Gesundheitsschaden nach Corona-Impfung ist kein Dienstunfall

Eine Corona-Impfung kann nach Auftreten eines Körperschadens bei einer Lehrerin nicht als Dienstunfall anerkannt werden, auch wenn die Beamtin sich nach ihrer Einordnung in die Priorisierungsgruppe II der Impfung unterzogen hat.

Verwaltungsgericht Mainz, Urteil vom 12.05.2023 -4 K 573/22MZ-

Der Fall

Eine Grundschullehrerin ließ sich infolge ihrer Einstufung in die Priorisierungsgruppe II im Frühjahr 2021 im Impfzentrum einer Stadt gegen COVID-19 impfen. Unmittelbar danach traten diverse körperliche Beschwerden und Einschränkungen auf. Ende 2021 beantragte die Beamtin die Anerkennung ihres Impfschadens als Dienstunfall, sie sei nach der Impfung im Krankenhaus behandelt worden und dauerhaft dienstunfähig. Das beklagte Land Rheinland-Pfalz lehnte den Antrag der Klägerin auf Anerkennung eines Dienstunfalls ab, weil es sich bei der COVID-19-Impfung nicht um eine Dienstveranstaltung im Sinne des § 42 Satz 2 Nr. 2 des Landesbeamtengesetzes (LBeamtVG) handele. Die Veranstaltung habe nicht der Bewältigung der eigentlichen dienstlichen Aufgabe gedient, da die Impfung im Impfzentrum nicht in der Verantwortung des Dienstherrn lag. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und führte aus, die Durchführung im Impfzentrum hindere die Anerkennung eines Dienstunfalls nicht. Vielmehr habe das Bundesverwaltungsgericht schon im Jahr 2013 entschieden, dass auch freiwillige Grippeschutzimpfungen eine dienstliche Veranstaltung sein könnten, wenn sie vollständig in der Verantwortung des Dienstherrn lägen und dienstlichen Interessen dienten. Hier seien die Auswirkungen der SARS-CoV-19-Pandemie Anfang des Jahres 2021 auf den gesamten Schulbetrieb im Land zu berücksichtigen, denn nur die umfassende Impfung aller im Schulbetrieb tätigen Beamten habe dessen Aufrechterhaltung sichergestellt. Auch ihre Priorisierung als Lehrerin stelle zumindest einen mittelbaren Zusammenhang mit dem Dienstbetrieb her. Insoweit habe die Impfung einem dienstlichen Interesse gedient. Die Priorisierung habe auch ihrer besonderen Gefährdungslage in der Schule entsprochen.

Die Entscheidung

Nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens blieb nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts auch die Klage ohne Erfolg.

Die Klägerin kann nicht die Verpflichtung des Beklagten beanspruchen, das Ereignis als Dienstunfall anzuerkennen.

Ob ein Dienstunfall vorliegt, beurteilt sich nach demjenigen Recht, das in dem Zeitpunkt galt, in dem sich der Unfall ereignete, sofern sich eine Neuregelung nicht ausdrücklich – in der Regel den Beamten begünstigende – Rückwirkung beimisst (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2018 – 2 C 18.17 –). Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung ist § 42 LBeamtVG Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 18. Juni 2013.

Ein Dienstunfall im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist, wozu gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBeamtVG auch die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen gehört. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Zwar stellt die COVID-19-Impfung der Klägerin mit dem Impfstoff X im Impfzentrum möglicherweise ein plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Ereignis dar, das auch auf einer äußeren Einwirkung, nämlich der Verabreichung des Impfstoffes, beruhen dürfte. Hier fehlt es aber am erforderlichen Bezug zur dienstlichen Sphäre. Das Merkmal „in Ausübung des Dienstes“ setzt eine besonders enge ursächliche Verknüpfung des Ereignisses mit dem Dienst voraus (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. November 2016 – 2 C 17.16 –, vom 25. Februar 2010 – 2 C 81.08 – und vom 15. November 2007 – 2 C 24.06 –). Das schädigende Ereignis muss im Zusammenhang mit dem Dienst stehen. Maßgebend hierfür ist der Sinn und Zweck der beamtenrecht-lichen Dienstunfallfürsorge. Dieser liegt in einem über die allgemeine Fürsorge hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen, die außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten, also in dem Gefahrenbereich, in dem der Beamte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. August 2013 – 2 C 1.12 – und vom 25. Februar 2010 – 2 C 81.08 –). Ausgehend vom Zweck der gesetzlichen Regelung und dem Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos der Geschehnisse durch den Dienstherrn kommt dem konkreten Dienstort des Beamten eine herausgehobene Rolle zu. Der Beamte steht bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren räumlichen Risikobereichs ereignen, unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Zu diesem Bereich zählt der Dienstort, an dem der Beamte seine Dienstleistung erbringen muss, wenn dieser Ort zum räumlichen Machtbereich des Dienstherrn gehört. Risiken, die sich hier während der Dienstzeit verwirklichen, sind dem Dienstherrn zuzurechnen, unabhängig davon, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, dienstlich geprägt ist. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass diese Tätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Februar 2010 – 2 C 81.08 –, vom 22. Januar 2009 – 2 A 3.08 – und vom 15. November 2007 – 2 C 24.06 –).

Dienstliche Veranstaltungen im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBeamtVG sind kollektive – für alle Beamten des Dienstherrn oder einer Behörde oder für einen bestimmten Kreis von Bediensteten – geschaffene Maßnahmen oder Einrichtungen. Die Veranstaltung muss formell und materiell dienstbezogen sein. Um ihre entscheidende Prägung durch die dienstliche Sphäre zu erhalten, muss die Veranstaltung im Zusammenhang mit dem Dienst stehen, dienstlichen Interessen dienen (materielle Dienstbezogenheit) und – unmittelbar oder mittelbar – von der Autorität eines Dienstvorgesetzten getragen und damit in den weisungsgebundenen Dienstbereich einbezogen sein (formelle Dienstbezogenheit)

Gemessen an diesen Maßstäben ist die COVID-19-Impfung der Klägerin nicht der dienstlichen Sphäre zuzuordnen.

