Sabbat-Modell und trotzdem volle Corona-Sonderzahlung

Vor dem Hintergrund der mit der Corona-Sonderzahlung verfolgten Zwecksetzung, die besondere Arbeitsbelastung während der COVID-19-Pandemie auszugleichen und die Einsatzbereitschaft der Beschäftigten anzuerkennen, richtet sich die Anspruchshöhe nach der zum maßgeblichen gesetzlichen Stichtag tatsächlich geleisteten Arbeitszeit.

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.10.2023

- 3 A 295/23 –

Der Fall

Die Klägerin aus Herne ist beamtete Grundschullehrerin. Ihr wurde ab August 2021 über einen Zeitraum von sieben Jahren Teilzeitbeschäftigung im Blockmodell bewilligt. Danach arbeitet sie während der fünfjährigen Ansparphase im Umfang der regelmäßigen Arbeitszeit (28 Stunden pro Woche), erhält aber nur die Besoldung eines Beamten in Teilzeit mit 20 Stunden pro Woche und wird anschließend für zwei Jahre bei unveränderter Teilzeitbesoldung vom Dienst befreit. Auf der Grundlage des Corona-Sonderzahlungsgesetzes erhielt die Klägerin im März 2022 einmalig 928,59 Euro ausgezahlt. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) lehnte ihren Antrag ab, ihr die Corona-Sonderzahlung in voller Höhe von 1.300,00 Euro zu gewähren und daher 371,41 Euro nachzuzahlen. Es verwies darauf, dass sich die Klägerin am Stichtag des 29. November2021 in Teilzeit befunden und sich die Corona-Sonderzahlung deswegen vermindert habe. Der dagegen gerichteten Klage gab das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen statt.:

Beamten in der Ansparphase im Sabbat-Modell steht volle Corona-Sonderzahlung zu, Teilzeit im Blockmodell sei keine „Teilzeit“ im Sinne des Corona-Sonderzahlungsgesetzes.

Die Entscheidung

Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf die Corona-Sonderzahlung in unverminderter Höhe, so dass ihr die beantragte Zahlung über 371,41 Euro zusteht.

Maßgeblich dafür ist das Gesetz über die Gewährung einer einmaligen Corona-Sonderzahlung aus Anlass der COVID-19-Pandemie für das Land Nordrhein-Westfalen (Corona-SZG NRW, GV. NRW. S. 376) vom 25. März 2022, das mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft getreten ist. Zwischen den Beteiligten unstreitig, steht der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung der Corona-Sonderzahlung zu. Die Höhe der zu gewährenden Corona-Sonderzahlung ist nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Corona-SZG NRW i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 LBesG NRW wegen der zum 1. August 2021 bewilligten Beschäftigung der Klägerin in Teilzeit im Blockmodell vermindert.

Die Klägerin unterfällt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Corona-SZG NRW dem Anwendungsbereich des Corona-Sonderzahlungsgesetzes und ist damit Anspruchsberechtigte. Zu dem nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Corona-SZG NRW maßgeblichen Stichtag des 29. November 2021 stand sie als Beamtin im Dienst des Beklagten.

Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Corona-SZG NRW für die Entstehung des Anspruchs, die kumulativ gegeben müssen sind ebenfalls erfüllt. Das Dienstverhältnis der Klägerin zum Beklagten hat bereits am 29. November 2021 bestanden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Corona-SZG NRW). Aus diesem Dienstverhältnis hatte die Klägerin zudem in der Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 29. November 2021 an mindestens einem Tag Anspruch auf Besoldung (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Corona-SZG NRW). Der Anspruch richtet sich gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Corona-SZG NRW gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Dienstherr.

Der Anspruch steht der Klägerin in voller Höhe zu. Die Corona-Sonderzahlung hat sich nicht gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Corona-SZG NRW i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 LBesG NRW vermindert. Denn die Klägerin hat bezogen auf den maßgeblichen Stichtag 29. November 2021 während der Ansparphase im Blockmodell mit voller Wochenstundenzahl gearbeitet. Dies hat zur Folge, dass insoweit kein Fall einer "Teilzeitbeschäftigung" i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 Corona-SZG NRW vorlag.

Für Berechtigte nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Corona-SZG NRW, die – wie die Klägerin – Anspruch auf Dienstbezüge gemäß § 1 Abs. 4 LBesG NRW haben, beträgt die volle Höhe der Corona-Sonderzahlung 1.300,00 Euro netto (§ 3 Nr. 1, § 6 Corona-SZG NRW). Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Corona-SZG NRW vermindert sich die Höhe der Corona-Sonderzahlung in Fällen der Teilzeitbeschäftigung entsprechend § 8 Abs. 1 LBesG NRW, wonach bei Teilzeitbeschäftigung die Besoldung im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt wird, soweit nichts anderes bestimmt ist. Maßgebend sind hier jeweils, da der Klägerin an jenem Tag ein Anspruch auf Dienstbezüge zustand, die Verhältnisse am 29. November 2021 (§ 4 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Corona-SZG NRW).

