Bezahlung von Vorgriffsstunden von Lehrern bei vorzeitigem Ausscheiden

Die den angestellten Lehrkräften in Nordrhein-Westfalen abverlangte Leistung von zusätzlichen wöchentlichen Pflichtstunden soll gemäß Schulfinanzgesetz durch eine Ermäßigung der Pflichtstundenzahl in späteren Schuljahren ausgeglichen werden. Insoweit besteht jedoch eine Regelungslücke für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens einer Lehrkraft aus dem Arbeitsverhältnis. Die Regelungslücke kann durch ergänzende Vertragsauslegung im Grundsatz dahin geschlossen werden, dass ein finanzieller Ausgleich für geleistete Vorgriffsstunden geschuldet wird. Ein solcher Ausgleich kommt aber nicht schon bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern erst zum vorgesehenen Zeitpunkt der Pflichtstundenreduzierung in Betracht. Die Klägerin begehrt Vergütung für so genannte Vorgriffsstunden, die sie bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Schuldienst des beklagten Landes geleistet hat.

Die Klägerin war seit 1996 als Lehrerin an einer Realschule des beklagten Landes tätig. Nach dem Arbeitsvertrag richtete sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen sowie nach den Sonderregelungen der Anlage 2 l I (Lehrkräfte) zum BAT. Die Klägerin arbeitete zunächst als Vollzeitkraft mit 26,5 Unterrichtsstunden/Woche. Gemäß § 3 der Verordnung zur Ausführung des § 5 Schulfinanzgesetz (VO zu § 5 SchFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Mai 1997 setzte das Ministerium für Schule und Weiterbildung die wöchentliche Pflichtstundenzahl der Lehrerinnen und Lehrer an Realschulen auf 27 fest. Ab dem Schuljahr 1998/99 vereinbarten die Parteien eine Teilzeitbeschäftigung mit 23 Unterrichtsstunden wöchentlich und ab dem Schuljahr 1999/2000 mit 24 Unterrichtsstunden wöchentlich. Die Klägerin erhielt 23/28 beziehungsweise 24/28 der Vergütung einer entsprechenden Vollzeittätigkeit. Zum Schuljahr 2001/02 wechselte die Klägerin in den Schuldienst des Landes Hessen. Die Parteien lösten das Arbeitsverhältnis auf Wunsch der Klägerin einvernehmlich zum 5. August 2001 auf. In Hessen erhält die Klägerin für die in Nordrhein-Westfalen geleisteten Vorgriffsstunden keinen Ausgleich. Am 4. Februar 2002 forderte die Klägerin von dem beklagten Land schriftlich die Bezahlung der Vorgriffsstunden. Sie berechnet ihre Forderung aus der Differenz zwischen 23/27 und 23/28 beziehungsweise 24/27 und 24/28 der Vergütung für eine Vollzeittätigkeit. Die Differenz für die Zeit vom 1. August 1998 bis zum 5. August 2001 beläuft sich unstreitig auf 4.148,33 Euro.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts steht der Klägerin zur Zeit jedoch keine Vergütung für geleistete Vorgriffsstunden zu. Ein finanzieller Ausgleich kommt erst in Betracht, wenn feststeht, dass das beklagte Land die Vorgriffsstunden nicht durch Pflichtstundenreduzierung ausgleichen kann. Solange auch nur die theoretische Möglichkeit besteht, dass die Klägerin in den Schuldienst des beklagten Landes zurückkehrt, kann der Ausgleich noch durch die Reduzierung der künftigen Pflichtstunden bis zum Schuljahresende 2010/11 erfolgen. Die Rückgabe der geleisteten Vorgriffsstunden in Form von Arbeitsverringerung geht als die vertraglich ausdrücklich vorgesehene Kompensation einem finanziellen Ausgleich vor. Ein etwaiger finanzieller Ausgleich ist frühestens ab Beginn des Schuljahres 2008/09 fällig. Der Ausgleich hat, nicht anders als bei Pflichtstundenreduzierung, ab 2008 jeweils für ein Schuljahr zu erfolgen, nicht jedoch schon bei einem vorherigen Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis und auch nicht kumuliert zu Beginn des Ausgleichszeitraums. Ansonsten stünde die Lehrkraft auf Grund der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses besser als die Lehrkräfte, die den Ausgleich durch Pflichtstundenreduzierung in Anspruch nehmen, entschied das BAG. Die Klägerin soll durch den finanziellen Ausgleich nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn ihr die Pflichtstundenreduzierung gewährt würde. Zudem lässt sich erst innerhalb des festgelegten Ausgleichszeitraums bestimmen, in welcher Höhe die Vorgriffsstunden tatsächlich zu vergüten sind.

(BAG, Urteil vom 19. Mai 2004 - 5 AZR 418/03)

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