Streikbruchprämie als zulässiges Kampfmittel?

Ein bestreikter Arbeitgeber ist grundsätzlich berechtigt, zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer durch Zusage einer Prämie (Streikbruchprämie) von einer Streikbeteiligung abzuhalten (BAG, Urteil vom 14. August 2018, Aktenzeichen 1 AZR 287/17).

Der Fall

Der Kläger ist bei dem beklagten Einzelhandelsunternehmen als Verkäufer vollzeitbeschäftigt. In den Jahren 2015 und 2016 wurde der Betrieb, in dem er eingesetzt ist, an mehreren Tagen bestreikt. Dazu hatte eine Gewerkschaft mit dem Ziel aufgerufen, einen Tarifvertrag zur Anerkennung regionaler Einzelhandels-tarifverträge zu schließen. Vor Streikbeginn versprach der Arbeitgeber in einem betrieblichen Aushang allen Arbeitnehmern, die sich nicht am Streik beteiligen und ihrer regulären Tätigkeit nachgehen, die Zahlung einer Streikbruchprämie. Diese war zunächst pro Streiktag in Höhe von 200 Euro brutto (bei einer Teilzeitbeschäftigung entsprechend anteilig) und in einem zweiten betrieblichen Aushang in Höhe von 100 Euro brutto zugesagt. Der Kläger, der ein Bruttomonatseinkommen von 1.480 Euro bezog, folgte dem gewerkschaftlichen Streikaufruf und legte an mehreren Tagen die Arbeit nieder. Mit seiner Klage hat er die Zahlung von Prämien – insgesamt 1.200 Euro brutto – verlangt und sich hierfür vor allem auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. In der Zusage der Prämienzahlung an alle arbeitswilligen Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber liegt zwar eine Ungleichbehandlung der streikenden und der nicht streikenden Beschäftigten. Diese ist aber aus arbeitskampfrechtlichen Gründen gerechtfertigt. Der Arbeitgeber wollte mit der freiwilligen Sonderleistung betrieblichen Ablaufstörungen begegnen und damit dem Streikdruck entgegenwirken. Vor dem Hintergrund der für beide sozialen Gegenspieler geltenden Kampfmittelfreiheit handelt es sich um eine grundsätzlich zulässige Maßnahme des Arbeitgebers. Für diese gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Danach war die ausgelobte Streikbruchprämie – auch soweit sie den Tagesverdienst Streikender um ein Mehrfaches überstieg – nicht unangemessen.

Das Fazit

Die Entscheidung des BAG ist nicht wirklich überraschend und bestätigt die bisherige Rechtsprechung und die herrschende Meinung in der Literatur. Vor und während des Streiks an arbeitswillige Arbeitnehmer zugesagte Sonderzahlungen, um die Folgen des Streiks im Betrieb abzuschwächen oder zu vermeiden, werden von der Rechtsprechung grundsätzlich als zulässiges Arbeitskampfmittel angesehen, soweit sie verhältnismäßig sind. Nach Streikende zugesagte Sonderzahlungen sind dagegen in der Regel unzulässig, sofern sie nicht nur besondere Belastungen ausgleichen.

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