Diese stichtagsbezogene Ausgestaltung der Sonderzahlung passt mit der Ermäßigung der Arbeitszeit im Blockmodell, die sich über einen mehrjährigen Zeitraum verteilt, nicht überein. Mithin ist für die Gewährung der Sonderzahlung in voller Höhe entscheidend, dass die Klägerin zum maßgeblichen Stichtag ihren Dienst mit regulärem Beschäftigungsumfang verrichtet hat.

§ 4 Abs. 1 Satz 1 Corona-SZG NRW erfasst nach seinem Wortlaut sämtliche Fälle von Teilzeit ohne Unterscheidung nach ihrer konkreten Ausgestaltung. Er ist dahingehend zu verstehen, dass keine Minderung für solche Anspruchsberechtigte in einer Teilzeitbeschäftigung im Blockmodell eintritt, die sich zum maßgeblichen Stichtag (noch) in der Ansparphase befunden und ihren Dienst ohne Arbeitszeitermäßigung verrichtet haben.

Aus § 1 Abs. 1 Corona-SZG NRW und den hierzu in der Gesetzesbegründung erläuterten Motiven ergibt sich, dass die Corona-Sonderzahlung die besondere (Arbeits-)Belastung von Anspruchsberechtigten während der COVID-19-Pandemie abfedern soll. Der Gesetzgeber hatte die seinerzeit „vielfältigen Herausforderungen“ im Blick, „die mit lang andauernden, zusätzlichen Belastungen und zum Teil auch besonderen Risiken einhergehen“ und den Bediensteten „besondere Einsatz- und Verantwortungsbereitschaft sowie ein außerordentlich hohes Maß an Flexibilität“ abverlangten.

Bezweckt sind demzufolge der Ausgleich der außerordentlichen pandemiebedingten Arbeitsbelastung (z.B. eigenes Infektionsrisiko der Bediensteten, kurzfristig sich ändernde Infektionsschutzmaßnahmen und Arbeitsabläufe, Kompensation krankheitsbedingter Arbeitsausfälle) sowie die Anerkennung des besonderen Einsatzes der Anspruchsberechtigten während der Pandemiezeit. Diese Erwägung trifft gerade auch auf Lehrkräfte wie die Klägerin zu. Sie waren in mehrfacher Hinsicht den Folgen der Pandemie im Arbeitsalltag ausgesetzt (z.B. Wechseln von Präsenz- zu Onlineunterricht, Anpassen der Unterrichtsgestaltung, längerfristiges Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung, Auffangen krankheitsbedingter Ausfälle in Schüler- und Lehrerschaft).

Vor dem Hintergrund dieser mit der Corona-Sonderzahlung verfolgten Zwecksetzung spricht alles dafür, dass sich die Anspruchshöhe nach der zum maßgeblichen Stichtag tatsächlich geleisteten Arbeitszeit richtet.

Das Fazit

Beamten in Teilzeit im Blockmodell ("Sabbat-Modell"), die am Stichtag 29.11.2021 während der sogenannten Ansparphase ihren Dienst mit regelmäßiger Arbeitszeit erbracht haben, steht die Corona-Sonderzahlung in ungeminderter Höhe zu. Das hat das Oberverwaltungsgericht entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen bestätigt.

Dem Gesetzgeber ging bei der Gewährung der Sonderzahlung im Besonderen um einen Ausgleich sowie die Anerkennung für den besonderen Einsatz der Bediensteten. Während der Pandemie wurde bei stetig bestehenden eigenen Infektionsrisiko von den Beamten insoweit etwa durch kurzfristig geänderte Arbeitsabläufe, häufig wechselnde Infektionsschutzmaßnahmen und zahlreiche Krankheitsausfälle in der Kollegenschaft ein erhebliches Maß an Flexibilität und Einsatzbereitschaft abverlangt. Das gilt beispielsweise auch gerade für Lehrkräfte wie die Klägerin, die in kürzester Zeit von Präsenz- auf Onlineunterricht wechseln und hierbei Unterrichtsgestaltung und Unterrichtsformate ändern mussten, lange Zeit einer umfassenden Maskenpflicht unterlagen und häufig krankheitsbedingte Ausfälle in Schüler wie auch Lehrerschaft auffangen mussten. 

vorgehend: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 1 K 2557/22

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