Unzulässige Altersdiskriminierung durch Lebensaltersstufen

Die Bemessung der Grundvergütung eines Angestellten im Öffentlichen Dienst nach dem Lebensalter verstößt gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. Die diskriminierenden Auswirkungen dieses Systems können für einen befristeten Zeitraum bestehen bleiben, um den Übergang in ein diskriminierungsfreies System ohne Einkommensverluste zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 8. September 2011, Aktenzeichen C-297/10 und C-298/10).

Der Fall

Im ersten der beiden Ausgangsverfahren, die der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegen, machte ein Angestellter des Öffentlichen Dienstes in Deutschland, der in eine Vergütungsgruppe des BAT eingruppiert und nach seinem Lebensalter eingestuft worden war, die Unwirksamkeit dieser Einstufung wegen Altersdiskriminierung geltend und verlangte die Einstufung in die höchste Lebensaltersstufe. Im zweiten Ausgangsverfahren machte eine Angestellte des Öffentlichen Dienstes ebenfalls die Unwirksamkeit der Lebensaltersstufen im BAT geltend und brachte vor, dass sich die beanstandete Altersdiskriminierung auch nach der Überleitung in den TVöD fortgesetzt habe. Sie war bei der Überleitung auf der Grundlage ihrer BAT-Lebensaltersstufe in eine individuelle Zwischenstufe zwischen den Stufen 3 und 4 ihrer neuen Entgeltgruppe eingestuft worden, am 1. Oktober 2007 dann in Stufe 4. Sie verlangte die Einstufung in Stufe 5. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Fragen zur Vorabentscheidung vor, ob die Lebensaltersstufen des BAT eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters darstellen und wenn ja, ob dieses System bei der Überleitung in den TVöD für einen Übergangszeitraum fortgeführt werden durfte.

Die Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass die Lebensaltersstufen des BAT gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstoßen. Dieses Verbot gilt in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich des Entgelts für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen. Auch Tarifverträge müssen sich hieran messen lassen. Die Grundvergütung, die zwei Angestellte auf der Grundlage des BAT erhalten, wenn sie am selben Tag in derselben Vergütungsgruppe eingestellt werden, unterscheidet sich aufgrund ihres jeweiligen Lebensalters. Dies stellt eine Ungleichbehandlung des Jüngeren dar. Diese Ungleichbehandlung ist nicht aufgrund eventuell höherer Berufserfahrung des Älteren gerechtfertigt, da diese für die Einstufung nicht entscheidend ist. Denn ein älterer Angestellter ohne Berufserfahrung würde aufgrund seines Lebensalters auch dann höher eingestuft als ein jüngerer Angestellter, wenn der Jüngere mehr Berufserfahrung hätte. Die Ungleichbehandlung ist auch nicht aufgrund eines eventuell höheren finanziellen Bedarfs von Älteren zu rechtfertigen, da ein solcher höherer Bedarf nicht nachvollziehbar begründet werden kann. Die Tarifpartner konnten das diskriminierende System jedoch im Rahmen der Überleitung in den TVöD für einen befristeten Zeitraum aufrechterhalten, um Einkommensverluste der Beschäftigten beim Übergang in das neue Entgeltsystem zu verhindern.

Das Fazit

Das Verfahren vor dem EuGH stellte einen Zwischenstreit in den Ausgangsverfahren dar, die nach wie vor beim BAG anhängig sind. Das BAG hatte in beiden Verfahren die Möglichkeit genutzt, dem EuGH vorab Fragen der Auslegung des europäischen Rechts vorzulegen, deren Beantwortung das BAG nun seinen Urteilen zugrunde legen wird. Die vorliegende Entscheidung bestätigt, dass eine Altersdiskriminierung auch zu Lasten jüngerer Beschäftigter vorliegen kann und dass sich auch Tarifverträge – ebenso wie Rechts- und Verwaltungsvorschriften – an diesem Diskriminierungsverbot messen lassen müssen. Das Gericht hat nicht nur die Europarechtswidrigkeit der Einstufung von Beschäftigten nach ihrem Lebensalter festgestellt, sondern auch die Rechtmäßigkeit der Überleitung in die neuen Flächentarifverträge des Öffentlichen Dienstes auf der Basis eines Vergleichsentgelts, das sich unter anderem an der BAT-Grundvergütung orientiert.

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