Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland

Ein Beamter, der die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland dadurch leugnet, dass er in einem Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises als Geburts- und Wohnsitzstaat auch für die Zeit nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland durchgehend "Königreich Bayern" angibt und sich mehrfach auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) "Stand 1913" bezieht, verletzt in schwerwiegender Weise seine Verfassungstreuepflicht (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG) und kann deshalb im Disziplinarwege aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

BVerwG, Urteil vom 02. Dezember 2021, BVerwG 2 A 7.21

Der Fall

Der Beklagte ist Regierungsobersekretär (Besoldungsgruppe A 7) im Bundesdienst, wird beim Bundesnachrichtendienst verwendet. Er hat 2015 beim Landratsamt S. einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und dabei durchgehend - auch hinsichtlich seines Geburtsortes, seiner aktuellen Anschrift, seiner Aufenthaltsorte seit seiner Geburt im Jahr 1985, der Lebensumstände seines 1953 geborenen Vaters und auch der von 1950 bis 2000 bestehenden Ehe seines 1913 geborenen Großvaters - "Königreich Bayern" angegeben und sich auf das "RuStaG Stand 1913" bezogen. Daraufhin leitete der BND ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und unterrichtete ihn schriftlich darüber. Der Sachverhalt gebe Anlass zur Prüfung, ob der Beklagte der "Reichsbürger"-Szene angehöre oder mit ihr sympathisiere. Mit der anschließenden Disziplinarklage wird ihm vorgeworfen, dass er weder plausibel habe erklären können, warum er einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt habe, noch warum er in dem Antrag zumindest zunächst auf das "Königreich Bayern" und das "RuStaG 1913" Bezug genommen habe. Er habe gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. Ein Beamter, der die Ideologie der "Reichsbürger" teile, werde der Verfassungstreuepflicht nicht gerecht, denn wesentlicher Teil dieser Ideologie sei die Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Zugleich habe er damit gegen seine Wohlverhaltenspflicht aus § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen.

Das weist der Beklagte u. a. mit dem Hinweis zurück, er habe kein Dienstvergehen begangen und sei verfassungstreu. Mit Ausnahme der Geschehnisse um die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises gebe es keine Anhaltspunkte, aus denen auf Gegenteiliges geschlossen werden könne. Unter anderem führt er an, man möge es merkwürdig finden, aber er habe die Angabe "Königreich Bayern" zunächst als "witzig" empfunden habe. Jedenfalls habe er "Reichsbürger"-untypisch nicht auf diesen Angaben beharrt, sondern sie ohne Weiteres geändert. Er habe es aufgrund seines geschichtlichen Interesses faszinierend gefunden, dass die Staatsangehörigkeit seiner Vorfahren vor 1914 relevant sein könnte. "Reichsbürger" beantragten Staatsangehörigkeitsausweise - mit entsprechenden Angaben - typischerweise, um im Falle einer Korrektur durch die zuständige Behörde in den Konflikt zu gehen, deren diesbezügliche Berechtigung zu negieren und damit nach außen tretend deutlich zu machen, dass die Bundesrepublik Deutschland als Staat abgelehnt werde. Ein solches Verhalten habe er aber gerade nicht an den Tag gelegt; er habe seine Angaben freiwillig korrigiert und sei nicht in einen Konflikt mit den Sachbearbeitern des Landratsamts getreten.

Die Entscheidung

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Disziplinarklage in erster und letzter Instanz (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO, § 45 Satz 5 BDG) entschieden. Die Entscheidung führt zu der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis (§ 60 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 5 sowie §§ 10 und 13 Abs. 2 Satz 1 BDG).

Mit seinem Verhalten hat der Beklagte ein Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) begangen. Er hat vorsätzlich und schuldhaft innerdienstlich seine aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG folgende Verfassungstreuepflicht sowie außerdienstlich seine Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten gemäß § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verletzt.

Ein Beamter muss danach sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Die Stellung eines schriftlichen Antrags eines Beamten auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter fortgesetzter Verwendung der Angaben "Königreich Bayern" sowie gemäß § 4 Abs. 1 "RuStaG Stand 1913" für antragsrelevante Umstände im Zeitraum nach Mai 1949 - wie Geburts- und Wohnsitzstaat des Antragstellers oder seiner Vorfahren - verletzt die dem Beamten obliegende Pflicht zur Treue zur Verfassung.

Da nach § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG das gesamte Verhalten des Beamten erfasst ist, ist die Treuepflicht als beamtenrechtliche Kernpflicht als solche unteilbar und nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt. Vielmehr ist auch das außerdienstliche Verhalten mit der Folge erfasst, dass bei einem pflichtwidrigen Verhalten wegen der Dienstbezogenheit stets ein innerdienstliches Dienstvergehen gegeben ist. Unerheblich ist auch, ob die Überzeugung des Beklagten Einfluss auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten hatte und dass es nicht zu konkreten Beanstandungen seiner Dienstausübung gekommen ist.

