Anträge auf einstweilige Anordnung gegen das Tarifeinheitsgesetz

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Eilanträge von drei Gewerkschaften gegen das Gesetz zur Tarifeinheit abgelehnt, da keine gravierenden, irreversiblen oder nur schwer revidierbaren Nachteile feststellbar sind, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen (BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 2015, Aktenzeichen 1 BvR 1571/15).

Der Fall

Die drei Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden und ihren gleichzeitig gestellten Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Gesetz zur Tarifeinheit vom 3. Juli 2015. Sie machen geltend, dass das angegriffene Gesetz ihr Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz einschränkt und ihre Existenz bedroht. Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um Berufsgruppengewerkschaften. Ihre Tarifzuständigkeiten überschneiden sich mit denen anderer Gewerkschaften, die regelmäßig einen größeren Personenkreis Tarifbeschäftigter organisieren. Das Gesetz zur Tarifeinheit schafft eine neue Kollisionsregel im Tarifvertragsrecht.

Die Vorschrift des § 4 a Abs. 2 Satz 2 Tarifvertragsgesetz löst Tarifkollisionen durch das Mehrheitsprinzip. Das heißt, wenn sich die Geltungsbereiche nicht inhaltsgleicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften in einem Betrieb überschneiden, kann gerichtlich festgestellt werden, dass nur der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft gilt, die in diesem Betrieb die meisten Mitglieder hat. Die Gewerkschaft, deren Tarifvertrag verdrängt wird, kann sich dem Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft durch eine Nachzeichnung anschließen.

Die Entscheidung

Das BVerfG hat die Eilanträge abgelehnt. Nach § 32 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz kann das BVerfG im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Es ist aus Sicht des BVerfG derzeit nicht feststellbar, dass die Beschwerdeführer bei Fortgeltung der angegriffenen Vorschrift bis zur Entscheidung in der Hauptsache gravierende, kaum revidierbare oder irreversible Nachteile erleiden werden.

Eine einstweilige Anordnung kommt nur in Betracht, wenn sich ihr Erlass im Rahmen einer Folgenabwägung für den Zeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung als zur Abwehr schwerer Nachteile dringend erforderlich darstellt. Soll ein Gesetz außer Vollzug gesetzt werden, sind die Hürden besonders hoch. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache spielen bei der Abwägung keine Rolle. Nach Auffassung des BVerfG ist es nicht absehbar, inwieweit es bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren tatsächlich in einem Ausmaß zu einer Anwendung der Kollisionsregel kommt, die eine einstweilige Anordnung begründen würde. Aus Sicht der Verfassungsrichter ist es nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführer in ihrer Tariffähigkeit und damit in ihrer tarifpolitischen Existenz ernstlich gefährdet werden. Bei einer erheblichen Änderung der tatsächlichen Umstände können die Beschwerdeführer jedoch einen erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen. Die Sicherungsfunktion der einstweiligen Anordnung kann außerdem ihren Erlass auch von Amts wegen rechtfertigen.

Das Fazit

Der Erste Senat des BVerfG hat im Rahmen einer Folgenabwägung den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt und zugleich aber ausdrücklich betont, dass hierdurch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen sind. Auch strebt das Gericht eine Entscheidung bis Ende 2016 an, was gemessen an der Dauer sonstiger Verfahren vergleichsweise kurz ist.

In seinem Beschluss erkennt das Gericht die durchaus gewichtigen Nachteile für die Beschwerdeführer durch die Einführung des Tarifeinheitsgesetzes an. Diese sind aus Sicht des BVerfG für den begrenzten Zeitraum hinnehmbar. Schließlich weist das BVerfG ausdrücklich darauf hin, dass bei einer erheblichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse ein erneuter Antrag möglich ist und auch das BVerfG selbst ohne einen solchen Antrag eine einstweilige Anordnung von Amts wegen erlassen kann.

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