Behindertengerechte Aufstiegsbedingungen

Bei schwerbehinderten und ihnen gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellten Menschen hindert im Einzelfall eine behinderungsbedingt fehlende Nachtdiensttauglichkeit nicht die Beförderung im Justizvollzugsdienst.

VGH Mannheim, Beschluss v. 20.02.2020 – 4 S 3299/19 –

Der Fall

Die Antragstellerin ist Beamtin. Sie leidet unter Multiple Sklerose, ist medikamentös jedoch gut versorgt, sodass sie ihren vollen Dienst im Wesentlichen ohne Fehlzeiten im Schicht- und Wechseldienst leistet. Der Antragsgegner war der Auffassung, die Antragstellerin könne nicht zur Hauptsekretärin im Justizvollzugsdienst befördert werden, weil der Amtsarzt ihr zur Erhaltung ihrer Dienstfähigkeit untersagt hat, Nachtdienste zu leisten. Laut Auswahlvermerk sei sie deshalb „im Grunde als dienstunfähig“ anzusehen, weswegen ihr trotz des erreichten Ranges 4 „die eigentlich verdiente Beförderung versagt bleiben“ müsse und die ursprünglich vorgesehene Vergabe der zur Verfügung stehenden vierten Stelle in dieser Beförderungsrunde ganz zu unterbleiben habe. Die Beamtin weist einen Behinderungsgrad von 30 auf und ist einer Schwerbehinderten durch behördliche Entscheidung aufgrund von § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellt.

Die Entscheidung

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim bestätigte durch die Zurückweisung der Beschwerde des Landes die erstinstanzliche Entscheidung, die zugunsten der Beamtin ausgefallen ist.

Ihr dürfe die gesundheitliche Eignung für ein Statusamt nicht allein deshalb abgesprochen werden, weil sie den Anforderungen der Laufbahn behinderungsbedingt nicht vollumfänglich entspreche. Bei schwerbehinderten Bewerbern hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 24.06.2019 entschieden, dass die Regelungen der Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG, Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und § 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX für schwerbehinderte Bewerber um öffentliche Ämter einen individualrechtlichen Anspruch auf behinderungsgerechte Berücksichtigung begründen. Einem schwerbehinderten Bewerber darf die gesundheitliche Eignung für ein Statusamt daher nicht allein deshalb abgesprochen werden, weil er den Anforderungen der Laufbahn zum Einstellungszeitpunkt behinderungsbedingt nicht vollumfänglich entspricht. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat diesen Grundsatz auch auf diejenigen angewendet, die den Schwerbehinderten gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellt sind.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen für die Beamtin nachteiligen Umstand darin, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung unklar war, ob sie auf ihrem A7-Dienstposten verbleiben könne, auf dem keine Nachtdienste zu leisten sind, oder auf einem nach A8 bewerteten Dienstposten. Die Beamtin sei gut ausgebildet und motiviert; sie könne vielseitig eingesetzt werden, lediglich ein Einsatz in Nachtdiensten sei ausgeschlossen.

Das Fazit

Entscheidend ist, dass eine behinderungsgerechte Beschäftigung in einer dem Statusamt entsprechenden Weise nicht ausgeschlossen ist, der Dienstherr also einen entsprechenden Dienstposten gestalten kann. Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, richtet sich der Bewerbungsverfahrensanspruch im Beamtenverhältnis nur auf das Statusamt aus. Es kommt nicht darauf an, wie der konkrete Dienstposten ausgestaltet sein wird. Die Ernennung muss so erfolgen, dass eine mögliche Behinderung keine Beachtung findet. Das ergibt sich für den Zugang zum Beförderungsamt unmittelbar aus § 9 des Beamtenstatusgesetzes, wonach Ernennungen nach Einigung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Behinderungen vorzunehmen sind.

vorgehend: Verwaltungsgericht Sigmaringen, 26.09.2019, Az: 14 K 3057/19

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