mit der Festlegung auf die Vollendung des 62. Lebensjahrs habe der Verordnungsgeber die Grenzen seiner normativen Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Die Verschiebung des Beginns der Altersermäßigung um zwei Jahre diene dazu, das Regelmaß der Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte an die bereits um zwei Jahre heraufgesetzte beamtenrechtliche Regelaltersgrenze anzupassen.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.

Das Fazit

Es ist kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, dass der Umfang der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung einer verbeamteten Lehrkraft aus Altersgründen ermäßigt werden muss. Zwar muss der Dienstherr im Rahmen seiner Fürsorgepflicht auch eine altersbedingte Einschränkung der Dienstfähigkeit berücksichtigen, das kann aber auch durch die Festlegung einer sognannten Altersermäßigung per Verordnung erfolgen, die als sachliches Kriterium an die Vollendung des 62. Lebensjahres anknüpft und auch die ebenfalls entsprechend heraufgesetzte Regelaltersgrenze widerspiegelt.

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