Betriebsbedingte Kündigung mit dem Hinweis auf „Corona“ nicht automatisch gerechtfertigt

Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel rechtfertigt eine betriebsbedingte Kündigung nicht. Vielmehr müssen Arbeitgebende anhand der Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist. Schließlich spricht Kurzarbeit im Betrieb gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf, so das Arbeitsgericht (Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 5. November 2020, Aktenzeichen 38 Ca 4569/20).

Der Fall

Der Kläger war seit Mitte 2018 bei der Beklagten als Ausbildungslokführer beschäftigt. Am 16. März 2020 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitenden schriftlich mit, dass sie aufgrund der „hohen Infektionsgefahr durch das Coronavirus“ beabsichtige, Kurzarbeit einzuführen. Der Kläger erklärte sich hiermit einverstanden. Wenige Tage später, mit Schreiben vom 23. März 2020, kündigte die Beklagte dem Kläger aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum 30. April 2020. Unter anderem begründete die Beklagte die Kündigung damit, dass sie sich entschlossen habe, die berufliche Weiterbildung von Lokomotivführenden nicht mehr weiter auszuführen. Mit dem gerichtlichen Verfahren wendete sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Kündigung.

Die Entscheidung

Der Kläger hatte Erfolg. Die ausgesprochene Kündigung der Beklagten ist nicht gemäß § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gerechtfertigt. Die Beklagte habe die Tatsachen, die eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt hätten, nicht ausreichend dargelegt. Eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sei nur dann zulässig, wenn der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung im Betrieb voraussichtlich dauerhaft wegfällt. Ein Wegfall oder Rückgang von Aufträgen stelle nur dann ein dringendes betriebliches Erfordernis der Kündigung dar, wenn der Arbeitsanfall so zurückgegangen sei, dass zukünftig für eine / -n oder mehrere Arbeitnehmende / -n kein Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung mehr bestehe. Dabei reiche ein bloßer Hinweis auf auslaufende Aufträge und das Fehlen von Anschlussaufträgen regelmäßig nicht aus, um einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zu begründen. Arbeitgebende müssten vielmehr anhand der Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum nicht nur eine kurzfristige Auftragsschwankung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist. Das Vorliegen von nur kurzfristigen Auftragsschwankungen müsse ausgeschlossen sein. Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Im vorliegenden Fall habe sich die Beklagte zwar darauf berufen, dass ein geplanter Lehrgang des Klägers „storniert“ wurde, was offenbar mit der Corona-Pandemie im Zusammenhang stand. Jedoch habe sie nicht vorgetragen, welche konkreten Anhaltspunkte zum Zeitpunkt der Kündigung dafür vorgelegen haben sollen, dass dauerhaft keine Aus- oder Weiterbildung von Lokomotivführenden mehr stattfinden werde. Schließlich spreche auch die beabsichtige Kurzarbeit der Beklagten gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf. 

Das Fazit

Das Urteil zeigt, dass die Darlegungs- und Beweislast der Arbeitgebenden bei betriebsbedingten Kündigungen auch in Zeiten einer Pandemie selbstverständlich bestehen bleibt. Der pauschale Verweis auf die Corona-Pandemie oder mit ihr im Zusammenhang stehende Umsatzeinbrüche reicht für sich genommen nicht aus, um eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen.

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