mit der TdL (2023) & Hessen (2024)
Anspruch auf Zeitzuschläge auch für Bereitschaftszeiten innerhalb der Arbeitszeit
Es besteht auch dann ein Anspruch auf Zeitzuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit nach TVöD, wenn innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit Bereitschaftszeiten liegen (BAG, Urteil vom 28. Juli 2010, Aktenzeichen 5 AZR 342/09).
Der Fall
Der Kläger ist seit dem Jahr 1986 bei der Beklagten, einem Unternehmen, das Notfallrettungen und Krankentransporte anbietet, und zuvor bei deren Rechtsvorgänger als Rettungsassistent beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der TVöD anwendbar. Seit dem 1. November 2006 gilt für den Kläger ein Dienstplan, der eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden unter Einbeziehung von Bereitschaftszeiten vorsieht. Im November 2006 lagen 46 Stunden hiervon zwischen 21 Uhr und 6 Uhr sowie 38 Stunden an Sonntagen. Gemäß TVöD steht den Beschäftigten neben dem Entgelt ein Zuschlag für Nachtarbeit in Höhe von 20 Prozent des Stundenentgelts der Stufe 3 der jeweiligen Entgeltgruppe je Stunde zu, für Sonntagsarbeit in Höhe von 25 Prozent. Bereitschaftszeiten werden gemäß TVöD zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet. Die Beklagte zahlte dem Kläger Zeitzuschläge auf der Grundlage des TVöD für 23,5 Stunden Nachtarbeit und 19 Stunden Sonntagsarbeit. Mit seiner Klage machte der Kläger die Zahlung weiterer Zeitzuschläge für den Monat November 2006 geltend, da ihm diese auch für Bereitschaftszeiten innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zustünden. Die Beklagte war der Ansicht, dass ein solcher Anspruch nicht bestehe. Zeitzuschläge seien nur für die tatsächliche Arbeitsleistung zu zahlen, wozu die Bereitschaftszeiten nicht gehörten. Im Wege der Pauschalierung habe sie dem Kläger Zeitzuschläge für die Hälfte der Arbeitszeit gewährt, obwohl seine Inanspruchnahme in der Nacht und an Sonntagen tatsächlich nur ungefähr 30 Prozent betragen habe.
Die Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Der Kläger hat auch dann Anspruch auf Zeitzuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit, wenn innerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit Bereitschaftszeiten liegen. Es ist nicht notwendig, dass in der zuschlagspflichtigen Zeit Vollarbeit geleistet wird. Zeitzuschläge werden für Zeiten gewährt, in der eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht wird. Hierzu zählen jedoch auch Bereitschaftszeiten, die in der regelmäßigen Arbeitszeit liegen. Denn der Beschäftigte erfüllt auch mit der Leistung von Bereitschaftszeiten seine Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsvertrag und erhält hierfür Arbeitsentgelt. Zwar werden die Bereitschaftszeiten bei der Errechnung der wöchentlichen Arbeitszeit nur zur Hälfte gewertet (so genannte Faktorisierung). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die nicht als Arbeitszeit gewerteten Bereitschaftszeiten Freizeit wären. Vielmehr muss sich der Beschäftigte nach der Definition der Bereitschaftszeiten auch zu den Zeiten, die nicht als Arbeitszeit gewertet werden, am Arbeitsplatz oder an einem anderen vom Arbeitgeber bestimmten Ort zur Verfügung halten, um gegebenenfalls die Arbeit aufzunehmen. Laut TVöD sind Bereitschaftszeiten Teil der regelmäßigen Arbeitszeit und werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen. Ihre Faktorisierung führt zur Verlängerung der Anwesenheit des Beschäftigten am Arbeitsplatz. Der TVöD bietet jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass auch die Zeitzuschläge zu faktorisieren wären, dass sie also nur für die Hälfte der aus Vollarbeit und Bereitschaftszeiten bestehenden Zeit zu zahlen wären. Die Zeitzuschläge sind vielmehr je Stunde zu leisten, die der Beschäftigte im Betrieb anwesend ist. Dies gilt auch für Bereitschaftszeiten. Die Zeitzuschläge sollen besondere Erschwernisse ausgleichen, die sich durch Arbeit zu ungünstigen Zeiten ergeben. Diese Erschwernisse bestehen nicht erst dann, wenn der Beschäftigte Vollarbeit leistet, sondern bereits dann, wenn er sich am Arbeitsplatz oder an einem anderen vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhält, um die Arbeit jederzeit aufnehmen zu können.
Das Fazit
Bereitschaftszeiten sind gemäß § 9 TVöD die Zeiten, in denen sich der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einem anderen Ort, den der Arbeitgeber bestimmt hat, bereit halten muss, um gegebenenfalls die Arbeit selbstständig oder auf Anordnung aufnehmen zu können. In Bereitschaftszeiten müssen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Die Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit anerkannt. Die Summe aus Bereitschaftszeiten und Vollarbeitszeit darf im Durchschnitt 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Die Regelungen zu den Bereitschaftszeiten im TVöD entsprechen damit den Regelungen zur Arbeitsbereitschaft, wie sie vor Einführung des TVöD galten. Die Bereitschaftszeiten sind abzugrenzen von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft. Bei diesen Sonderformen der Arbeit muss sich der Beschäftigte außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit für die Arbeitsaufnahme zur Verfügung halten, beim Bereitschaftsdienst an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort, bei Rufbereitschaft an einem Ort seiner Wahl, den er allerdings dem Arbeitgeber vorher anzeigen muss. Hier haben die Tarifvertragsparteien im Gegensatz zu den Bereitschaftszeiten Regelungen über einen finanziellen Ausgleich geschaffen. Auch die Tatsache, dass sie dies für Bereitschaftszeiten nicht getan haben, deutet darauf hin, dass den Beschäftigten für Bereitschaftszeiten die vollen Zeitzuschläge zustehen.