Schadensersatzanspruch wegen Unfalls mit privatem Auto auf Autobahnraststätte nach Aufsuchen einer Toilette

Bei einem Verkehrsunfall eines Beamten während einer Dienstreise mit seinem Privatfahrzeug nach dem Toilettengang auf einer Autobahnraststätte hat er Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Dienstherrn.

Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil vom 03.11.2020 - RO 12 K 19.2080 –

Der Fall

Ein bayerischer Landwirtschaftsamtmann durfte für einen Außentermin im Mai 2019 seinen privaten Wagen nutzen. Anschließend fuhr er mit diesem auf der Autobahn nach Hause. Auf der Rückfahrt hielt er an einer Autobahnraststätte um die Toilette zu benutzen. Als er wieder auf die Autobahn auffahren wollte, kam es zu dem Verkehrsunfall. Wegen des dadurch entstandenen Schadens an seinem Fahrzeug, beantragte er von seinem Dienstherren Sachschadensersatz. Das wurde von diesem mit der Begründung abgelehnt, dass der mit dem Dienst zusammenhängende Weg nach und von der Dienststelle nur insoweit geschützt sei, als er seine wesentliche Ursache im Dienst(-weg) habe. Der innere Zusammenhang mit dem Dienst werde grundsätzlich durch Abwege, Umwege oder Unterbrechungen unterbrochen. Eine Unterbrechung sei eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die in das Zurücklegen des Weges eingeschoben werde. Es bestehe ausnahmsweise Unfallschutz, wenn die Unterbrechung lediglich unwesentlich sei. Keine unwesentliche Unterbrechung sei das Verlassen des öffentlichen Verkehrsraums als Fußgänger bzw. bereits das Aus- oder Absteigen als Kraftfahrer. Der Beamte sah dies anders und erhob Klage.

Die Entscheidung

Das Verwaltungsgericht Regensburg hat in dem inzwischen rechtskräftigen Urteil entschieden, dass es sich bei dem Unfall um einen Dienstunfall handelte. Der Verkehrsunfall sei in Ausübung bzw. infolge des Dienstes eingetreten. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist die Ermessensvorschrift des Art. 98 Abs. 2 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) und gründet auf der Fürsorgepflicht des Dienstherrn für seine Beamten und ihre Familien, die grundsätzlich und in gewissen Grenzen auch den Schutz des Eigentums umfasst. Diese Grenzen hat der Gesetzgeber in Art. 98 BayBG konkretisiert und in dessen Absatz 2 den Ersatz von Sachschäden bei Unfällen geregelt. Das Dienstunfallrecht schließt die Anwendung des Art. 98 BayBG nicht aus, Art. 45 Abs. 4 Satz 2 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG). Werden in Ausübung oder infolge des Dienstes Gegenstände, die üblicherweise oder aus dienstlichem Grund im Dienst mitgeführt werden, durch einen Unfall beschädigt oder verloren, so kann der Dienstherr dafür Ersatz leisten, sofern der Beamte oder die Beamtin den Schaden nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Das Schadensereignis erfüllt den Begriff des "Unfalls" im Sinne des Art. 98 Abs. 2 BayBG. Darunter ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Schaden verursachendes Ereignis zu verstehen. Der Begriff der äußeren Einwirkung ist, wie im klassischen Dienstunfallrecht, weit zu ziehen und umfasst auch durch eigenes - allerdings nicht bewusst selbstschädigendes - Handeln ausgelöstes Geschehen, auch wenn dieses Handeln als Ungeschicklichkeit zu werten ist. Vorliegend hat der Kläger auch nicht bewusst selbstschädigend gehandelt. Bei dem privaten Wagen des Klägers handelt es sich auch um einen "mitgeführten" Gegenstand. Die Dienstreise war mit dem Pkw genehmigt.

