Entgeltfortzahlung während eines Arbeitskampfs

Der Arbeitgeber muss eine suspendierende Betriebsstilllegung während eines Arbeitskampfs gegenüber den Arbeitnehmern erklären. Eine individuelle Unterrichtung muss jedoch nicht erfolgen, so dass deren Fehlen keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung begründet (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2011, Aktenzeichen 1 AZR 495/10).

Der Fall

Der Kläger ist Gewerkschaftsmitglied und bei dem beklagten Nahverkehrsunternehmen im Fahrdienst beschäftigt. Die bei der Beklagten vertretenen Gewerkschaften riefen zu einem eintägigen Warnstreik vom 27. bis zum 28. Februar 2009 auf. Für diesen Zeitraum stellte die Beklagte den Fahrdienst mit ihren eigenen Fahrzeugen ein und beauftragte zur Aufrechterhaltung des Verkehrs auf einigen Buslinien private Busunternehmen. Die Beklagte informierte ihre Führungskräfte hierüber durch E-Mails. Darüber hinaus wurde die Öffentlichkeit über die Einschränkungen in Kenntnis gesetzt. Zum Teil wurden die Busfahrer telefonisch informiert, nicht jedoch der Kläger, der an diesem Tag erkrankt war. Die Beklagte kürzte für den Monat Februar 2009 die Entgeltfortzahlung des Klägers um den Betrag, der auf den 27. Februar 2009 entfallen wäre. Der Kläger machte auch für diesen Tag Entgeltfortzahlung geltend. Er brachte vor, dass die Beklagte ihn anderweitig hätte einsetzen können, wenn er arbeitsfähig gewesen wäre. Sein Anspruch sei nicht aufgrund des Arbeitskampfs erloschen, da die Beklagte ihn nicht über die Einstellung des Busverkehrs informiert habe.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Der Kläger hat für den 27. Februar 2012 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Diesen Anspruch hätte er nur dann, wenn er im Falle seiner Arbeitsfähigkeit Anspruch auf Entgeltzahlung gehabt hätte. Dies war aufgrund der Warnstreikmaßnahmen nicht der Fall. Der Arbeitgeber trägt grundsätzlich das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko. Das bedeutet, dass er auch dann zur Entgeltzahlung verpflichtet ist, wenn er den Arbeitnehmer ohne sein Verschulden nicht beschäftigen kann oder wenn die Fortsetzung des Betriebs wirtschaftlich sinnlos ist. Anders ist dies während eines Arbeitskampfs zu beurteilen. Hier richtet sich der Entgeltanspruch nach der arbeitskampfrechtlichen Parität. Kommt es aufgrund eines Streiks oder einer Aussperrung zu einer Störung des Betriebsablaufs, die die Fortsetzung des Betriebs ganz oder teilweise unmöglich oder wirtschaftlich sinnlos macht, so entfällt der Anspruch für die Dauer der Arbeitskampfmaßnahme. Dem steht es auch nicht entgegen, wenn die Nichtbeschäftigung der Arbeitnehmer durch Gegenmaßnahmen des Arbeitgebers – wie hier die suspendierende Betriebsstilllegung – mitverursacht wurde. Eine solche Betriebsstilllegung setzt voraus, dass die Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers – mit Ausnahme von Erhaltungs- und Notstandsarbeiten – weder von ihm selbst noch durch Dritte ausgeführt wird. Des Weiteren muss der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern die Stilllegung mittels einer im Betrieb üblichen Kommunikationsform erklären. Beides ist hier erfüllt. Eine individuelle Erklärung gegenüber dem Kläger war nicht erforderlich.

Das Fazit

Zu den wichtigsten Arbeitskampfmitteln der Arbeitgeberseite gehört die Aussperrung. Hierbei schließt der Arbeitgeber eine Gruppe von Arbeitnehmern von der Arbeit aus. Ein Entgeltanspruch besteht für diesen Zeitraum nicht. Des Weiteren besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit, mit einer Betriebsstilllegung auf einen Streik zu reagieren. Eine Betriebsstilllegung unterscheidet sich von der Aussperrung dadurch, dass sie sich zeitlich und inhaltlich strikt im Rahmen des Streiks der Gewerkschaften bewegen muss. Auch während der Betriebsstilllegung besteht grundsätzlich kein Entgeltanspruch der von ihr betroffenen Arbeitnehmer. In dem hier vorliegenden Urteil stellt das Gericht jedoch klar, dass auch während einer Betriebsstilllegung unter bestimmten Voraussetzungen ein Entgeltsanspruch der arbeitswilligen Arbeitnehmer bestehen kann, etwa wenn eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer vorhanden und die Beschäftigung dem Arbeitgeber zumutbar ist, wenn sich die Betriebsstilllegung nicht in den Grenzen des gewerkschaftlichen Streikaufrufs hält oder wenn der Arbeitgeber die Stilllegung nicht ausreichend bekannt gemacht hat.

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