Die Impfung fand nicht in der Risikosphäre des Dienstherrn, sondern der Kommune statt. Das Impfzentrum, das die Impfung durchgeführt hat, stand weder organisatorisch noch materiell in der Verantwortung des Dienstherrn. Zwar wurde die Klägerin während ihrer Dienstzeit dort geimpft und hatte eine Bescheinigung ihrer Schule erhalten, um ihre Zugehörigkeit zur Priorisierungsgruppe II nachweisen zu können. Damit erfolgte die Impfung aber nicht in der Verantwortung des Dienstherrn. In der Bescheinigung über die Zugehörigkeit zur Priorisierungsgruppe II lag auch keine Anordnung, dass die Klägerin sich zu einem bestimmten Zeitpunkt während ihrer Dienstzeit impfen lassen solle. Die Bescheinigung diente vielmehr dazu, dass die Klägerin ihre Zugehörigkeit zur Priorisierungsgruppe II belegen konnte, wenn sie das Impfangebot für diese Gruppe wahrnehmen wollte.

Zugunsten der Klägerin ergibt sich nichts aus dem Schreiben der rheinland-pfälzischen Ministerin für Bildung. Darin teilt die Ministerin lediglich mit, das Personal in Kindertageseinrichtungen sowie das Grund- und Förderschulpersonal könne in der Impfreihenfolge vorgezogen werden, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass diese Berufsgruppen maßgeblich dazu beitragen, während der Pandemie das Bildungs- und Betreuungsangebot aufrechtzuerhalten, wo Mindestabstände nicht durchgängig eingehalten werden könnten. Das Schreiben informiert nur über ein Impfangebot; ausdrücklich wird für weitere Information und Beratung zur Impfung auf die Homepage www.corona.rlp.de verwiesen. Der Dienstherr hat damit deutlich gemacht, dass er keine inhaltliche Verantwortlichkeit für das Impfangebot übernimmt.

Die Priorisierung von Lehrkräften zeigt zwar, dass auch ein dienstliches Interesse an einer schnellstmöglichen Impfung bestand, insbesondere um das Infektionsrisiko im Präsenzunterricht zu reduzieren und die Gesundheit der Bediensteten zu erhalten. Insoweit geht die Klägerin zu Recht davon aus, der Dienstherr habe ebenfalls ein Interesse an geimpftem Schulpersonal gehabt. Dieses Interesse überwiegt aber nicht das private Interesse der Klägerin an einer COVID-19-Impfung, welches im maßgeblichen Zeitpunkt bei dem weit überwiegenden Teil der Bevölkerung in besonderem Maße vorhanden war (vgl. VG Hannover, Urteil vom 24. November 2022 – 2 A 460/22 –. Das gilt hier auch, obwohl die Klägerin vorgetragen hat, privat ihre Kontakte soweit reduziert zu haben, dass sie sich zum damaligen – frühen – Zeitpunkt aus privaten Gründen noch nicht hätte gegen Corona impfen lassen. Anlass ihrer Impfentscheidung sei vielmehr ihre Vorbildfunktion an einer Grundschule in einem kleinen Ort sowie das Werben der Politik für die Impfung gewesen. Nachvollziehbar ist insoweit, dass nach Ansicht der Klägerin diese Erwägungen nicht ihrem privaten, sondern dem dienstlichen Bereich zuzuordnen sind. Sie machen die Impfung aber nicht zu einer dienstlichen Veranstaltung im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBeamtVG, weil diese Motive der Klägerin weder die formelle noch die materielle Dienstbezogenheit der Veranstaltung insgesamt begründen können. Die Grundschullehrkräfte waren auch nicht wegen des Präsenzunterrichts oder der Notbetreuung einem derart erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt, dass sich daraus eine dienstlich veranlasste Notwendigkeit für eine Impfung ergeben hätte.

Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Schulbetriebs in Grundschulen im März 2021 durch den Hygieneplan-Corona für die Schulen in Rheinland-Pfalz (in der 7. überarbeiteten Fassung, gültig ab 22. Februar 2021) hat der Dienstherr diesem Umstand hier jedoch allein dadurch Rechnung getragen, dass er sich für eine priorisierte Impfmöglichkeit des Grundschulpersonals eingesetzt hat.

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob zwischen der Impfung als Unfallereignis und der Erkrankung der Klägerin als Körperschaden der notwendige Kausalzusammenhang im dienstunfallrechtlichen Sinne besteht, da sich der Unfall weder „in Ausübung des Dienstes“ noch im Rahmen einer dienstlichen Veranstaltung ereignet hat und bereits aus diesem Grund ein Dienstunfall im Sinne des § 42 Abs. 1 LBeamtVG ausscheidet.

Das Fazit

Eine Corona-Impfung kann nach Auftreten eines Körperschadens bei einer Lehrerin nicht als Dienstunfall anerkannt werden, auch wenn die Beamtin sich nach ihrer Einordnung in die Priorisierungsgruppe II der Impfung unterzogen hat.

Bei der Impfung in einem Impfzentrum handelte es sich nicht um eine dienstliche Veranstaltung und der Dienstherr hat durch die Priorisierung von Lehrkräften auch keine inhaltliche Verantwortung für das Impfangebot übernommen.

Gegen das Urteil kann Berufung eingelegt werden.

zurück