Arbeitskampfrecht – Schadensersatz drittbetroffener Unternehmen

Die von einem Streik der Fluglotsen am 6. April 2009 am Stuttgarter Flughafen betroffenen Luftverkehrsgesellschaften können gegen die streikführende Gewerkschaft keine Schadensersatzansprüche wegen ausgefallener, verspäteter oder umgeleiteter Flüge geltend machen (BAG, Urteil vom 25. August 2015, Aktenzeichen 1 AZR 754/13).

Der Fall

Die vier Klägerinnen betreiben Luftverkehrsunternehmen. Die beklagte Gewerkschaft der Flugsicherung e.V. (GdF) vertritt die berufs- und tarifpolitischen Interessen des Flugsicherungspersonals in Deutschland. Im Frühjahr 2008 forderte die GdF den Betreiber des Verkehrsflughafens Stuttgart – die Flughafen Stuttgart GmbH – zu Tarifverhandlungen für die dort beschäftigten Arbeitnehmer der Vorfeldkontrolle / Verkehrszentrale auf. Vom 3. bis 6. März 2009 fand zunächst ein befristeter Streik dieser Beschäftigten statt, der danach auf unbestimmte Zeit verlängert wurde. Für den 6. April 2009 rief die GdF die bei ihr organisierten und bei der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) angestellten Fluglotsen am Standort Stuttgart zu einem Streik in der Zeit von 16:00 bis 22:00 Uhr zur Unterstützung des Hauptarbeitskampfs der Beschäftigten der Vorfeldkontrolle / Verkehrszentrale auf. Entsprechend einer Notdienstvereinbarung mit der DFS wickelten die Fluglotsen 25 Prozent des planmäßigen Luftverkehrs ab. Dennoch fielen zahlreiche Flüge der Klägerinnen aus, weitere hatten Verspätung oder mussten umgeleitet werden. Aufgrund einer Verbotsverfügung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main brach die GdF den Unterstützungsstreik vorzeitig ab.

Die Entscheidung

Die Vorinstanzen haben die im Wesentlichen auf die Zahlung von Schadensersatz aus unerlaubter Handlung gerichteten Klagen abgewiesen. Auch die Revisionen der Klägerinnen hatten vor dem Ersten Senat des BAG keinen Erfolg. Die BAG-Richter haben entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer widerrechtlichen Eigentumsverletzung in Form einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung an den Flugzeugen nicht besteht. Das Recht der Klägerinnen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist ebenfalls nicht verletzt.

Der Streik der Fluglotsen war gegen den Betrieb der DFS gerichtet. Ein Eingriff in die Gewerbebetriebe der Klägerinnen war damit nicht verbunden und ist insbesondere nicht wegen der öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen für Luftverkehrsunternehmen anzunehmen. Auch die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung der Klägerinnen im Sinne des § 826 BGB durch den Arbeitskampf bei der DFS liegen nach Auffassung des Gerichts nicht vor.

Das Fazit

Der Erste Senat des BAG hat am selben Tag über die Revisionen von drei Fluggesellschaften verhandelt, die sich gegen die Abweisung ihrer Schadensersatzklagen wegen zweier von der GdF für den 4. und 9. August 2011 angekündigter – tatsächlich aber nicht durchgeführter – Streikmaßnahmen aller Tarifbeschäftigten der DFS richteten. Auch in diesem Fall hatten die Revisionen der Klägerinnen vor dem BAG keinen Erfolg (vergleiche Urteil vom 25. August 2015, Aktenzeichen 1 AZR 875/13). Arbeitskämpfe wirken sich häufig nicht nur beim unmittelbar bestreikten Unternehmen, sondern auch auf Dritte aus. Diese mittelbaren Folgen sind bei Streiks meist unvermeidbar. Die wirtschaftliche Betroffenheit von Dritten reicht jedoch nicht aus, um einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb anzunehmen. In der Regel fehlt es gegenüber diesen Dritten bereits an der Betriebsbezogenheit des Eingriffs, denn betriebsbezogen ist der Eingriff nur hinsichtlich des bestreikten Unternehmens.

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