Schließlich ist das maßgebliche Ereignis auch "in Ausübung oder infolge des Dienstes" eingetreten. Voraussetzung hierfür ist, dass der Beamte den Unfall bei einer Tätigkeit erleidet, die im engen natürlichen Zusammenhang mit seinen eigentlichen Dienstaufgaben oder sonstigen dienstlich notwendigen Verrichtungen oder dem dienstlichen Über- und Unterordnungsverhältnis steht, bei der der Beamte also gewissermaßen "im Banne" des Dienstes steht. Der danach erforderliche Zusammenhang des Unfalls mit dem Dienst ist im Regelfall gegeben, wenn sich der Unfall während der Dienstzeit am Dienstort ereignet hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil v. 24.10.1963). Maßgebend ist der Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Dienstunfallfürsorge. Dieser liegt in einem über die allgemeine Fürsorge hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen, die außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten, also in dem Gefahrenbereich, in dem er entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig wird. Die dienstliche Sphäre wird im Allgemeinen durch die Dienstzeit und den Dienstort begrenzt. Ausgehend vom Zweck der gesetzlichen Regelung und dem Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos der Geschehnisse durch den Dienstherrn kommt dem konkreten Dienstort des Beamten eine herausgehobene Rolle zu. Er steht bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren räumlichen Risikobereichs ereignen, unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Zu diesem Bereich zählt der Dienstort, an dem der Beamte seine Dienstleistung erbringen muss, wenn dieser Ort zum räumlichen Machtbereich des Dienstherrn gehört. Risiken, die sich hier während der Dienstzeit verwirklichen, sind dem Dienstherrn zuzurechnen, unabhängig davon, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, dienstlich geprägt ist. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass diese Tätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Die Grundsätze tragen dem Umstand Rechnung, dass auch bei der Dienstausübung regelmäßig dienstliche und private Aspekte nicht streng voneinander zu trennen sind und es nur darum gehen kann, wann und unter welchen Voraussetzungen die auch bei der Ausübung des Dienstes naturgegebene "Gemengelage" eindeutig dem privaten Bereich des Beamten zuzurechnen ist. Der Beamte ist kein "Dienstausübungsautomat", sondern er bleibt auch im Dienst und auch bei der Ausübung des Dienstes ein Mensch mit seinen persönlichen Bedürfnissen, Gedanken und Empfindungen. Sein Verhalten schwankt - auch im Rechtssinne - nicht von Minute zu Minute zwischen Dienstausübung und außerdienstlichem Verhalten hin und her. Eine einengende, wörtliche Interpretation, die darauf abstellte, ob der Beamte gerade im Augenblick der Einwirkung des Ereignisses auf seinen Körper mit einer spezifisch dienstlichen Verrichtung befasst war, ginge deshalb an der Lebenswirklichkeit vorbei und risse Vorgänge, die bei lebensnaher Betrachtung nur als  Gesamtverhalten gewertet werden können, auseinander (BVerwG, Urteil v. 16.11.2016 - 2 C 17/1; Urteil v. 24.10.1963 - II C 10.62). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts umfasst der Dienstunfallschutz grundsätzlich auch den Aufenthalt in einem Toilettenraum des Dienstgebäudes (BVerwG, Urteil v. 17.11.2016 - 2 C 17/16).

Das Aufsuchen einer Toilette während einer Dienstreise an einem nahe gelegenen Ort und wenn der Beamte nicht unnötigerweise eine gefährliche Örtlichkeit aufsucht, gehört nach Ansicht der Kammer nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung jedenfalls im zu Grunde liegenden Fall einer (unvorhergesehenen) Pause zur Verrichtung der Notdurft zu einer Tätigkeit, die ebenfalls vom Banne des Dienstes erfasst ist. Dafür spricht auch, dass auch das Aufsuchen einer Toilette im Dienstgebäude zu den unfallgeschützten Tätigkeiten gehört (BVerwG, Urteil v. 17.11.2016 - 2 C 17/16).

Auf der Rechtsfolgenseite sieht Art. 98 Abs. 2 BayBG vor, dass der Dienstherr dafür Ersatz leisten "kann", sofern der Beamte oder die Beamtin den Schaden nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten ist für das Gericht weder erkennbar noch vom Beklagten in den Raum gestellt worden Nach diesem Wortlaut obliegt dem Dienstherrn im Rahmen des Sachschadensersatzes eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Frage, ob eine solche erfolgt und in einem weiteren Schritt in welcher Höhe die Erfüllung übernommen wird.

Das Fazit

Erleidet ein Beamter während einer Dienstreise auf einer Autobahnraststätte nach dem Aufsuchen einer Toilette einen Verkehrsunfall mit seinem privaten Pkw, so steht ihm gegenüber seinem Dienstherren ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Denn das Aufsuchen der Toilette während einer Dienstreise an einem nahegelegenen Ort gehört zu den unfallgeschützten Tätigkeiten eines Beamten, wenn dieser nicht unnötigerweise eine gefährliche Örtlichkeit aufsucht.

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