Beamte, die zum Staat in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, die für diesen Anordnungen treffen können und damit dessen Machtstellung durchsetzen, müssen sich zu der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Grundordnung des Grundgesetzes bekennen und für sie einstehen. Die Beamten müssen sich nicht die Ziele oder Maxime der jeweiligen Regierungsmehrheit zu eigen machen; sie müssen jedoch die verfassungsmäßige Ordnung als schützenswert annehmen und aktiv für sie eintreten. Im Staatsdienst können nicht solche Personen tätig werden, die die Grundordnung des Grundgesetzes ablehnen und bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <282>, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <346> und Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 2111/94 u.a. - BVerfGE 96, 171 <181>; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 18).

Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem auf Lebenszeit begründeten Beamtenverhältnis im Wege des Disziplinarverfahrens setzt nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG und §§ 5 und 13 BDG ein schweres Dienstvergehen voraus, durch das der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Ein Dienstvergehen ist erst dann gegeben, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht. Die zu beanstandende Betätigung muss zudem von besonderem Gewicht sein (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <350 f.> und Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - BVerfGK 13, 531 <540 f.>; EGMR, Urteil vom 26. September 1993 - 7/1994/454/535, Vogt - NJW 1996, 375 <376>; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 21 ff.).

Das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte "Mehr" als das bloße Haben und Mitteilen einer bestimmten Überzeugung ist nicht erst bei einem offensiven Werben des Beamten für eine mit der Verfassungstreuepflicht unvereinbaren politischen Überzeugung erreicht. So kann ein disziplinarisch zu ahndendes Dienstvergehen auch etwa darin liegen, dass ein Beamter seine der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderlaufende Einstellung durch das Tragen einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt kundtut, und zwar selbst dann, wenn er seine Überzeugung nur unter Gleichgesinnten offenbart, etwa um sich als von den "Anderen" abgrenzbare Gruppe zu identifizieren und zu solidarisieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 22 ff. und 29 f.)

Nach diesen Grundsätzen stellt die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter fortgesetzter Verwendung der Angaben "Königreich Bayern" und "gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913" eine Verletzung der Verfassungstreuepflicht dar. Denn wer auch bei Sachverhalten seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Staatsangehörigkeit auf Verhältnisse vor dieser Zeit - hier das 1918 untergegangene "Königreich Bayern" und das Deutsche Kaiserreich vor der Weimarer Republik - abstellt, verneint damit die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Es ist schlechterdings unmöglich, die rechtliche Existenz dieses Staates zu leugnen und sich zugleich zu dessen Grundordnung zu bekennen und sich für diese einzusetzen, wie es § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG verlangt. Er negiert damit zugleich die Grundlagen seines Beamtenverhältnisses und verletzt seine Verfassungstreuepflicht in schwerwiegender Weise.

Darin liegt zugleich ein Verhalten, das typisch für die sog. Reichsbürger-Szene ist. Ungeachtet der Unterschiede der sehr heterogenen Gruppierung im Detail ist ein gemeinsames Charakteristikum dieses Personenkreises, dass er das Bestehen der Bundesrepublik Deutschland leugnet. Unter dem Begriff "Reichsbürger" werden Gruppierungen und Einzelpersonen zusammengefasst, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren und gegenüber denen deshalb die begründete Besorgnis besteht, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Ihr verbindendes Element ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland (vgl. zur Begriffsbestimmung: Verfassungsschutzbericht 2020 des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, S. 115).

Der Beklagte hat zwar angegeben, kein "Reichsbürger" zu sein und auch die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht in Frage stellen zu wollen, hat aber auch in der mündlichen Verhandlung nicht plausibel erklären können, warum er sich in dieser Weise verhalten hat.

Welche Disziplinarmaßnahme erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten. Aus den gesetzlichen Vorgaben folgt die Verpflichtung, die Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu bestimmen. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Sicherung der Funktion des öffentlichen Dienstes. Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.>, vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 16 ff. und vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - DokBer 2012, 260 Rn. 71 m.w.N.). Die Verletzung der Pflicht zur Treue zur Verfassung (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG) ist so schwerwiegend, dass bei der Maßnahmebemessung nach § 13 BDG von der höchsten Maßnahme, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG), auszugehen ist. Dies folgt aus der Unverzichtbarkeit der Verfassungstreue im Beamtenverhältnis. Die Verfassungstreue ist ein Eignungsmerkmal für Beamte. Personen, die sich nicht zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und nicht für deren Erhaltung eintreten, kann von den Bürgern nicht das für die Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden (BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 11 ff. und vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 18 m.w.N.).

Das Fazit

Es ist unmöglich, die rechtliche Existenz der Bundesrepublik zu leugnen und sich zugleich zu deren Grundordnung zu bekennen und sich für diese einzusetzen, wie es gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG von Beamten und Beamtinnen verlangt wird. Wer die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnet, verletzt in schwerwiegender Weise seine Verfassungstreuepflicht und kann deshalb im Disziplinarwege aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

Quelle: Urteil des BVerwG vom 2.12.2021, Az. 2 A 7.21

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